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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.

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sind größer, das größte aber sind die Araber," sagte mir ein hoher Offizier, den
jeder Kundige sofort an den schönen, ein wenig wilden schwarzen Augen als
Araber erkennen konnte. Sonst ist der Stamm unter den höheren Offizieren nur
selten vertreten. Die Beziehungen zwischen Türken und Arabern entbehren nicht
der Schwierigkeiten und wollen mit großer Vorsicht angefaßt sein. Europäische
Hände können und dürfen da nicht eingreifen. . . .

Überhaupt scheint dies die kritische Seite bei dem deutsch-türkischen Freund¬
schaftsverhältnis: das deutsche Bestreben, die Osmanen anzuleiten in der Absicht,
ihnen zu helfen, geht oft zu weit. Mit etwas weniger Eifer wäre da mehr zu
erreichen. Wir sollten von der türkischen Ruhe und Zurückhaltung lernen und
uns gerade den Türken gegenüber bei aller Liebenswürdigkeit, die keinesfalls zu
entbehren ist, größerer Reserve befleißigen. In Galizien stand bei dem dortigen
türkischen Korps als Verbindungsoffizier ein deutscher Generalmajor, Graf W.,
der es in geradezu vorbildlicher Weise verstand, durch rechte Paarung von Liebens¬
würdigkeit und Zurückhaltung Zuneigung und restloses Vertrauen der Türken zu
gewinnen. Leider kommen auf einen solchen Herren, der seine Sache versteht,
neun andere von der eingangs geschilderten Art, die es als ihre Aufgabe zu be¬
trachten scheinen, die deutsch-türkischen Beziehungen zu erschweren. Und die ihre
Stellung dazu benutzen, nach Kräften dahin zu wirken, daß türkische Zurückhaltung
gegenüber der deutschen Freundschaft wachgehalten wird.

Ein Wunsch richtet sich unter diesen Umständen auch an die Adresse der
Osmanen: möchten sie bei allen Fehlern, die noch immer gemacht werden, unseren
guten Willen nicht verkennen I




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Der Weltmensch sucht Ursachen und Ziele alles Geschehens in der Welt der
Wirklichkeit, wie er sie rings um sich her sieht, hört, greift, denkt; dem Frommen
aber ist der überweltliche Gott alles in allem. Ihm sind die Ereignisse acht bloße
Wirkungen von Ursachen, sondern gottgewirkt, ihr Sinn und Zweck ist nicht in der
Welt beschlossen, sondern liegt im Reich Gottes. Dem Weltmenschen, für den Gott
nicht eine lebendig wirkende Macht ist. erscheint die Beziehung aller Dinge auf
Gott, also auf eine Macht, die ihm nichts ist, wunderlich; die Anschauung, die
sich aus solcher Beziehung der ganzen Welt und ihrer Ereignisse auf Gottes Willen
und Absicht ergibt, stimmt mit seiner Wirklichkeit, wie er sie sieht, nicht überein,
eine solche Anschauung ist für ihn nur Dichtung. Als solche freilich kann auch
sie ihn durch ihre Gewalt wenigstens ästhetisch bezwingen. Auch wer Gott nie
erlebt hat, empfindet doch ästhetisch die Größe der "heilsgeschichtlichen" Anschauung,
die Paulus im Römerbrief entwickelt. Und wer kann sich der Größe der Geschuhts-
Anschauung Luthers entziehen? Für Luther waren alle nur politischen Rücksichten
und Ziele nichts, er hielt seine Augen uncibgewendet auf Gott gerichtet, er ließ
sich nie beirren in dem, was die Menschen an ihm Trotz und Torheit nannten


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sind größer, das größte aber sind die Araber," sagte mir ein hoher Offizier, den
jeder Kundige sofort an den schönen, ein wenig wilden schwarzen Augen als
Araber erkennen konnte. Sonst ist der Stamm unter den höheren Offizieren nur
selten vertreten. Die Beziehungen zwischen Türken und Arabern entbehren nicht
der Schwierigkeiten und wollen mit großer Vorsicht angefaßt sein. Europäische
Hände können und dürfen da nicht eingreifen. . . .

Überhaupt scheint dies die kritische Seite bei dem deutsch-türkischen Freund¬
schaftsverhältnis: das deutsche Bestreben, die Osmanen anzuleiten in der Absicht,
ihnen zu helfen, geht oft zu weit. Mit etwas weniger Eifer wäre da mehr zu
erreichen. Wir sollten von der türkischen Ruhe und Zurückhaltung lernen und
uns gerade den Türken gegenüber bei aller Liebenswürdigkeit, die keinesfalls zu
entbehren ist, größerer Reserve befleißigen. In Galizien stand bei dem dortigen
türkischen Korps als Verbindungsoffizier ein deutscher Generalmajor, Graf W.,
der es in geradezu vorbildlicher Weise verstand, durch rechte Paarung von Liebens¬
würdigkeit und Zurückhaltung Zuneigung und restloses Vertrauen der Türken zu
gewinnen. Leider kommen auf einen solchen Herren, der seine Sache versteht,
neun andere von der eingangs geschilderten Art, die es als ihre Aufgabe zu be¬
trachten scheinen, die deutsch-türkischen Beziehungen zu erschweren. Und die ihre
Stellung dazu benutzen, nach Kräften dahin zu wirken, daß türkische Zurückhaltung
gegenüber der deutschen Freundschaft wachgehalten wird.

Ein Wunsch richtet sich unter diesen Umständen auch an die Adresse der
Osmanen: möchten sie bei allen Fehlern, die noch immer gemacht werden, unseren
guten Willen nicht verkennen I




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Der Weltmensch sucht Ursachen und Ziele alles Geschehens in der Welt der
Wirklichkeit, wie er sie rings um sich her sieht, hört, greift, denkt; dem Frommen
aber ist der überweltliche Gott alles in allem. Ihm sind die Ereignisse acht bloße
Wirkungen von Ursachen, sondern gottgewirkt, ihr Sinn und Zweck ist nicht in der
Welt beschlossen, sondern liegt im Reich Gottes. Dem Weltmenschen, für den Gott
nicht eine lebendig wirkende Macht ist. erscheint die Beziehung aller Dinge auf
Gott, also auf eine Macht, die ihm nichts ist, wunderlich; die Anschauung, die
sich aus solcher Beziehung der ganzen Welt und ihrer Ereignisse auf Gottes Willen
und Absicht ergibt, stimmt mit seiner Wirklichkeit, wie er sie sieht, nicht überein,
eine solche Anschauung ist für ihn nur Dichtung. Als solche freilich kann auch
sie ihn durch ihre Gewalt wenigstens ästhetisch bezwingen. Auch wer Gott nie
erlebt hat, empfindet doch ästhetisch die Größe der „heilsgeschichtlichen" Anschauung,
die Paulus im Römerbrief entwickelt. Und wer kann sich der Größe der Geschuhts-
Anschauung Luthers entziehen? Für Luther waren alle nur politischen Rücksichten
und Ziele nichts, er hielt seine Augen uncibgewendet auf Gott gerichtet, er ließ
sich nie beirren in dem, was die Menschen an ihm Trotz und Torheit nannten


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[0217] Neue Bücher sind größer, das größte aber sind die Araber," sagte mir ein hoher Offizier, den jeder Kundige sofort an den schönen, ein wenig wilden schwarzen Augen als Araber erkennen konnte. Sonst ist der Stamm unter den höheren Offizieren nur selten vertreten. Die Beziehungen zwischen Türken und Arabern entbehren nicht der Schwierigkeiten und wollen mit großer Vorsicht angefaßt sein. Europäische Hände können und dürfen da nicht eingreifen. . . . Überhaupt scheint dies die kritische Seite bei dem deutsch-türkischen Freund¬ schaftsverhältnis: das deutsche Bestreben, die Osmanen anzuleiten in der Absicht, ihnen zu helfen, geht oft zu weit. Mit etwas weniger Eifer wäre da mehr zu erreichen. Wir sollten von der türkischen Ruhe und Zurückhaltung lernen und uns gerade den Türken gegenüber bei aller Liebenswürdigkeit, die keinesfalls zu entbehren ist, größerer Reserve befleißigen. In Galizien stand bei dem dortigen türkischen Korps als Verbindungsoffizier ein deutscher Generalmajor, Graf W., der es in geradezu vorbildlicher Weise verstand, durch rechte Paarung von Liebens¬ würdigkeit und Zurückhaltung Zuneigung und restloses Vertrauen der Türken zu gewinnen. Leider kommen auf einen solchen Herren, der seine Sache versteht, neun andere von der eingangs geschilderten Art, die es als ihre Aufgabe zu be¬ trachten scheinen, die deutsch-türkischen Beziehungen zu erschweren. Und die ihre Stellung dazu benutzen, nach Kräften dahin zu wirken, daß türkische Zurückhaltung gegenüber der deutschen Freundschaft wachgehalten wird. Ein Wunsch richtet sich unter diesen Umständen auch an die Adresse der Osmanen: möchten sie bei allen Fehlern, die noch immer gemacht werden, unseren guten Willen nicht verkennen I Neue Bücher Der Weltmensch sucht Ursachen und Ziele alles Geschehens in der Welt der Wirklichkeit, wie er sie rings um sich her sieht, hört, greift, denkt; dem Frommen aber ist der überweltliche Gott alles in allem. Ihm sind die Ereignisse acht bloße Wirkungen von Ursachen, sondern gottgewirkt, ihr Sinn und Zweck ist nicht in der Welt beschlossen, sondern liegt im Reich Gottes. Dem Weltmenschen, für den Gott nicht eine lebendig wirkende Macht ist. erscheint die Beziehung aller Dinge auf Gott, also auf eine Macht, die ihm nichts ist, wunderlich; die Anschauung, die sich aus solcher Beziehung der ganzen Welt und ihrer Ereignisse auf Gottes Willen und Absicht ergibt, stimmt mit seiner Wirklichkeit, wie er sie sieht, nicht überein, eine solche Anschauung ist für ihn nur Dichtung. Als solche freilich kann auch sie ihn durch ihre Gewalt wenigstens ästhetisch bezwingen. Auch wer Gott nie erlebt hat, empfindet doch ästhetisch die Größe der „heilsgeschichtlichen" Anschauung, die Paulus im Römerbrief entwickelt. Und wer kann sich der Größe der Geschuhts- Anschauung Luthers entziehen? Für Luther waren alle nur politischen Rücksichten und Ziele nichts, er hielt seine Augen uncibgewendet auf Gott gerichtet, er ließ sich nie beirren in dem, was die Menschen an ihm Trotz und Torheit nannten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712/217>, abgerufen am 27.07.2024.