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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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wilsons Fiasko
Dr. Friedrich Thinae von

ilsons Eingreifen in die europäischen Kriegshändel, das in so
schneidendem Widerspruch zu Geist und Buchstaben der viel
zitierten Monroe-Doktrin steht, hat ihm bereits zwei ernste diplo¬
matische Niederlagen eingetragen.

Die erste Niederlage holte sich der amerikanische Präsident
mit seiner^Hriedensnote vom 21. Dezember, in der er sämtliche Kriegführende
aufforderte, anzugeben, welche Bedingungen nach ihrer Auffassung zu erfüllen
wären, damit der Krieg beendet werden könne, und welche Maßnahmen sie
empfohlen, um einer Wiederholung des Krieges vorzubeugen. Die deutsche
Antwortnote vom 26. Dezember, die einen unmittelbaren Gedankenaustausch
zwischen den kriegführenden Staaten als den geeignetsten Weg erklärte, um zu
dem gewünschten Ergebnis zu gelangen, bedeutete der Form nach eine höfliche
Ablehnung. Umgekehrt ging die Antwortnote derEntente scheinbar auf die Wünsche
Wilsons ein. indem sie in allgemeinen Umrissen die Vereinbarungen. Bürg¬
schaften und Wiederherstellungen angab, die sie als unumgängliche Bedingungen
einer befriedigenden Lösung erklärte; tatsächlich aber verrammelte die Entente
durch die Ungeheuerlichkeit ihrer Ansprüche und Forderungen die Friedens¬
pforte, die Wilson zu öffnen strebte, aufs allerfesteste. Wenn Wilson in seiner
Botschaft an den Senat vom 27. Januar die kühne Behauptung vorbrachte,
gerade, auch durch die Antwort der Entente sei man der endgültigen Erörterung
des Friedens um so viel näher gekommen, so können wir darin kaum etwas
anderes als einen durchsichtigen Versuch sehen, das amerikanische Volk über die
Schwere der ersten diplomatischen Niederlage hinweg zu täuschen. Die Welt
jedenfalls hat sich durch die zur Schau getragene Zuversicht Wilsons nicht in
der Erkenntnis beirren lassen, daß die Antwort der Entente, die ganz offenbar
Deutschland und seine Verbündeten mit der Vernichtung bedrohte, nur das
Signal zu einer Verschärfung der Kriegführung auf beiden Seiten geben könne.
Die Welt ist denn auch kaum von der Ankündigung des verschärfter. U-Boot-


Grenzboten l 1917 13


wilsons Fiasko
Dr. Friedrich Thinae von

ilsons Eingreifen in die europäischen Kriegshändel, das in so
schneidendem Widerspruch zu Geist und Buchstaben der viel
zitierten Monroe-Doktrin steht, hat ihm bereits zwei ernste diplo¬
matische Niederlagen eingetragen.

Die erste Niederlage holte sich der amerikanische Präsident
mit seiner^Hriedensnote vom 21. Dezember, in der er sämtliche Kriegführende
aufforderte, anzugeben, welche Bedingungen nach ihrer Auffassung zu erfüllen
wären, damit der Krieg beendet werden könne, und welche Maßnahmen sie
empfohlen, um einer Wiederholung des Krieges vorzubeugen. Die deutsche
Antwortnote vom 26. Dezember, die einen unmittelbaren Gedankenaustausch
zwischen den kriegführenden Staaten als den geeignetsten Weg erklärte, um zu
dem gewünschten Ergebnis zu gelangen, bedeutete der Form nach eine höfliche
Ablehnung. Umgekehrt ging die Antwortnote derEntente scheinbar auf die Wünsche
Wilsons ein. indem sie in allgemeinen Umrissen die Vereinbarungen. Bürg¬
schaften und Wiederherstellungen angab, die sie als unumgängliche Bedingungen
einer befriedigenden Lösung erklärte; tatsächlich aber verrammelte die Entente
durch die Ungeheuerlichkeit ihrer Ansprüche und Forderungen die Friedens¬
pforte, die Wilson zu öffnen strebte, aufs allerfesteste. Wenn Wilson in seiner
Botschaft an den Senat vom 27. Januar die kühne Behauptung vorbrachte,
gerade, auch durch die Antwort der Entente sei man der endgültigen Erörterung
des Friedens um so viel näher gekommen, so können wir darin kaum etwas
anderes als einen durchsichtigen Versuch sehen, das amerikanische Volk über die
Schwere der ersten diplomatischen Niederlage hinweg zu täuschen. Die Welt
jedenfalls hat sich durch die zur Schau getragene Zuversicht Wilsons nicht in
der Erkenntnis beirren lassen, daß die Antwort der Entente, die ganz offenbar
Deutschland und seine Verbündeten mit der Vernichtung bedrohte, nur das
Signal zu einer Verschärfung der Kriegführung auf beiden Seiten geben könne.
Die Welt ist denn auch kaum von der Ankündigung des verschärfter. U-Boot-


Grenzboten l 1917 13
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[0205] [Abbildung] wilsons Fiasko Dr. Friedrich Thinae von ilsons Eingreifen in die europäischen Kriegshändel, das in so schneidendem Widerspruch zu Geist und Buchstaben der viel zitierten Monroe-Doktrin steht, hat ihm bereits zwei ernste diplo¬ matische Niederlagen eingetragen. Die erste Niederlage holte sich der amerikanische Präsident mit seiner^Hriedensnote vom 21. Dezember, in der er sämtliche Kriegführende aufforderte, anzugeben, welche Bedingungen nach ihrer Auffassung zu erfüllen wären, damit der Krieg beendet werden könne, und welche Maßnahmen sie empfohlen, um einer Wiederholung des Krieges vorzubeugen. Die deutsche Antwortnote vom 26. Dezember, die einen unmittelbaren Gedankenaustausch zwischen den kriegführenden Staaten als den geeignetsten Weg erklärte, um zu dem gewünschten Ergebnis zu gelangen, bedeutete der Form nach eine höfliche Ablehnung. Umgekehrt ging die Antwortnote derEntente scheinbar auf die Wünsche Wilsons ein. indem sie in allgemeinen Umrissen die Vereinbarungen. Bürg¬ schaften und Wiederherstellungen angab, die sie als unumgängliche Bedingungen einer befriedigenden Lösung erklärte; tatsächlich aber verrammelte die Entente durch die Ungeheuerlichkeit ihrer Ansprüche und Forderungen die Friedens¬ pforte, die Wilson zu öffnen strebte, aufs allerfesteste. Wenn Wilson in seiner Botschaft an den Senat vom 27. Januar die kühne Behauptung vorbrachte, gerade, auch durch die Antwort der Entente sei man der endgültigen Erörterung des Friedens um so viel näher gekommen, so können wir darin kaum etwas anderes als einen durchsichtigen Versuch sehen, das amerikanische Volk über die Schwere der ersten diplomatischen Niederlage hinweg zu täuschen. Die Welt jedenfalls hat sich durch die zur Schau getragene Zuversicht Wilsons nicht in der Erkenntnis beirren lassen, daß die Antwort der Entente, die ganz offenbar Deutschland und seine Verbündeten mit der Vernichtung bedrohte, nur das Signal zu einer Verschärfung der Kriegführung auf beiden Seiten geben könne. Die Welt ist denn auch kaum von der Ankündigung des verschärfter. U-Boot- Grenzboten l 1917 13

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/205>, abgerufen am 22.07.2024.