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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Schwedische Stimmungen
<Lin Stockholmer Brief
Von Georg Lleinow

n einigen Tagen sollte die große auch von uns geförderte
Konferenz hier zusammentreten, um der Welt die Macht des
internationalen Sozialismus zu offenbaren. Nach der Art und
Weise, wie die Vorbereitungen zu diesen: welthistorischen Ereig¬
nis bisher verlaufen, müßte die Konferenz allerdings etwas
ganz unerhört Großes, nie Erwartetes leisten, soll alles das wieder
eingebracht werden, was allein diese Vorbereitungen schon an Vertrauens¬
kapital verschlungen haben. Dabei gibt es hier in Stockholm schlechte
Menschen, welche behaupten, die ganze Sozialistenkonferenz sei lediglich ein
Stück Wahlarbeit für Hjalmar Branting, der gern Minister werden wolle.
Ich möchte diese scherzhaft-grimmige Bemerkung hier an den Anfang setzen,
weil sie die große Bedeutung der außenpolitischen Haltung, Schwedens für seine
innere Politik und seine internationale Abhängigkeit beleuchtet. In Schweden
gibt es ebenso wie in Deutschland Leute, die den Weltkrieg als geeignetsten
Zeitpunkt zur Austragung von Verfassungskämpfen ansprechen. Tun sie das
aber, so liegt es nur nahe, daß fie ihre Gründe auch in erster Linie aus den
Kriegsereignissen und deren Begleiterscheinungen ziehen. Sie können es auch
in Schweden um so unbekümmerter, als die Regierung, dem Grundton der
Volksstimmung klug Rechnung tragend, das Land durch drei Jahre schweren
Druckes von allen Seiten in der Neutralität erhalten konnte und gegenwärtig
den festen Willen zur Schau trägt, sich auch in Zukunft von niemandem aus ihrer
Haltung herausbringen zu lassen. Bei so sicherer Steuerung läßt sich auch
bei anhaltend schlechtem Wetter ein Tänzchen an Bord des Staatsschiffes
wagen I

Die Stimmung war nicht immer so selbstsicher wie gegenwärtig. Es gibt
auch heute unverbesserliche Pessimisten, die dem Wetter nicht trauen. Aber
diese bilden doch nur eine verschwindende Minderheit, während zu Beginn des
Krieges das "ganze Land" hinter jenen zu stehen schien, die einer Teilnahme
Schwedens am Kriege und zwar an der Seite Deutschlands das Wort redeten.
Es ist ganz lehrreich, sich von Kundigen aus allen Lagern durch die Stimmungen
und ihr Auf und Ab seit Kriegsausbruch führen zu lassen.






Schwedische Stimmungen
<Lin Stockholmer Brief
Von Georg Lleinow

n einigen Tagen sollte die große auch von uns geförderte
Konferenz hier zusammentreten, um der Welt die Macht des
internationalen Sozialismus zu offenbaren. Nach der Art und
Weise, wie die Vorbereitungen zu diesen: welthistorischen Ereig¬
nis bisher verlaufen, müßte die Konferenz allerdings etwas
ganz unerhört Großes, nie Erwartetes leisten, soll alles das wieder
eingebracht werden, was allein diese Vorbereitungen schon an Vertrauens¬
kapital verschlungen haben. Dabei gibt es hier in Stockholm schlechte
Menschen, welche behaupten, die ganze Sozialistenkonferenz sei lediglich ein
Stück Wahlarbeit für Hjalmar Branting, der gern Minister werden wolle.
Ich möchte diese scherzhaft-grimmige Bemerkung hier an den Anfang setzen,
weil sie die große Bedeutung der außenpolitischen Haltung, Schwedens für seine
innere Politik und seine internationale Abhängigkeit beleuchtet. In Schweden
gibt es ebenso wie in Deutschland Leute, die den Weltkrieg als geeignetsten
Zeitpunkt zur Austragung von Verfassungskämpfen ansprechen. Tun sie das
aber, so liegt es nur nahe, daß fie ihre Gründe auch in erster Linie aus den
Kriegsereignissen und deren Begleiterscheinungen ziehen. Sie können es auch
in Schweden um so unbekümmerter, als die Regierung, dem Grundton der
Volksstimmung klug Rechnung tragend, das Land durch drei Jahre schweren
Druckes von allen Seiten in der Neutralität erhalten konnte und gegenwärtig
den festen Willen zur Schau trägt, sich auch in Zukunft von niemandem aus ihrer
Haltung herausbringen zu lassen. Bei so sicherer Steuerung läßt sich auch
bei anhaltend schlechtem Wetter ein Tänzchen an Bord des Staatsschiffes
wagen I

Die Stimmung war nicht immer so selbstsicher wie gegenwärtig. Es gibt
auch heute unverbesserliche Pessimisten, die dem Wetter nicht trauen. Aber
diese bilden doch nur eine verschwindende Minderheit, während zu Beginn des
Krieges das „ganze Land" hinter jenen zu stehen schien, die einer Teilnahme
Schwedens am Kriege und zwar an der Seite Deutschlands das Wort redeten.
Es ist ganz lehrreich, sich von Kundigen aus allen Lagern durch die Stimmungen
und ihr Auf und Ab seit Kriegsausbruch führen zu lassen.




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[0366] [Abbildung] Schwedische Stimmungen <Lin Stockholmer Brief Von Georg Lleinow n einigen Tagen sollte die große auch von uns geförderte Konferenz hier zusammentreten, um der Welt die Macht des internationalen Sozialismus zu offenbaren. Nach der Art und Weise, wie die Vorbereitungen zu diesen: welthistorischen Ereig¬ nis bisher verlaufen, müßte die Konferenz allerdings etwas ganz unerhört Großes, nie Erwartetes leisten, soll alles das wieder eingebracht werden, was allein diese Vorbereitungen schon an Vertrauens¬ kapital verschlungen haben. Dabei gibt es hier in Stockholm schlechte Menschen, welche behaupten, die ganze Sozialistenkonferenz sei lediglich ein Stück Wahlarbeit für Hjalmar Branting, der gern Minister werden wolle. Ich möchte diese scherzhaft-grimmige Bemerkung hier an den Anfang setzen, weil sie die große Bedeutung der außenpolitischen Haltung, Schwedens für seine innere Politik und seine internationale Abhängigkeit beleuchtet. In Schweden gibt es ebenso wie in Deutschland Leute, die den Weltkrieg als geeignetsten Zeitpunkt zur Austragung von Verfassungskämpfen ansprechen. Tun sie das aber, so liegt es nur nahe, daß fie ihre Gründe auch in erster Linie aus den Kriegsereignissen und deren Begleiterscheinungen ziehen. Sie können es auch in Schweden um so unbekümmerter, als die Regierung, dem Grundton der Volksstimmung klug Rechnung tragend, das Land durch drei Jahre schweren Druckes von allen Seiten in der Neutralität erhalten konnte und gegenwärtig den festen Willen zur Schau trägt, sich auch in Zukunft von niemandem aus ihrer Haltung herausbringen zu lassen. Bei so sicherer Steuerung läßt sich auch bei anhaltend schlechtem Wetter ein Tänzchen an Bord des Staatsschiffes wagen I Die Stimmung war nicht immer so selbstsicher wie gegenwärtig. Es gibt auch heute unverbesserliche Pessimisten, die dem Wetter nicht trauen. Aber diese bilden doch nur eine verschwindende Minderheit, während zu Beginn des Krieges das „ganze Land" hinter jenen zu stehen schien, die einer Teilnahme Schwedens am Kriege und zwar an der Seite Deutschlands das Wort redeten. Es ist ganz lehrreich, sich von Kundigen aus allen Lagern durch die Stimmungen und ihr Auf und Ab seit Kriegsausbruch führen zu lassen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/366>, abgerufen am 27.06.2024.