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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Deutschland und England in Afrika

deutsche Expedition ins Innere diesen Anschluß an den Niger zu erreichen,
leider vergeblich. Allerdings trifft England keine Schuld; dieses hat vielmehr
ebenfalls seine Ansprüche auf Teile des Nigerbogens von Aschanti aus aufgeben
müssen, beide zugunsten Frankreichs, dessen Waffen gerade in der für eine Besitz¬
nahme der Eingeborenenländer am oberen Niger durch Europäer günstigen Zeit
mit Erfolg sich einen Weg von der Küste und von Senegambien aus gegen
das Nigerbecken bahnten. In Verträgen mit Deutschland und England vom
Jahre 1897 und 1898 wurden die Aschanti und Togo im Innern abschließen¬
den "Hinterwände" festgelegt, sodaß seitdem die territorialen Veränderungen
am Niger bis auf weiteres ihren Abschluß erreicht haben. Eine binnenländische
Vergrößerung Togos bis zum Niger wäre nur im Rahmen einer größeren all¬
gemeinen Machtverschiebung der Kolonialstaaten Afrikas denkbar.


Kamerun.

Wenn ich eben sagte, daß es unserer Diplomatie leider in
Westafrika nicht geglückt ist, für Kamerun und Togo Anschluß an die drei Becken
des Niger, Kongo und Tsadsee zu erlangen, so scheint die Karte Kameruns dieser
Tatsache zu widersprechen. In der Tat hat Kamerun von der ersten Grenz¬
regelung an durch den oberen Berne Anteil am Nigerbecken und durch den
Schari Anteil am Tsadseebecken erhalten, und die 1911 im Anschluß an die
Marokkokonferenz erfolgte Gebietsentschädigung in Französisch-Kongo (Neu¬
kamerun) hat schließlich auch eine Verbindung mit dem Kongobecken durch die
beiden Zipfel zum Sanga und Ubangi gebracht. Aber diese Anteile sind doch so¬
zusagen nur Fühler, die Kamerun tastend und sehnsüchtig verlangend nach diesen
reichen Gebieten ausstreckt. Sie spiegeln dem Laien vor, als sei damit tat¬
sächlich der lang gehegte Wunsch erfüllt; sie täuschen einen Wertbesitz vor, der in
Wirklichkeit nicht vorhanden ist. Wollen wir doch ganz offen bekennen: hätte
man vor Festlegung der Grenzen ausgiebigere Gutachten von Fachgelehrten
eingeholt, und hätte man dann die Verhandlungen kräftig und mit mehr Ent¬
schlossenheit geführt, so wäre ohne Zweifel ein glücklicheres Gebilde entstanden,
als Kamerun in seiner heutigen Gestalt darstellt. Es ist zu wünschen und zu
hoffen, daß in nicht zu ferner Zeit gerade dieser westafrikanischen Kolonie, deren
Lage nicht günstiger sein kann, ein glücklicheres Los beschieden ist; wir dürfen
sogar hoffen, daß das Wort des Franzosen Darcy*) sich bewahrheitet: Kamerun
werde vielleicht eines Tages "die Wiege eines großen Reiches" werden, worüber
späterhin noch einige Worte zu sagen wären.

Deutschland suchte in Kamerun zunächst Anschluß an das Nigerbecken
durch Erreichung des oberen Berne zu gewinnen. Kaum aber rückte
die deutsche Kolonisation in dieses Gebiet vor, so erhob England seinen
Einspruch. Zwar hatte es noch 1885 bei der Grenzfestsetzung am Rio
del Roy gute Miene zum bösen Spiel gemacht, indem es der Besetzung



*) Darcy, I.a concMte ä'^krique. Paris 1909. S. 232.
Grenzboten I 191720
Deutschland und England in Afrika

deutsche Expedition ins Innere diesen Anschluß an den Niger zu erreichen,
leider vergeblich. Allerdings trifft England keine Schuld; dieses hat vielmehr
ebenfalls seine Ansprüche auf Teile des Nigerbogens von Aschanti aus aufgeben
müssen, beide zugunsten Frankreichs, dessen Waffen gerade in der für eine Besitz¬
nahme der Eingeborenenländer am oberen Niger durch Europäer günstigen Zeit
mit Erfolg sich einen Weg von der Küste und von Senegambien aus gegen
das Nigerbecken bahnten. In Verträgen mit Deutschland und England vom
Jahre 1897 und 1898 wurden die Aschanti und Togo im Innern abschließen¬
den „Hinterwände" festgelegt, sodaß seitdem die territorialen Veränderungen
am Niger bis auf weiteres ihren Abschluß erreicht haben. Eine binnenländische
Vergrößerung Togos bis zum Niger wäre nur im Rahmen einer größeren all¬
gemeinen Machtverschiebung der Kolonialstaaten Afrikas denkbar.


Kamerun.

Wenn ich eben sagte, daß es unserer Diplomatie leider in
Westafrika nicht geglückt ist, für Kamerun und Togo Anschluß an die drei Becken
des Niger, Kongo und Tsadsee zu erlangen, so scheint die Karte Kameruns dieser
Tatsache zu widersprechen. In der Tat hat Kamerun von der ersten Grenz¬
regelung an durch den oberen Berne Anteil am Nigerbecken und durch den
Schari Anteil am Tsadseebecken erhalten, und die 1911 im Anschluß an die
Marokkokonferenz erfolgte Gebietsentschädigung in Französisch-Kongo (Neu¬
kamerun) hat schließlich auch eine Verbindung mit dem Kongobecken durch die
beiden Zipfel zum Sanga und Ubangi gebracht. Aber diese Anteile sind doch so¬
zusagen nur Fühler, die Kamerun tastend und sehnsüchtig verlangend nach diesen
reichen Gebieten ausstreckt. Sie spiegeln dem Laien vor, als sei damit tat¬
sächlich der lang gehegte Wunsch erfüllt; sie täuschen einen Wertbesitz vor, der in
Wirklichkeit nicht vorhanden ist. Wollen wir doch ganz offen bekennen: hätte
man vor Festlegung der Grenzen ausgiebigere Gutachten von Fachgelehrten
eingeholt, und hätte man dann die Verhandlungen kräftig und mit mehr Ent¬
schlossenheit geführt, so wäre ohne Zweifel ein glücklicheres Gebilde entstanden,
als Kamerun in seiner heutigen Gestalt darstellt. Es ist zu wünschen und zu
hoffen, daß in nicht zu ferner Zeit gerade dieser westafrikanischen Kolonie, deren
Lage nicht günstiger sein kann, ein glücklicheres Los beschieden ist; wir dürfen
sogar hoffen, daß das Wort des Franzosen Darcy*) sich bewahrheitet: Kamerun
werde vielleicht eines Tages „die Wiege eines großen Reiches" werden, worüber
späterhin noch einige Worte zu sagen wären.

Deutschland suchte in Kamerun zunächst Anschluß an das Nigerbecken
durch Erreichung des oberen Berne zu gewinnen. Kaum aber rückte
die deutsche Kolonisation in dieses Gebiet vor, so erhob England seinen
Einspruch. Zwar hatte es noch 1885 bei der Grenzfestsetzung am Rio
del Roy gute Miene zum bösen Spiel gemacht, indem es der Besetzung



*) Darcy, I.a concMte ä'^krique. Paris 1909. S. 232.
Grenzboten I 191720
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[0317] Deutschland und England in Afrika deutsche Expedition ins Innere diesen Anschluß an den Niger zu erreichen, leider vergeblich. Allerdings trifft England keine Schuld; dieses hat vielmehr ebenfalls seine Ansprüche auf Teile des Nigerbogens von Aschanti aus aufgeben müssen, beide zugunsten Frankreichs, dessen Waffen gerade in der für eine Besitz¬ nahme der Eingeborenenländer am oberen Niger durch Europäer günstigen Zeit mit Erfolg sich einen Weg von der Küste und von Senegambien aus gegen das Nigerbecken bahnten. In Verträgen mit Deutschland und England vom Jahre 1897 und 1898 wurden die Aschanti und Togo im Innern abschließen¬ den „Hinterwände" festgelegt, sodaß seitdem die territorialen Veränderungen am Niger bis auf weiteres ihren Abschluß erreicht haben. Eine binnenländische Vergrößerung Togos bis zum Niger wäre nur im Rahmen einer größeren all¬ gemeinen Machtverschiebung der Kolonialstaaten Afrikas denkbar. Kamerun. Wenn ich eben sagte, daß es unserer Diplomatie leider in Westafrika nicht geglückt ist, für Kamerun und Togo Anschluß an die drei Becken des Niger, Kongo und Tsadsee zu erlangen, so scheint die Karte Kameruns dieser Tatsache zu widersprechen. In der Tat hat Kamerun von der ersten Grenz¬ regelung an durch den oberen Berne Anteil am Nigerbecken und durch den Schari Anteil am Tsadseebecken erhalten, und die 1911 im Anschluß an die Marokkokonferenz erfolgte Gebietsentschädigung in Französisch-Kongo (Neu¬ kamerun) hat schließlich auch eine Verbindung mit dem Kongobecken durch die beiden Zipfel zum Sanga und Ubangi gebracht. Aber diese Anteile sind doch so¬ zusagen nur Fühler, die Kamerun tastend und sehnsüchtig verlangend nach diesen reichen Gebieten ausstreckt. Sie spiegeln dem Laien vor, als sei damit tat¬ sächlich der lang gehegte Wunsch erfüllt; sie täuschen einen Wertbesitz vor, der in Wirklichkeit nicht vorhanden ist. Wollen wir doch ganz offen bekennen: hätte man vor Festlegung der Grenzen ausgiebigere Gutachten von Fachgelehrten eingeholt, und hätte man dann die Verhandlungen kräftig und mit mehr Ent¬ schlossenheit geführt, so wäre ohne Zweifel ein glücklicheres Gebilde entstanden, als Kamerun in seiner heutigen Gestalt darstellt. Es ist zu wünschen und zu hoffen, daß in nicht zu ferner Zeit gerade dieser westafrikanischen Kolonie, deren Lage nicht günstiger sein kann, ein glücklicheres Los beschieden ist; wir dürfen sogar hoffen, daß das Wort des Franzosen Darcy*) sich bewahrheitet: Kamerun werde vielleicht eines Tages „die Wiege eines großen Reiches" werden, worüber späterhin noch einige Worte zu sagen wären. Deutschland suchte in Kamerun zunächst Anschluß an das Nigerbecken durch Erreichung des oberen Berne zu gewinnen. Kaum aber rückte die deutsche Kolonisation in dieses Gebiet vor, so erhob England seinen Einspruch. Zwar hatte es noch 1885 bei der Grenzfestsetzung am Rio del Roy gute Miene zum bösen Spiel gemacht, indem es der Besetzung *) Darcy, I.a concMte ä'^krique. Paris 1909. S. 232. Grenzboten I 191720

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/317>, abgerufen am 22.07.2024.