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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Bolschewismus

Bolschewismus
Dr. Walter Lessing von

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^Un-mM>Ä5is vor etwa 1^ Jahren die Allzuklugen einen plombierten Eisen¬
bahnwagen durch Deutschlands Gaue rollen ließen, in dem Lenin
und Genossen gegen Osten fuhren, wurde dem rötesten Revolu¬
tionsgeist aller Zeiten der Weg zur Entwicklung gebahnt. Damals
schon dachten die fieberhaft arbeitenden Gehirne der Insassen
dieses Waggons daran, wie sie diesem Geiste, den wir riefen, auch
die Macht über uns verleihen könnten, auf daß der Spruch zur Wahrheit werde:
"Das eben ist der Fluch der bösen Tat, daß sie fortwährend Böses muß gebären!"

Der Zar war gestürzt. Die unmittelbaren Urheber des Umsturzes hatten
schon nicht mehr die Macht in Händen. Kerenski wird zum Diktator in Ge¬
meinschaft mit Arbeiter- und Soldaten-Räten, die ihm nur bedingt ergeben
waren. Der Friedenshunger im russischen Volk wuchs von Tag zu Tag. Die
große Offensive ward zum Fehlschlag. Der Zusammenbruch ließ sich nicht mehr
aufhalten.

In diesem Chaos blühte der Weizen der Bolschewisten. Lenin verschwun¬
den, dann reäivivus, packte mit flammenden Worten und noch stärkerem Geist
die Massen: der Bolschewismus siegte. Lolsolis heißt "mehr" im Gegensatz zu
mouse-Ils gleich "weniger". Maximalisten bezw. Minimalisten sind die un¬
genauen Uebersetzungen. Das theoretische Programm der Bolschewiken war
kurz: alles für alle! Es gibt keinen Besitz, kein Eigentum mehr. Jeder ist nur
Bürger des Staates. Alles geschieht durch und für den Staat.

Die Diktatur des Proletariats war nur die weitere Fortentwicklung dieser
Gedankengänge. Denkt man sich dieses Programm zu Ende durch, so liegen die
Utopien dieser Theorie, das Unnatürliche und Widersinnige, klar zutage. Für
Massen aber, die nach Freiheit lechzen, die Ideale, die Neues suchen, dem sie
folgen können, war diese Theorie des Jdealstaates das Gegebene. Glänzende
Psychologen, wie Lenin, Trotzki, Radek es sind, ergründeten sie die Seele des
russischen Volkes. Erst in kleineren Dosen, dann 'immer stärker pflanzten sie
den Bazillus des Bolschewismus in die empfänglichen Gemüter, auf daß er sich,
der Grippe vergleichbar, erst über das ganze russische Land, dann -- von ihm ge¬
leitet -- gegen Westen als Erreger der Weltrevolution verbreite. Herrenmen¬
schen sind sie, energisch greisen sie zur Tat und schrecken auch vor solchen Taten,
wie nur sie täglich t^en, uicht znvück.

Wenn je eine objektive Geschichtsschreibung des Bolschewismus heraus¬
gegeben wird, so muß sie anerkennen, daß der Ursprung der Bewegung, wenn
auch paradox, so doch ideal war, daß aber das Tragische, Verhängnisvolle und
tief Unmoralische der Weiterentwicklung darin lag, daß die Führer aus Sklaven
ihrer Ideen zu Sklaven ihrer Taten wurden. -- "Wir werden verschwinden,
aber wir werden die Tore der Weltgeschichte krachend hinter uns zuschlagen!"
sagt Trotzki. -- Das spricht Bände. Cäsarenwahnsinn in Reinkultur!---
"""

"Brot und abermals "Brot, vereinzelt "Frieden war der Ruf der
Massen, die Ende Februar r. Se. 1917 durch Petersburgs breite Straßen sich
wälzten. Ein Wechsel der Regierung, nur ein Wechsel des Regenten war die
Absicht der bürgerlichen Parteien, die den Umsturz wollten und auch erzwangen.

Der bulgarische General Protogerow, ehemals Präsident des mazedoni¬
schen Konntees, sagte mir damals: "Eine Revolution zu beginnen, ist leicht, sie
zu leiten -- unmöglich." über Nacht war die Republik da. Die Duma-Regie¬
rung Lwow-Miljukoff-Golubew verschwand, Arbeiter- und Soldatenräte hatten
sich gebildet und Kerenski kam ans Ruder. Noch hatten die bürgerlichen Par¬
teien nicht ganz ausgespielt. Die linken Kadetten gingen mit dem rechten Sozial¬
revolutionär Kerenski. Ihr gemeinschaftlicher Haß gegen Deutschland verband
le. Das nutzlose weitere Blutvergießen ward zum Verhängnis. Lenin und
ein Schoten Radek, Trotzki und Genossen traten damals noch nicht so hervor,
)litten im Sommer 1917 nur geringen Anhang. Allmählich verstärkte er sich.
Kerenski verlor den Einfluß auf die Arbeiter- und Soldatenräte, mit denen zu-


Bolschewismus

Bolschewismus
Dr. Walter Lessing von

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^Un-mM>Ä5is vor etwa 1^ Jahren die Allzuklugen einen plombierten Eisen¬
bahnwagen durch Deutschlands Gaue rollen ließen, in dem Lenin
und Genossen gegen Osten fuhren, wurde dem rötesten Revolu¬
tionsgeist aller Zeiten der Weg zur Entwicklung gebahnt. Damals
schon dachten die fieberhaft arbeitenden Gehirne der Insassen
dieses Waggons daran, wie sie diesem Geiste, den wir riefen, auch
die Macht über uns verleihen könnten, auf daß der Spruch zur Wahrheit werde:
„Das eben ist der Fluch der bösen Tat, daß sie fortwährend Böses muß gebären!"

Der Zar war gestürzt. Die unmittelbaren Urheber des Umsturzes hatten
schon nicht mehr die Macht in Händen. Kerenski wird zum Diktator in Ge¬
meinschaft mit Arbeiter- und Soldaten-Räten, die ihm nur bedingt ergeben
waren. Der Friedenshunger im russischen Volk wuchs von Tag zu Tag. Die
große Offensive ward zum Fehlschlag. Der Zusammenbruch ließ sich nicht mehr
aufhalten.

In diesem Chaos blühte der Weizen der Bolschewisten. Lenin verschwun¬
den, dann reäivivus, packte mit flammenden Worten und noch stärkerem Geist
die Massen: der Bolschewismus siegte. Lolsolis heißt „mehr" im Gegensatz zu
mouse-Ils gleich „weniger". Maximalisten bezw. Minimalisten sind die un¬
genauen Uebersetzungen. Das theoretische Programm der Bolschewiken war
kurz: alles für alle! Es gibt keinen Besitz, kein Eigentum mehr. Jeder ist nur
Bürger des Staates. Alles geschieht durch und für den Staat.

Die Diktatur des Proletariats war nur die weitere Fortentwicklung dieser
Gedankengänge. Denkt man sich dieses Programm zu Ende durch, so liegen die
Utopien dieser Theorie, das Unnatürliche und Widersinnige, klar zutage. Für
Massen aber, die nach Freiheit lechzen, die Ideale, die Neues suchen, dem sie
folgen können, war diese Theorie des Jdealstaates das Gegebene. Glänzende
Psychologen, wie Lenin, Trotzki, Radek es sind, ergründeten sie die Seele des
russischen Volkes. Erst in kleineren Dosen, dann 'immer stärker pflanzten sie
den Bazillus des Bolschewismus in die empfänglichen Gemüter, auf daß er sich,
der Grippe vergleichbar, erst über das ganze russische Land, dann — von ihm ge¬
leitet — gegen Westen als Erreger der Weltrevolution verbreite. Herrenmen¬
schen sind sie, energisch greisen sie zur Tat und schrecken auch vor solchen Taten,
wie nur sie täglich t^en, uicht znvück.

Wenn je eine objektive Geschichtsschreibung des Bolschewismus heraus¬
gegeben wird, so muß sie anerkennen, daß der Ursprung der Bewegung, wenn
auch paradox, so doch ideal war, daß aber das Tragische, Verhängnisvolle und
tief Unmoralische der Weiterentwicklung darin lag, daß die Führer aus Sklaven
ihrer Ideen zu Sklaven ihrer Taten wurden. — „Wir werden verschwinden,
aber wir werden die Tore der Weltgeschichte krachend hinter uns zuschlagen!"
sagt Trotzki. — Das spricht Bände. Cäsarenwahnsinn in Reinkultur!---
"""

„Brot und abermals „Brot, vereinzelt „Frieden war der Ruf der
Massen, die Ende Februar r. Se. 1917 durch Petersburgs breite Straßen sich
wälzten. Ein Wechsel der Regierung, nur ein Wechsel des Regenten war die
Absicht der bürgerlichen Parteien, die den Umsturz wollten und auch erzwangen.

Der bulgarische General Protogerow, ehemals Präsident des mazedoni¬
schen Konntees, sagte mir damals: „Eine Revolution zu beginnen, ist leicht, sie
zu leiten — unmöglich." über Nacht war die Republik da. Die Duma-Regie¬
rung Lwow-Miljukoff-Golubew verschwand, Arbeiter- und Soldatenräte hatten
sich gebildet und Kerenski kam ans Ruder. Noch hatten die bürgerlichen Par¬
teien nicht ganz ausgespielt. Die linken Kadetten gingen mit dem rechten Sozial¬
revolutionär Kerenski. Ihr gemeinschaftlicher Haß gegen Deutschland verband
le. Das nutzlose weitere Blutvergießen ward zum Verhängnis. Lenin und
ein Schoten Radek, Trotzki und Genossen traten damals noch nicht so hervor,
)litten im Sommer 1917 nur geringen Anhang. Allmählich verstärkte er sich.
Kerenski verlor den Einfluß auf die Arbeiter- und Soldatenräte, mit denen zu-


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[0226] Bolschewismus Bolschewismus Dr. Walter Lessing von ZWV" «AW A.ß^z ^Un-mM>Ä5is vor etwa 1^ Jahren die Allzuklugen einen plombierten Eisen¬ bahnwagen durch Deutschlands Gaue rollen ließen, in dem Lenin und Genossen gegen Osten fuhren, wurde dem rötesten Revolu¬ tionsgeist aller Zeiten der Weg zur Entwicklung gebahnt. Damals schon dachten die fieberhaft arbeitenden Gehirne der Insassen dieses Waggons daran, wie sie diesem Geiste, den wir riefen, auch die Macht über uns verleihen könnten, auf daß der Spruch zur Wahrheit werde: „Das eben ist der Fluch der bösen Tat, daß sie fortwährend Böses muß gebären!" Der Zar war gestürzt. Die unmittelbaren Urheber des Umsturzes hatten schon nicht mehr die Macht in Händen. Kerenski wird zum Diktator in Ge¬ meinschaft mit Arbeiter- und Soldaten-Räten, die ihm nur bedingt ergeben waren. Der Friedenshunger im russischen Volk wuchs von Tag zu Tag. Die große Offensive ward zum Fehlschlag. Der Zusammenbruch ließ sich nicht mehr aufhalten. In diesem Chaos blühte der Weizen der Bolschewisten. Lenin verschwun¬ den, dann reäivivus, packte mit flammenden Worten und noch stärkerem Geist die Massen: der Bolschewismus siegte. Lolsolis heißt „mehr" im Gegensatz zu mouse-Ils gleich „weniger". Maximalisten bezw. Minimalisten sind die un¬ genauen Uebersetzungen. Das theoretische Programm der Bolschewiken war kurz: alles für alle! Es gibt keinen Besitz, kein Eigentum mehr. Jeder ist nur Bürger des Staates. Alles geschieht durch und für den Staat. Die Diktatur des Proletariats war nur die weitere Fortentwicklung dieser Gedankengänge. Denkt man sich dieses Programm zu Ende durch, so liegen die Utopien dieser Theorie, das Unnatürliche und Widersinnige, klar zutage. Für Massen aber, die nach Freiheit lechzen, die Ideale, die Neues suchen, dem sie folgen können, war diese Theorie des Jdealstaates das Gegebene. Glänzende Psychologen, wie Lenin, Trotzki, Radek es sind, ergründeten sie die Seele des russischen Volkes. Erst in kleineren Dosen, dann 'immer stärker pflanzten sie den Bazillus des Bolschewismus in die empfänglichen Gemüter, auf daß er sich, der Grippe vergleichbar, erst über das ganze russische Land, dann — von ihm ge¬ leitet — gegen Westen als Erreger der Weltrevolution verbreite. Herrenmen¬ schen sind sie, energisch greisen sie zur Tat und schrecken auch vor solchen Taten, wie nur sie täglich t^en, uicht znvück. Wenn je eine objektive Geschichtsschreibung des Bolschewismus heraus¬ gegeben wird, so muß sie anerkennen, daß der Ursprung der Bewegung, wenn auch paradox, so doch ideal war, daß aber das Tragische, Verhängnisvolle und tief Unmoralische der Weiterentwicklung darin lag, daß die Führer aus Sklaven ihrer Ideen zu Sklaven ihrer Taten wurden. — „Wir werden verschwinden, aber wir werden die Tore der Weltgeschichte krachend hinter uns zuschlagen!" sagt Trotzki. — Das spricht Bände. Cäsarenwahnsinn in Reinkultur!--- """ „Brot und abermals „Brot, vereinzelt „Frieden war der Ruf der Massen, die Ende Februar r. Se. 1917 durch Petersburgs breite Straßen sich wälzten. Ein Wechsel der Regierung, nur ein Wechsel des Regenten war die Absicht der bürgerlichen Parteien, die den Umsturz wollten und auch erzwangen. Der bulgarische General Protogerow, ehemals Präsident des mazedoni¬ schen Konntees, sagte mir damals: „Eine Revolution zu beginnen, ist leicht, sie zu leiten — unmöglich." über Nacht war die Republik da. Die Duma-Regie¬ rung Lwow-Miljukoff-Golubew verschwand, Arbeiter- und Soldatenräte hatten sich gebildet und Kerenski kam ans Ruder. Noch hatten die bürgerlichen Par¬ teien nicht ganz ausgespielt. Die linken Kadetten gingen mit dem rechten Sozial¬ revolutionär Kerenski. Ihr gemeinschaftlicher Haß gegen Deutschland verband le. Das nutzlose weitere Blutvergießen ward zum Verhängnis. Lenin und ein Schoten Radek, Trotzki und Genossen traten damals noch nicht so hervor, )litten im Sommer 1917 nur geringen Anhang. Allmählich verstärkte er sich. Kerenski verlor den Einfluß auf die Arbeiter- und Soldatenräte, mit denen zu-

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/226>, abgerufen am 24.11.2024.