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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Gin Wörtlein fürs Gold
Dr. Karl Jentsch von

er Abhandlung des Herrn Rechtsanwalts Dr. Dalberg: "Los
vom Golde!" im fünften Hefte der "Grenzboten" erlaube ich mir
fünf Glossen anzuhängen.

1. Die Funktion des Goldes als Wertmesser erwähnt der
Herr Verfasser, ohne darauf einzugehen. Ihre Unentbehrliche
hat Knies (den ich S. 147 meiner Volkswirtschaftslehre, dritte Auflage, anführe),
so klar gemacht, daß keinen, der ihn gelesen hat, noch ein Zweifel anwandeln kann.

2. Das Geld hat die Menschheit vom Naturaltausch erlöst, auf dem als
Grundlage weder höhere Zivilisation entstehen noch ein Großstaat gebaut
werden konnte. Man denke sich einen Schuster, der mit Stiefeln Brot, Fleisch
und Gemüse einkaufen geht, einen Bäcker mit einem Wagen voll Broden und
Kuchen vor dem Möbelmagazin, wo er für seine Tochter die Ausstattung an¬
schaffen will, einen Schneider, der am Bahnhofschalter die Fahrkarte mit einer
Hose lösen will. Nach Einführung des Geldes nimmt jedermann für seine
Ware ein Gut, das nicht Gebrauchsgut für ihn ist, wofür er aber jederzeit
jedes Gut, das er braucht, bekommt, weil jeder Verkäufer von Waren und
Diensten dieses Gut, das Tauschmittel, ebenso gern nimmt, wie er selbst. Es
gibt nur ein solches Gut, das Edelmetall, und zwar nach der Entwertung des
Silbers das Gold. Dieses allein eignet sich zum Tauschmittel, weil es einen
hohen Wert in sich selbst besitzt, den ihm nicht, wie seine Gegner behaupten,
der Staat verleiht (dieser verbürgt nur durch die Prägung Feingehalt und
Gewicht), sondern seine Hatur, die Gesamtheit seiner Eigenschaften: seine
Schönheit, Reinlichkeit, Nichtoxydierbarkeit, leichte Verarbeitbarkeit, Unzerstörbar¬
keit. Jeder nimmt es, wie gesagt, gern, weil ihm seine Vorzüge einen hohen
Gebrauchswert für bestimmte Zwecke verleihen, so daß man es jederzeit beim
Juwelier, beim Mechanikus und Optikus, beim Zahnarzt und bei Vertretern
noch mancher anderer Gewerbe anbringen kann. Das Wertverhältnis aller
anderen Gebrauchs güter zu ihm regelt sich von selbst im freien Verkehr, und
weil sein Wert so hoch ist, daß man den Preis eines Ochsen in Gold in der
Westentasche tragen kaun, ist es das denkbar bequemste Tauschmittel. Da es
eben nur deswegen sich zum Tauschmittel eignet, weil es einen hohen Wert
hat und jedermann in aller Welt es gern nimmt, ist es Geld; Geld und
Gold sind identisch, und mit der Abschaffung des Goldes würde das Wort
Geld seinen Sinn verlieren. Daß das Einkommen nicht in Geld besteht,




Gin Wörtlein fürs Gold
Dr. Karl Jentsch von

er Abhandlung des Herrn Rechtsanwalts Dr. Dalberg: „Los
vom Golde!" im fünften Hefte der „Grenzboten" erlaube ich mir
fünf Glossen anzuhängen.

1. Die Funktion des Goldes als Wertmesser erwähnt der
Herr Verfasser, ohne darauf einzugehen. Ihre Unentbehrliche
hat Knies (den ich S. 147 meiner Volkswirtschaftslehre, dritte Auflage, anführe),
so klar gemacht, daß keinen, der ihn gelesen hat, noch ein Zweifel anwandeln kann.

2. Das Geld hat die Menschheit vom Naturaltausch erlöst, auf dem als
Grundlage weder höhere Zivilisation entstehen noch ein Großstaat gebaut
werden konnte. Man denke sich einen Schuster, der mit Stiefeln Brot, Fleisch
und Gemüse einkaufen geht, einen Bäcker mit einem Wagen voll Broden und
Kuchen vor dem Möbelmagazin, wo er für seine Tochter die Ausstattung an¬
schaffen will, einen Schneider, der am Bahnhofschalter die Fahrkarte mit einer
Hose lösen will. Nach Einführung des Geldes nimmt jedermann für seine
Ware ein Gut, das nicht Gebrauchsgut für ihn ist, wofür er aber jederzeit
jedes Gut, das er braucht, bekommt, weil jeder Verkäufer von Waren und
Diensten dieses Gut, das Tauschmittel, ebenso gern nimmt, wie er selbst. Es
gibt nur ein solches Gut, das Edelmetall, und zwar nach der Entwertung des
Silbers das Gold. Dieses allein eignet sich zum Tauschmittel, weil es einen
hohen Wert in sich selbst besitzt, den ihm nicht, wie seine Gegner behaupten,
der Staat verleiht (dieser verbürgt nur durch die Prägung Feingehalt und
Gewicht), sondern seine Hatur, die Gesamtheit seiner Eigenschaften: seine
Schönheit, Reinlichkeit, Nichtoxydierbarkeit, leichte Verarbeitbarkeit, Unzerstörbar¬
keit. Jeder nimmt es, wie gesagt, gern, weil ihm seine Vorzüge einen hohen
Gebrauchswert für bestimmte Zwecke verleihen, so daß man es jederzeit beim
Juwelier, beim Mechanikus und Optikus, beim Zahnarzt und bei Vertretern
noch mancher anderer Gewerbe anbringen kann. Das Wertverhältnis aller
anderen Gebrauchs güter zu ihm regelt sich von selbst im freien Verkehr, und
weil sein Wert so hoch ist, daß man den Preis eines Ochsen in Gold in der
Westentasche tragen kaun, ist es das denkbar bequemste Tauschmittel. Da es
eben nur deswegen sich zum Tauschmittel eignet, weil es einen hohen Wert
hat und jedermann in aller Welt es gern nimmt, ist es Geld; Geld und
Gold sind identisch, und mit der Abschaffung des Goldes würde das Wort
Geld seinen Sinn verlieren. Daß das Einkommen nicht in Geld besteht,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/232>, abgerufen am 22.07.2024.