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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Englands Bild in den Augen der deutschen Klassiker

Wie zur Entschädigung für die Enge des äußeren Lebens, in die Deutsch¬
land gebannt ist, durchbricht damals der deutsche Geist die Fesseln des Rationa¬
lismus, der in allen Kulturnationen herrschend nur die nüchterne Zweckbetrachtung
der Dinge gelten ließ. Von Richardson weg eilt die junge Bewegung zu einem
lebensvolleren, frischeren Quell der Kunst, zu Shakespeare; wir treten in die Zeit
des "Sturmes und Dranges", dessen Prophet Herder war, dessen leidenschaft¬
lichster Vertreter der junge Klinger, Goethes Genosse in seiner Frühzeit, und unter
dessen Eindruck auch Goethes und Schillers Anfänge stehen.

I. Herders und Klingers Stellung zu England

Ist für Herder und Klinger England ursprünglich das Land Shakespeares,
so lehrt sie Zeit und Geschichte das Wesen des Volkes kennen. Der gereifte Herder
wird in vielen Teilen seiner "Philosophie der Geschichte" und seiner "Adrastea"
Vorläufer einer Völkerpsychologie; der arme Frankfurter Konstablerssohn
Fr. M. Klinger schwingt sich zum russischen Generalleutnant und feinbeobach¬
tenden Weltmann auf. Gewinne Herder durch sein umfassendes Wissen über die
Eigenart der Völker auch für England die rechte Spur, so ergänzt Klinger
diese mehr theoretischen Betrachtungen durch seine Worte -- Worte eines
Mannes an leitender Stelle, der die Wirklichkeit der politischen Verhältnisse ohne
Schleier sah.

Die Zeitverhältnisse, unter denen beide schrieben, sind die gleichen; wir ent¬
nehmen die Äußerungen über England Herders "Adrastea" (1801 bis 1803) und
Klingers ausgezeichneten "Betrachtungen und Gedanken über verschiedene Gegen¬
stände der Welt und der Literatur" (1801 bis 1804), die als Beiträge zur Kenntnis
der Menschenseele wohl mit Rochefoucauld, Chcunfort, Helvetius, La Bruyere
wetteifern können. Es ist die Zeit von Napoleons Aufstieg, der letzten Gefährdung
von Englands Weltmacht für ein Jahrhundert. Aber Napoleons Zug gegen
Ägypten scheiterte; den schon zur Revolutionszeit gemachten Anschlag gegen Irland,
der sich auf den Englandhaß der Iren^hätte stützen können, wiederholte er nicht.
Englands Kaperschiffe aber bereichern steh an Frankreichs und seines erzwungenen
Verbündeten, Hollands, Handelsflotte und Kolonien. Ein Scheinfriede im
Jahre 1802 führt nach neuen Rüstungen zu einem neuen Krieg, der Englands
Übergewicht zur See endgültig sichert. Schon damals kennt England keine Rück¬
sicht auf den neutralen Handel, und ein kleiner neutraler Staat, der durch einen
Vertrag mit Nußland, Schweden und Preußen sich die Ungestörtheit seines Handels
sichern will, Dünemark, büßt dies 1801 mitten im Frieden durch einen Angriff
der Engländer auf Kopenhagen, ein Vorspiel seines späteren Loses, das heutzutage
Griechenland erfuhr: Beschießung der Hauptstadt und Raub der Flotte in vollem
Frieden. --

Einen Grund für das augenfällige Emporblühen Englands im Verlauf der
Jahrhunderte findet Herder in der Freiheitlichkeit der Verfassung: "Die Verfassung
Englands war in mehr als einem Felde zur Erweckung der Talente wie einge¬
richtet". Also; freie Bahn dem Tüchtigen -- das scheint Herder Englands Vorzug
zu sein, der dem Lande viele kostbare Kräfte schenkt, die in anderen Staaten
durch die Standesvorurteile unterdrückt worden wären, und er fährt fort: "Fügt
man zu alle diesem die Nationaleigenschaft der Engländer hinzu, die man nicht
anders als eine insularische Beschränktheit nennen kann, da sie von der Verfassung
der Insel erbeigentümlich herrührt, die Festigkeit nämlich, sich einem Gedanken,
einem Zweck und Geschäft, abgeschränkt von allem, hingeben und es verfolgen zu
mögen: so hat man den Grund vieler Vorzüge sowohl als Tollheiten, .. .
Ist die feste Idee, worauf es ein Englishmcmn setzt, verständig, weise, gut,
wie weit kann er's bringenl" -- Und ein Ausblick auf die deutsche Art macht
Herder die englische noch deutlicher: "Die Festigkeit, daß eine Nation sich nicht
selbst verläßt, auf sich baut und fortbaut, gibt allen Bestrebungen ihrer Eingeborenen
sichere Richtung. Dagegen andere Völker, die, weil sie sich selbst noch nicht fanden,
in fremden Nationen ihr Heil suchen müssen, ihnen dienend, in ihren Gedanken


Englands Bild in den Augen der deutschen Klassiker

Wie zur Entschädigung für die Enge des äußeren Lebens, in die Deutsch¬
land gebannt ist, durchbricht damals der deutsche Geist die Fesseln des Rationa¬
lismus, der in allen Kulturnationen herrschend nur die nüchterne Zweckbetrachtung
der Dinge gelten ließ. Von Richardson weg eilt die junge Bewegung zu einem
lebensvolleren, frischeren Quell der Kunst, zu Shakespeare; wir treten in die Zeit
des „Sturmes und Dranges", dessen Prophet Herder war, dessen leidenschaft¬
lichster Vertreter der junge Klinger, Goethes Genosse in seiner Frühzeit, und unter
dessen Eindruck auch Goethes und Schillers Anfänge stehen.

I. Herders und Klingers Stellung zu England

Ist für Herder und Klinger England ursprünglich das Land Shakespeares,
so lehrt sie Zeit und Geschichte das Wesen des Volkes kennen. Der gereifte Herder
wird in vielen Teilen seiner „Philosophie der Geschichte" und seiner „Adrastea"
Vorläufer einer Völkerpsychologie; der arme Frankfurter Konstablerssohn
Fr. M. Klinger schwingt sich zum russischen Generalleutnant und feinbeobach¬
tenden Weltmann auf. Gewinne Herder durch sein umfassendes Wissen über die
Eigenart der Völker auch für England die rechte Spur, so ergänzt Klinger
diese mehr theoretischen Betrachtungen durch seine Worte — Worte eines
Mannes an leitender Stelle, der die Wirklichkeit der politischen Verhältnisse ohne
Schleier sah.

Die Zeitverhältnisse, unter denen beide schrieben, sind die gleichen; wir ent¬
nehmen die Äußerungen über England Herders „Adrastea" (1801 bis 1803) und
Klingers ausgezeichneten „Betrachtungen und Gedanken über verschiedene Gegen¬
stände der Welt und der Literatur" (1801 bis 1804), die als Beiträge zur Kenntnis
der Menschenseele wohl mit Rochefoucauld, Chcunfort, Helvetius, La Bruyere
wetteifern können. Es ist die Zeit von Napoleons Aufstieg, der letzten Gefährdung
von Englands Weltmacht für ein Jahrhundert. Aber Napoleons Zug gegen
Ägypten scheiterte; den schon zur Revolutionszeit gemachten Anschlag gegen Irland,
der sich auf den Englandhaß der Iren^hätte stützen können, wiederholte er nicht.
Englands Kaperschiffe aber bereichern steh an Frankreichs und seines erzwungenen
Verbündeten, Hollands, Handelsflotte und Kolonien. Ein Scheinfriede im
Jahre 1802 führt nach neuen Rüstungen zu einem neuen Krieg, der Englands
Übergewicht zur See endgültig sichert. Schon damals kennt England keine Rück¬
sicht auf den neutralen Handel, und ein kleiner neutraler Staat, der durch einen
Vertrag mit Nußland, Schweden und Preußen sich die Ungestörtheit seines Handels
sichern will, Dünemark, büßt dies 1801 mitten im Frieden durch einen Angriff
der Engländer auf Kopenhagen, ein Vorspiel seines späteren Loses, das heutzutage
Griechenland erfuhr: Beschießung der Hauptstadt und Raub der Flotte in vollem
Frieden. —

Einen Grund für das augenfällige Emporblühen Englands im Verlauf der
Jahrhunderte findet Herder in der Freiheitlichkeit der Verfassung: „Die Verfassung
Englands war in mehr als einem Felde zur Erweckung der Talente wie einge¬
richtet". Also; freie Bahn dem Tüchtigen — das scheint Herder Englands Vorzug
zu sein, der dem Lande viele kostbare Kräfte schenkt, die in anderen Staaten
durch die Standesvorurteile unterdrückt worden wären, und er fährt fort: „Fügt
man zu alle diesem die Nationaleigenschaft der Engländer hinzu, die man nicht
anders als eine insularische Beschränktheit nennen kann, da sie von der Verfassung
der Insel erbeigentümlich herrührt, die Festigkeit nämlich, sich einem Gedanken,
einem Zweck und Geschäft, abgeschränkt von allem, hingeben und es verfolgen zu
mögen: so hat man den Grund vieler Vorzüge sowohl als Tollheiten, .. .
Ist die feste Idee, worauf es ein Englishmcmn setzt, verständig, weise, gut,
wie weit kann er's bringenl" — Und ein Ausblick auf die deutsche Art macht
Herder die englische noch deutlicher: „Die Festigkeit, daß eine Nation sich nicht
selbst verläßt, auf sich baut und fortbaut, gibt allen Bestrebungen ihrer Eingeborenen
sichere Richtung. Dagegen andere Völker, die, weil sie sich selbst noch nicht fanden,
in fremden Nationen ihr Heil suchen müssen, ihnen dienend, in ihren Gedanken


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[0212] Englands Bild in den Augen der deutschen Klassiker Wie zur Entschädigung für die Enge des äußeren Lebens, in die Deutsch¬ land gebannt ist, durchbricht damals der deutsche Geist die Fesseln des Rationa¬ lismus, der in allen Kulturnationen herrschend nur die nüchterne Zweckbetrachtung der Dinge gelten ließ. Von Richardson weg eilt die junge Bewegung zu einem lebensvolleren, frischeren Quell der Kunst, zu Shakespeare; wir treten in die Zeit des „Sturmes und Dranges", dessen Prophet Herder war, dessen leidenschaft¬ lichster Vertreter der junge Klinger, Goethes Genosse in seiner Frühzeit, und unter dessen Eindruck auch Goethes und Schillers Anfänge stehen. I. Herders und Klingers Stellung zu England Ist für Herder und Klinger England ursprünglich das Land Shakespeares, so lehrt sie Zeit und Geschichte das Wesen des Volkes kennen. Der gereifte Herder wird in vielen Teilen seiner „Philosophie der Geschichte" und seiner „Adrastea" Vorläufer einer Völkerpsychologie; der arme Frankfurter Konstablerssohn Fr. M. Klinger schwingt sich zum russischen Generalleutnant und feinbeobach¬ tenden Weltmann auf. Gewinne Herder durch sein umfassendes Wissen über die Eigenart der Völker auch für England die rechte Spur, so ergänzt Klinger diese mehr theoretischen Betrachtungen durch seine Worte — Worte eines Mannes an leitender Stelle, der die Wirklichkeit der politischen Verhältnisse ohne Schleier sah. Die Zeitverhältnisse, unter denen beide schrieben, sind die gleichen; wir ent¬ nehmen die Äußerungen über England Herders „Adrastea" (1801 bis 1803) und Klingers ausgezeichneten „Betrachtungen und Gedanken über verschiedene Gegen¬ stände der Welt und der Literatur" (1801 bis 1804), die als Beiträge zur Kenntnis der Menschenseele wohl mit Rochefoucauld, Chcunfort, Helvetius, La Bruyere wetteifern können. Es ist die Zeit von Napoleons Aufstieg, der letzten Gefährdung von Englands Weltmacht für ein Jahrhundert. Aber Napoleons Zug gegen Ägypten scheiterte; den schon zur Revolutionszeit gemachten Anschlag gegen Irland, der sich auf den Englandhaß der Iren^hätte stützen können, wiederholte er nicht. Englands Kaperschiffe aber bereichern steh an Frankreichs und seines erzwungenen Verbündeten, Hollands, Handelsflotte und Kolonien. Ein Scheinfriede im Jahre 1802 führt nach neuen Rüstungen zu einem neuen Krieg, der Englands Übergewicht zur See endgültig sichert. Schon damals kennt England keine Rück¬ sicht auf den neutralen Handel, und ein kleiner neutraler Staat, der durch einen Vertrag mit Nußland, Schweden und Preußen sich die Ungestörtheit seines Handels sichern will, Dünemark, büßt dies 1801 mitten im Frieden durch einen Angriff der Engländer auf Kopenhagen, ein Vorspiel seines späteren Loses, das heutzutage Griechenland erfuhr: Beschießung der Hauptstadt und Raub der Flotte in vollem Frieden. — Einen Grund für das augenfällige Emporblühen Englands im Verlauf der Jahrhunderte findet Herder in der Freiheitlichkeit der Verfassung: „Die Verfassung Englands war in mehr als einem Felde zur Erweckung der Talente wie einge¬ richtet". Also; freie Bahn dem Tüchtigen — das scheint Herder Englands Vorzug zu sein, der dem Lande viele kostbare Kräfte schenkt, die in anderen Staaten durch die Standesvorurteile unterdrückt worden wären, und er fährt fort: „Fügt man zu alle diesem die Nationaleigenschaft der Engländer hinzu, die man nicht anders als eine insularische Beschränktheit nennen kann, da sie von der Verfassung der Insel erbeigentümlich herrührt, die Festigkeit nämlich, sich einem Gedanken, einem Zweck und Geschäft, abgeschränkt von allem, hingeben und es verfolgen zu mögen: so hat man den Grund vieler Vorzüge sowohl als Tollheiten, .. . Ist die feste Idee, worauf es ein Englishmcmn setzt, verständig, weise, gut, wie weit kann er's bringenl" — Und ein Ausblick auf die deutsche Art macht Herder die englische noch deutlicher: „Die Festigkeit, daß eine Nation sich nicht selbst verläßt, auf sich baut und fortbaut, gibt allen Bestrebungen ihrer Eingeborenen sichere Richtung. Dagegen andere Völker, die, weil sie sich selbst noch nicht fanden, in fremden Nationen ihr Heil suchen müssen, ihnen dienend, in ihren Gedanken

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/212>, abgerufen am 27.06.2024.