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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Materialien zur Polenpolitik

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liebe Grundlage und keinen politschen Träger
besaß, mußte es das deutsche Ultimatum der
Auflösung annehmen. Es ist ein Glück, daß
dieser traurige Akt sich unter innerer Mi߬
stimmung, aber ohne unnötiges und völlig
hoffnungsloses Blutvergießen vollzogen hat.

Auf diese Weise haben beide jenseits der
Grenzen befindlichen polnischen Formationen,
von denen manche glaubten, daß sie an Stelle
der Legionen als Stamm des Polnischen
Heeres treten werden, aufgehört zu existieren.
Die ganze Polnische bewaffnete Macht ist jetzt
bis auf die fünf- oder sechstausend Soldaten
zusammengeschrumpft, die sich im deutschen
Okkupationsgebiet als der Anfang des von
den Deutschen organisierten Heeres befinden.
Diese kleinen Abteilungen, die bereits bis
zur Höhe einer zirkusartigen Äquilibristik
ausgebildet sind, fallen jedoch Ver aufgezwun¬
genen Arbeitslosigkeit zum Opfer. Der Soldat
einer Ausbildungsabteilung, der kein Material
zur Ausbildung bekommt und es nicht bald
bekommen wird, langweilt sich, verliert die
Hoffnung und wird in seiner soldatischen
Moral erschüttert. Die Nachrichten über die
geistige Verfassung dieser kleinen Abteilungen
lauten sehr ungünstig.

Polnischer Handel und polnische In¬

dustrie in Posen.

Der "Kraj" (Lissa i. P)
veröffentlicht von Ur. 123 (2. Juni 1918)
fortlaufend den Bericht des Vorstandes der
(Polnischen) Fabrikanten-Genossenschaften in
Posen. Ihm sind folgende Angaben ent¬
nommen:

"An erster Stelle soll man die bedeutende
Erhöhung der eigenen Kapitalien durch die
Verbandsbank der Erwerbsgenossenschaften in
Posen vermerken. Im letzten Jahre wurden
nämlich neue Emissionen im Betrage von
13 Millionen Mark ausgegeben, die mit den
früheren zusammen ein Aktienkapital von
24 Millionen Mark bilden.

Das Programm der Bank der. Erwerbs¬
genossenschaften erfuhr gleichfalls eine große
Erweiterung, und zwar in industrieller Rich¬
tung, was wir Gewerbetreibenden mit be¬
sonderer Befriedigung begrüßen. Während
bis jetzt unsere Banken ihren Kredit lieber
auf Grund und Boden sowie auf städtische
Realwerte stützten und die Industrie den
Kredit einzig nur gegen Unterlagen und

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lästige Giros ausnützen konnte, ergreift gegen¬
wärtig die Verbandsbank der Genossenschaften
die Initiative und ist bereit, nicht nur Kredit
zu gewähren, sondern, wo die Verhältnisse
es erlauben, oder offensichtliches Bedürfnis
dafür vorliegt, die Industrie zu begründen.

Zum Zwecke der Untersuchung und Bor¬
bereitung von Projekten wurde bei der Bank
u. a. ein "Gewerblicher Ausschuß" gebildet,
der über erstklassige Fachkräfte und reichliches
statistisches und Hilfsmaterial verfügt.

Dieselbe günstige Entwicklung, wenn auch
in kleinerem Maßstabe, macht sich bei der
Bauernbank (Bank Wloscianski) bemerkbar,
die im verflossenen Jahre ihren Namen in
"Handelsbank" (BankHandlowy) geänderthat.
Auch diese Bank hat ihre Kapitalien bedeu¬
tend erhöht; und schon die Namensänderung
allein weist auf die Richtung hin, nach der
sich diese Institution entwickelt. Früher bereits
wegen seiner freundlichen Behandlung in¬
dustrieller Angelegenheiten und kühnen Ini¬
tiative bekannt, schreitet sie auf diesem Wege
rüstig weiter.

Das Bedürfnis einer Erhöhung der Kapi¬
talien und Erweiterung des Arbeitsprogramms
hat sich auch bei der Bank Kwilecki, Potocki
u. Comp. und bei manchen anderen größeren
Unternehmungen bemerkbar gemacht.

Zu finanziellen Zwecken der Industrie,
besonders in ihren Anfängen, wurde bereits
im Jahre 191S die "Genossenschaft zur Unter¬
stützung der Industrie" gegründet. Ihre
Tätigkeit soll'beginnen, sobald die Verhältnisse
es zulassen, was wahrscheinlich vor Beendi¬
gung des Krieges nicht geschehen wird.

Für unsere wenig entwickelte Industrie
eröffnen sich daher günstige Aussichten. Wäh¬
rend früher wegen Mangels an Kapital und
finanzieller Unterstützung die besten Ideen
zuschanden wurden, und die bestehende In¬
dustrie sich nicht entwickeln konnte und ein
schwindsüchtiges Dasein führte, während unsere
Ingenieure, Techniker und Erfinder ihre Kräfte
und Gedanken in der Fremde verwerten
mußten, sind jetzt diese Hindernisse beseitigt.
Es fehlt uns nicht an finanziellen Mitteln,
daher ist "für den Tüchtigen die Bahn frei".

Indem wir unsere Industriellen, In¬
genieure, Kaufleute und Arbeiter darauf auf¬
merksam machen, müssen wir noch einmal die

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liebe Grundlage und keinen politschen Träger
besaß, mußte es das deutsche Ultimatum der
Auflösung annehmen. Es ist ein Glück, daß
dieser traurige Akt sich unter innerer Mi߬
stimmung, aber ohne unnötiges und völlig
hoffnungsloses Blutvergießen vollzogen hat.

Auf diese Weise haben beide jenseits der
Grenzen befindlichen polnischen Formationen,
von denen manche glaubten, daß sie an Stelle
der Legionen als Stamm des Polnischen
Heeres treten werden, aufgehört zu existieren.
Die ganze Polnische bewaffnete Macht ist jetzt
bis auf die fünf- oder sechstausend Soldaten
zusammengeschrumpft, die sich im deutschen
Okkupationsgebiet als der Anfang des von
den Deutschen organisierten Heeres befinden.
Diese kleinen Abteilungen, die bereits bis
zur Höhe einer zirkusartigen Äquilibristik
ausgebildet sind, fallen jedoch Ver aufgezwun¬
genen Arbeitslosigkeit zum Opfer. Der Soldat
einer Ausbildungsabteilung, der kein Material
zur Ausbildung bekommt und es nicht bald
bekommen wird, langweilt sich, verliert die
Hoffnung und wird in seiner soldatischen
Moral erschüttert. Die Nachrichten über die
geistige Verfassung dieser kleinen Abteilungen
lauten sehr ungünstig.

Polnischer Handel und polnische In¬

dustrie in Posen.

Der „Kraj" (Lissa i. P)
veröffentlicht von Ur. 123 (2. Juni 1918)
fortlaufend den Bericht des Vorstandes der
(Polnischen) Fabrikanten-Genossenschaften in
Posen. Ihm sind folgende Angaben ent¬
nommen:

„An erster Stelle soll man die bedeutende
Erhöhung der eigenen Kapitalien durch die
Verbandsbank der Erwerbsgenossenschaften in
Posen vermerken. Im letzten Jahre wurden
nämlich neue Emissionen im Betrage von
13 Millionen Mark ausgegeben, die mit den
früheren zusammen ein Aktienkapital von
24 Millionen Mark bilden.

Das Programm der Bank der. Erwerbs¬
genossenschaften erfuhr gleichfalls eine große
Erweiterung, und zwar in industrieller Rich¬
tung, was wir Gewerbetreibenden mit be¬
sonderer Befriedigung begrüßen. Während
bis jetzt unsere Banken ihren Kredit lieber
auf Grund und Boden sowie auf städtische
Realwerte stützten und die Industrie den
Kredit einzig nur gegen Unterlagen und

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lästige Giros ausnützen konnte, ergreift gegen¬
wärtig die Verbandsbank der Genossenschaften
die Initiative und ist bereit, nicht nur Kredit
zu gewähren, sondern, wo die Verhältnisse
es erlauben, oder offensichtliches Bedürfnis
dafür vorliegt, die Industrie zu begründen.

Zum Zwecke der Untersuchung und Bor¬
bereitung von Projekten wurde bei der Bank
u. a. ein „Gewerblicher Ausschuß" gebildet,
der über erstklassige Fachkräfte und reichliches
statistisches und Hilfsmaterial verfügt.

Dieselbe günstige Entwicklung, wenn auch
in kleinerem Maßstabe, macht sich bei der
Bauernbank (Bank Wloscianski) bemerkbar,
die im verflossenen Jahre ihren Namen in
„Handelsbank" (BankHandlowy) geänderthat.
Auch diese Bank hat ihre Kapitalien bedeu¬
tend erhöht; und schon die Namensänderung
allein weist auf die Richtung hin, nach der
sich diese Institution entwickelt. Früher bereits
wegen seiner freundlichen Behandlung in¬
dustrieller Angelegenheiten und kühnen Ini¬
tiative bekannt, schreitet sie auf diesem Wege
rüstig weiter.

Das Bedürfnis einer Erhöhung der Kapi¬
talien und Erweiterung des Arbeitsprogramms
hat sich auch bei der Bank Kwilecki, Potocki
u. Comp. und bei manchen anderen größeren
Unternehmungen bemerkbar gemacht.

Zu finanziellen Zwecken der Industrie,
besonders in ihren Anfängen, wurde bereits
im Jahre 191S die „Genossenschaft zur Unter¬
stützung der Industrie" gegründet. Ihre
Tätigkeit soll'beginnen, sobald die Verhältnisse
es zulassen, was wahrscheinlich vor Beendi¬
gung des Krieges nicht geschehen wird.

Für unsere wenig entwickelte Industrie
eröffnen sich daher günstige Aussichten. Wäh¬
rend früher wegen Mangels an Kapital und
finanzieller Unterstützung die besten Ideen
zuschanden wurden, und die bestehende In¬
dustrie sich nicht entwickeln konnte und ein
schwindsüchtiges Dasein führte, während unsere
Ingenieure, Techniker und Erfinder ihre Kräfte
und Gedanken in der Fremde verwerten
mußten, sind jetzt diese Hindernisse beseitigt.
Es fehlt uns nicht an finanziellen Mitteln,
daher ist „für den Tüchtigen die Bahn frei".

Indem wir unsere Industriellen, In¬
genieure, Kaufleute und Arbeiter darauf auf¬
merksam machen, müssen wir noch einmal die

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[0081] Materialien zur Polenpolitik liebe Grundlage und keinen politschen Träger besaß, mußte es das deutsche Ultimatum der Auflösung annehmen. Es ist ein Glück, daß dieser traurige Akt sich unter innerer Mi߬ stimmung, aber ohne unnötiges und völlig hoffnungsloses Blutvergießen vollzogen hat. Auf diese Weise haben beide jenseits der Grenzen befindlichen polnischen Formationen, von denen manche glaubten, daß sie an Stelle der Legionen als Stamm des Polnischen Heeres treten werden, aufgehört zu existieren. Die ganze Polnische bewaffnete Macht ist jetzt bis auf die fünf- oder sechstausend Soldaten zusammengeschrumpft, die sich im deutschen Okkupationsgebiet als der Anfang des von den Deutschen organisierten Heeres befinden. Diese kleinen Abteilungen, die bereits bis zur Höhe einer zirkusartigen Äquilibristik ausgebildet sind, fallen jedoch Ver aufgezwun¬ genen Arbeitslosigkeit zum Opfer. Der Soldat einer Ausbildungsabteilung, der kein Material zur Ausbildung bekommt und es nicht bald bekommen wird, langweilt sich, verliert die Hoffnung und wird in seiner soldatischen Moral erschüttert. Die Nachrichten über die geistige Verfassung dieser kleinen Abteilungen lauten sehr ungünstig. Polnischer Handel und polnische In¬ dustrie in Posen. Der „Kraj" (Lissa i. P) veröffentlicht von Ur. 123 (2. Juni 1918) fortlaufend den Bericht des Vorstandes der (Polnischen) Fabrikanten-Genossenschaften in Posen. Ihm sind folgende Angaben ent¬ nommen: „An erster Stelle soll man die bedeutende Erhöhung der eigenen Kapitalien durch die Verbandsbank der Erwerbsgenossenschaften in Posen vermerken. Im letzten Jahre wurden nämlich neue Emissionen im Betrage von 13 Millionen Mark ausgegeben, die mit den früheren zusammen ein Aktienkapital von 24 Millionen Mark bilden. Das Programm der Bank der. Erwerbs¬ genossenschaften erfuhr gleichfalls eine große Erweiterung, und zwar in industrieller Rich¬ tung, was wir Gewerbetreibenden mit be¬ sonderer Befriedigung begrüßen. Während bis jetzt unsere Banken ihren Kredit lieber auf Grund und Boden sowie auf städtische Realwerte stützten und die Industrie den Kredit einzig nur gegen Unterlagen und lästige Giros ausnützen konnte, ergreift gegen¬ wärtig die Verbandsbank der Genossenschaften die Initiative und ist bereit, nicht nur Kredit zu gewähren, sondern, wo die Verhältnisse es erlauben, oder offensichtliches Bedürfnis dafür vorliegt, die Industrie zu begründen. Zum Zwecke der Untersuchung und Bor¬ bereitung von Projekten wurde bei der Bank u. a. ein „Gewerblicher Ausschuß" gebildet, der über erstklassige Fachkräfte und reichliches statistisches und Hilfsmaterial verfügt. Dieselbe günstige Entwicklung, wenn auch in kleinerem Maßstabe, macht sich bei der Bauernbank (Bank Wloscianski) bemerkbar, die im verflossenen Jahre ihren Namen in „Handelsbank" (BankHandlowy) geänderthat. Auch diese Bank hat ihre Kapitalien bedeu¬ tend erhöht; und schon die Namensänderung allein weist auf die Richtung hin, nach der sich diese Institution entwickelt. Früher bereits wegen seiner freundlichen Behandlung in¬ dustrieller Angelegenheiten und kühnen Ini¬ tiative bekannt, schreitet sie auf diesem Wege rüstig weiter. Das Bedürfnis einer Erhöhung der Kapi¬ talien und Erweiterung des Arbeitsprogramms hat sich auch bei der Bank Kwilecki, Potocki u. Comp. und bei manchen anderen größeren Unternehmungen bemerkbar gemacht. Zu finanziellen Zwecken der Industrie, besonders in ihren Anfängen, wurde bereits im Jahre 191S die „Genossenschaft zur Unter¬ stützung der Industrie" gegründet. Ihre Tätigkeit soll'beginnen, sobald die Verhältnisse es zulassen, was wahrscheinlich vor Beendi¬ gung des Krieges nicht geschehen wird. Für unsere wenig entwickelte Industrie eröffnen sich daher günstige Aussichten. Wäh¬ rend früher wegen Mangels an Kapital und finanzieller Unterstützung die besten Ideen zuschanden wurden, und die bestehende In¬ dustrie sich nicht entwickeln konnte und ein schwindsüchtiges Dasein führte, während unsere Ingenieure, Techniker und Erfinder ihre Kräfte und Gedanken in der Fremde verwerten mußten, sind jetzt diese Hindernisse beseitigt. Es fehlt uns nicht an finanziellen Mitteln, daher ist „für den Tüchtigen die Bahn frei". Indem wir unsere Industriellen, In¬ genieure, Kaufleute und Arbeiter darauf auf¬ merksam machen, müssen wir noch einmal die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/81>, abgerufen am 27.06.2024.