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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Der Plan der Nationalisierung der englischen
Eisenbahnen
Albert Beneke von

ur Zeit als Asquith -- es ist erst einige Wochen her -- der
Leistung der englischen Eisenbahnen im Kriege das höchste Lob
zollte, brauchte ein Eisenbahnwagen von Liverpool nach London
fünf Wochen, zahllose Eisenbahnwaggons brachen auf der Fahrt
zusammen, da man zeitgerechte Reparaturen versäumt hatte, und
in den Londoner Stadt- und Vorortstationen waren die Gleise mit Kohlen¬
wagen, die nicht entladen werden konnten, derart blockiert, daß der Zugverkehr
gehemmt wurde und die Bevölkerung trotz der Fülle, die da rings herum
lagerte, empfindlichen Mangel an Kohlen litt. Die Schiffe verließen die Häfen
zum großen Teil in halbbeladenem Zustande, weil aus dem Lande infolge der
Transportschwierigkeiten nichts herauskam und die großen Eisenbahngesellschaften,
die allerdings seit Beginn des Krieges unter nomineller Kontrolle der Regierung
standen, sahen diesem Stande der Dinge ruhig zu oder standen ihm doch
machtlos gegenüber. Sie erlitten durch diese Transportkrisen keinen Schaden,
denn die Regierung hatte ihnen bei Übernahme der Kontrolle ihre Dividenden
garantiert. Die Dinge nahmen unter diesen Umständen, man könnte sagen,
einen bedrohlichen Charakter an, denn wenn auch im englischen Parlament, in
welchem vierundachtzig Eisenbahndirektoren im ,>ttou8s ok Lommon8" sitzen,
wenig oder nichts von diesen Mißständen zu hören war, so ließen sie sich vor
dem Publikum doch nicht völlig geheim halten und man forderte Maßnahmen
zur besseren Ausnützung der Eisenbahnen und zum Bruch mit dem unverant¬
wortlichen System der Rückständigkeit und des Schlendrians, der seit ge¬
raumer Zeit in alle Verwaltungen der Eisenbahnen des Jnselreiches eingezogen
ist. Daraus aber ergab sich dann der immer lauter und lauter ertönende
Ruf nach Nationalisierung der englischen Bahnen, der trotz des Widerstrebens
der Negierung nicht mehr zum Verstummen zu bringen ist und dem Llovd
George in irgendeiner Weise wird Rechnung tragen müssen. Die Stellung, in
welcher sich die Regierung infolge dieser Lage der Dinge befindet, ist keine
leichte, denn, wie erwähnt, sind die im ttou8e <zf Lommori8 vertretenen
Eisenbahninteressen gewaltige, und die Regierung braucht'deren Rückhalt; anderer¬
seits zeigt aber die durch den Krieg aufgedeckte Rückständigkeit des englischen




Der Plan der Nationalisierung der englischen
Eisenbahnen
Albert Beneke von

ur Zeit als Asquith — es ist erst einige Wochen her — der
Leistung der englischen Eisenbahnen im Kriege das höchste Lob
zollte, brauchte ein Eisenbahnwagen von Liverpool nach London
fünf Wochen, zahllose Eisenbahnwaggons brachen auf der Fahrt
zusammen, da man zeitgerechte Reparaturen versäumt hatte, und
in den Londoner Stadt- und Vorortstationen waren die Gleise mit Kohlen¬
wagen, die nicht entladen werden konnten, derart blockiert, daß der Zugverkehr
gehemmt wurde und die Bevölkerung trotz der Fülle, die da rings herum
lagerte, empfindlichen Mangel an Kohlen litt. Die Schiffe verließen die Häfen
zum großen Teil in halbbeladenem Zustande, weil aus dem Lande infolge der
Transportschwierigkeiten nichts herauskam und die großen Eisenbahngesellschaften,
die allerdings seit Beginn des Krieges unter nomineller Kontrolle der Regierung
standen, sahen diesem Stande der Dinge ruhig zu oder standen ihm doch
machtlos gegenüber. Sie erlitten durch diese Transportkrisen keinen Schaden,
denn die Regierung hatte ihnen bei Übernahme der Kontrolle ihre Dividenden
garantiert. Die Dinge nahmen unter diesen Umständen, man könnte sagen,
einen bedrohlichen Charakter an, denn wenn auch im englischen Parlament, in
welchem vierundachtzig Eisenbahndirektoren im ,>ttou8s ok Lommon8" sitzen,
wenig oder nichts von diesen Mißständen zu hören war, so ließen sie sich vor
dem Publikum doch nicht völlig geheim halten und man forderte Maßnahmen
zur besseren Ausnützung der Eisenbahnen und zum Bruch mit dem unverant¬
wortlichen System der Rückständigkeit und des Schlendrians, der seit ge¬
raumer Zeit in alle Verwaltungen der Eisenbahnen des Jnselreiches eingezogen
ist. Daraus aber ergab sich dann der immer lauter und lauter ertönende
Ruf nach Nationalisierung der englischen Bahnen, der trotz des Widerstrebens
der Negierung nicht mehr zum Verstummen zu bringen ist und dem Llovd
George in irgendeiner Weise wird Rechnung tragen müssen. Die Stellung, in
welcher sich die Regierung infolge dieser Lage der Dinge befindet, ist keine
leichte, denn, wie erwähnt, sind die im ttou8e <zf Lommori8 vertretenen
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/94>, abgerufen am 22.07.2024.