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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Holland ^ Belgien ^ Deutschland
I. versluys, von

Der nachstehende Aufsatz stellt ein Kapitel einer von holländischer
Seite herrührenden Schrift dar, die in der deutschen Übersetzung unter
dem Titel "Über Annexionspolitik. Die Kriegsziele von Deutschlands
Feinden" vom Rembrandt-Verlag, Oberweimar in Thüringen, direkt ver¬
sandt wird (Mk. 1.7ö). Der Verfasser stellt darin, vielfach ergänzt durch den
Übersetzer, die Kriegszieläußerungen unsererFeinde in nahezu vollständiger
Aufreihung zusammen und erörtert ihre Politische Bedeutung vom
Standpunkt des Deutschland wohlwollend gesinnten nationaldenkenden
Holländers.

! s hat in Holland seit dem Jahre 1865 immer Leute gegeben, die
! Deutschland der Annexionswut bezichtigen zu müssen glaubten.
! und die behaupteten, diese Annexionswut werde sich eines Tages
auch Holland gegenüber zeigen. Diese Furcht ist hauptsächlich
^dadurch entstanden, daß unsere Landsleute in der schleswig¬
holsteinischen Frage irregeführt worden sind. Zu einem kleineren Teile können
auch pangermanistische Äußerungen diesen Glauben erzeugt haben. Obwohl es
aber außer Deutschland keinen Staat gibt, der reiner germanisch wäre als
Holland, haben wir niemals etwas von einem deutschen Streben, uns dem
großen Germanien einzuverleiben, zu spüren bekommen.

Aber die Holländer sind zu einem Teil überempfindlich! Kaum daß ein
Deutscher es ausspricht, den holländischen Handelsinteressen würde durch eine
engere Verbindung mit Deutschland sehr gedient sein, so rufen sie aus: Hört
ihr's, die Deutschen wollen uns annektieren. Und wenn der betreffende
Deutsche unvorsichtig genug ist, hinzuzufügen, wir Holländer sähen das noch
nicht richtig ein, aber die Zeit werde kommen, wo wir es einsehen müßten, so
ruft man wieder: Hört ihr's, die Deutschen wollen uns Gewalt antun. . . .
Meistens hat man es in derlei Fällen mit holländischen Fanatikern zu tun, die
mit Äußerungen wie den angeführten Unfug zu treiben lieben; zuweilen aber
spricht sich da auf holländischer Seite auch ein instinktives Furchtgefühl von
Schwächlingen aus, das vor jeder Offenbarung der Kraft erzittert. Wie dem
aber sei: je weniger die Deutschen über (angebliche oder wirkliche) Vorteile
eines Anschlusses Hollands an Deutschland schreiben, desto besser. Wenn sie
es aber überhaupt tun, so sollten sie sich aller unbestimmten Äußerungen ent¬
halten, die so leicht falsch ausgedeutet werden können.




Holland ^ Belgien ^ Deutschland
I. versluys, von

Der nachstehende Aufsatz stellt ein Kapitel einer von holländischer
Seite herrührenden Schrift dar, die in der deutschen Übersetzung unter
dem Titel „Über Annexionspolitik. Die Kriegsziele von Deutschlands
Feinden" vom Rembrandt-Verlag, Oberweimar in Thüringen, direkt ver¬
sandt wird (Mk. 1.7ö). Der Verfasser stellt darin, vielfach ergänzt durch den
Übersetzer, die Kriegszieläußerungen unsererFeinde in nahezu vollständiger
Aufreihung zusammen und erörtert ihre Politische Bedeutung vom
Standpunkt des Deutschland wohlwollend gesinnten nationaldenkenden
Holländers.

! s hat in Holland seit dem Jahre 1865 immer Leute gegeben, die
! Deutschland der Annexionswut bezichtigen zu müssen glaubten.
! und die behaupteten, diese Annexionswut werde sich eines Tages
auch Holland gegenüber zeigen. Diese Furcht ist hauptsächlich
^dadurch entstanden, daß unsere Landsleute in der schleswig¬
holsteinischen Frage irregeführt worden sind. Zu einem kleineren Teile können
auch pangermanistische Äußerungen diesen Glauben erzeugt haben. Obwohl es
aber außer Deutschland keinen Staat gibt, der reiner germanisch wäre als
Holland, haben wir niemals etwas von einem deutschen Streben, uns dem
großen Germanien einzuverleiben, zu spüren bekommen.

Aber die Holländer sind zu einem Teil überempfindlich! Kaum daß ein
Deutscher es ausspricht, den holländischen Handelsinteressen würde durch eine
engere Verbindung mit Deutschland sehr gedient sein, so rufen sie aus: Hört
ihr's, die Deutschen wollen uns annektieren. Und wenn der betreffende
Deutsche unvorsichtig genug ist, hinzuzufügen, wir Holländer sähen das noch
nicht richtig ein, aber die Zeit werde kommen, wo wir es einsehen müßten, so
ruft man wieder: Hört ihr's, die Deutschen wollen uns Gewalt antun. . . .
Meistens hat man es in derlei Fällen mit holländischen Fanatikern zu tun, die
mit Äußerungen wie den angeführten Unfug zu treiben lieben; zuweilen aber
spricht sich da auf holländischer Seite auch ein instinktives Furchtgefühl von
Schwächlingen aus, das vor jeder Offenbarung der Kraft erzittert. Wie dem
aber sei: je weniger die Deutschen über (angebliche oder wirkliche) Vorteile
eines Anschlusses Hollands an Deutschland schreiben, desto besser. Wenn sie
es aber überhaupt tun, so sollten sie sich aller unbestimmten Äußerungen ent¬
halten, die so leicht falsch ausgedeutet werden können.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/70>, abgerufen am 22.07.2024.