Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.Anatolische Zukunftsbilder Professor Fritz Braun von l^D^) Vor dem Ausbruch des großen Weltkrieges hatte man sich daran gewöhnt, Gott sei dank haben sich die Dinge anders entwickelt! Als die Männer Solange wie Rußland, Frankreich und England hungrigen Schakalen gleich Anatolische Zukunftsbilder Professor Fritz Braun von l^D^) Vor dem Ausbruch des großen Weltkrieges hatte man sich daran gewöhnt, Gott sei dank haben sich die Dinge anders entwickelt! Als die Männer Solange wie Rußland, Frankreich und England hungrigen Schakalen gleich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0366" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/331774"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341905_331409/figures/grenzboten_341905_331409_331774_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Anatolische Zukunftsbilder<lb/><note type="byline"> Professor Fritz Braun</note> von</head><lb/> <p xml:id="ID_1199"> l^D^)<lb/> WUMU^<lb/> MW<lb/> MMVimmer wieder sprechen wir in diesen Tagen von den wirtschaft¬<lb/> lichen Zukunftsplänen der Mittelmächte und schauen dabei<lb/> ahnenden Geistes ein Zeitalter, in dem sich die Lande von dem<lb/> Mündungsgebiet des Rheines bis zum Persischen Golf zu einem<lb/> großen Wirtschaftsverbande vereinigt haben und deutsche Dampf¬<lb/> pflüge das Schwemmland Mesopotamiens aufbrechen, um sächsische und rheinische<lb/> Webereien mit der nötigen Baumwolle zu versorgen. Aber wir dürfen bei<lb/> dem Schmieden solcher Pläne nicht vergessen, daß wir mit Werten rechnen,<lb/> die augenblicklich noch nicht vorhanden sind, und sollten uns auch darüber klar<lb/> werden, welche Schwierigkeiten überwunden werden müssen, damit diese von<lb/> uns ersehnten Werte geschaffen werden können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1200"> Vor dem Ausbruch des großen Weltkrieges hatte man sich daran gewöhnt,<lb/> mit einer Aufteilung der Türkei zu rechnen. Mochte es auch die Politik der<lb/> Pforte Menschenalter hindurch zuwege gebracht haben, eine der lüsternen Gro߬<lb/> mächte gegen die andere auszuspielen, so schien doch der Tag näher und näher<lb/> zu rücken, wo diese Künste einmal versagten und die Beute endgültig verteilt<lb/> würde. Wäre das geschehen, so hätten die glücklichen Erben des Khalifen in<lb/> ihrem Anteil nach Herrenrecht geschaltet und gewaltet und auf die widerstrebenden<lb/> Kräfte eines wesensfremden Glaubens und Volkstums nur soweit Rücksicht ge¬<lb/> nommen als es ihr eigener Vorteil zu erheischen schien.</p><lb/> <p xml:id="ID_1201"> Gott sei dank haben sich die Dinge anders entwickelt! Als die Männer<lb/> am Goldner Horn noch in letzter Stunde die Pläne ihrer Freunde und Gönner,<lb/> die sie vor lauter Liebe beinahe gefressen hätten, richtig durchschauten, stellten<lb/> sie sich kurz entschlossen auf die Seite der Mittelmächte. Bald kämpften die<lb/> Osmanen Schulter an Schulter mit jenen Deutschen, die zwar von den Franzosen<lb/> und Engländern in Stambul stets als Finsterlinge und Reaktionäre verschrien<lb/> worden waren, aber dafür wenigstens nicht jene allzu liberale Neigung der Gallier<lb/> und Briten gezeigt hatten, den mit der Beredsamkeit eines Robespierre trunken<lb/> gemachten Freund unversehens zur Guillotine zu führen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1202" next="#ID_1203"> Solange wie Rußland, Frankreich und England hungrigen Schakalen gleich<lb/> des letzten Augenblicks der Türkei harrten, war deren Aufteilung die Losung.<lb/> Nunmehr, da die Osmanen die Partei der Mittelmächte ergriffen haben, muß</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0366]
[Abbildung]
Anatolische Zukunftsbilder
Professor Fritz Braun von
l^D^)
WUMU^
MW
MMVimmer wieder sprechen wir in diesen Tagen von den wirtschaft¬
lichen Zukunftsplänen der Mittelmächte und schauen dabei
ahnenden Geistes ein Zeitalter, in dem sich die Lande von dem
Mündungsgebiet des Rheines bis zum Persischen Golf zu einem
großen Wirtschaftsverbande vereinigt haben und deutsche Dampf¬
pflüge das Schwemmland Mesopotamiens aufbrechen, um sächsische und rheinische
Webereien mit der nötigen Baumwolle zu versorgen. Aber wir dürfen bei
dem Schmieden solcher Pläne nicht vergessen, daß wir mit Werten rechnen,
die augenblicklich noch nicht vorhanden sind, und sollten uns auch darüber klar
werden, welche Schwierigkeiten überwunden werden müssen, damit diese von
uns ersehnten Werte geschaffen werden können.
Vor dem Ausbruch des großen Weltkrieges hatte man sich daran gewöhnt,
mit einer Aufteilung der Türkei zu rechnen. Mochte es auch die Politik der
Pforte Menschenalter hindurch zuwege gebracht haben, eine der lüsternen Gro߬
mächte gegen die andere auszuspielen, so schien doch der Tag näher und näher
zu rücken, wo diese Künste einmal versagten und die Beute endgültig verteilt
würde. Wäre das geschehen, so hätten die glücklichen Erben des Khalifen in
ihrem Anteil nach Herrenrecht geschaltet und gewaltet und auf die widerstrebenden
Kräfte eines wesensfremden Glaubens und Volkstums nur soweit Rücksicht ge¬
nommen als es ihr eigener Vorteil zu erheischen schien.
Gott sei dank haben sich die Dinge anders entwickelt! Als die Männer
am Goldner Horn noch in letzter Stunde die Pläne ihrer Freunde und Gönner,
die sie vor lauter Liebe beinahe gefressen hätten, richtig durchschauten, stellten
sie sich kurz entschlossen auf die Seite der Mittelmächte. Bald kämpften die
Osmanen Schulter an Schulter mit jenen Deutschen, die zwar von den Franzosen
und Engländern in Stambul stets als Finsterlinge und Reaktionäre verschrien
worden waren, aber dafür wenigstens nicht jene allzu liberale Neigung der Gallier
und Briten gezeigt hatten, den mit der Beredsamkeit eines Robespierre trunken
gemachten Freund unversehens zur Guillotine zu führen.
Solange wie Rußland, Frankreich und England hungrigen Schakalen gleich
des letzten Augenblicks der Türkei harrten, war deren Aufteilung die Losung.
Nunmehr, da die Osmanen die Partei der Mittelmächte ergriffen haben, muß
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