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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Briefwechsel von Gustav Freytag mit Graf und Gräfin Baudissin

wird u. Abends würzen Sie es noch mit Streuzucker. Wenn Sie ein Uebriges
für uns thun wollen so lassen Sie uns wissen daß Sie wohler sind, u. wenn
Sie wohl, ganz wohl sind, so kommen Sie u. bleiben mit Zinsen.


Ihre herzlich ergebenen
Wolf u. Sophie B.
Freytag an Gräfin Baudissin.

Meine verehrte holde Freundin!

Der Pinsel, die Malve, der Schawl, die warme Stube haben ihre Pflicht
redlich gethan, und wenn Sie mich überhaupt noch haben wollen, so würde ich
Sie u. Herrn Grafen um die Erlaubniß bitten, Freitag gegen Mittag, der Zug
geht hier um 9 Uhr ab, eintreffen zu dürfen. Doch bitte ich hoch u. höchst
mir Wilhelmen nicht auf den Bahnhof zu senden, ich finde mich als wohl-
emballirtes Collo pünktlich ein, und werde mir nur seine Hilfe beim Abschälen
großer Reisestiefeln ersehnen.

Ich freue mich von ganzem Herzen darauf Sie alle wieder zu sehen.
Wollen Sie mich die bekannten drei Tage dulden, welche nach altdeutschem
Recht dem Gast bewilligt wurden, so würde ich mich bestreben, für diese Zeit
schlechte Eigenschaften, als Straßenrand und Meuchelmord zurückzuhalten. Am
22ten haben wir hier eine Lessingfeier, der ich mich dießmal nicht entziehen
kann, weil ein guter Freund auf Veranlassung meines Kreises unter hiesigen
Blumianern vereinsamt die Festrede hält.

Meine Frau empfiehlt sich herzlich Ihrem beiderseitigen Wohlwollen, ich
sende Ihnen und Herrn Grafen noch einmal vor ersehnten Wiedersehn meine
Grüße und Huldigungen als


Ihrtreuer Freytag.

Leipzig 21. Jan. ^18^63.


Sophie Baudissin an Freytag.

Lieber verehrter Freund,

Haben Sie Dank sür den lieben schönen Brief u. für die gute Nachricht
daß Sie kommen. Das Zimmer ist bereits im Stande, nur die Ankunftsstunde
melden Sie in einer Zeile damit Wilhelm an der Bahn sei. Wir fänden uns
wohl selbst ein wenn wir nicht wüßten daß der Reisende gern in der Stille
sich von der Locomotive erholt. -- Jawohl empfinde ich mich auch mehr u. mehr
als Reisender auf dieser Welt! aber leider fehlt mir Ihre großartige An¬
schauung des Lebens doch; ich kann mich nur als Mitreisender ein- u. aus¬
bürgern nur in der Freude an den Einzelnen auch die Millionen zu lieben
wähnen u. wenn ich auch weiß daß nichts mein ist, so wäre ich so zu sagen
garnicht, wenn ich nicht wüßte, daß ich angehöre. Das ist ein trauriges Be-


Briefwechsel von Gustav Freytag mit Graf und Gräfin Baudissin

wird u. Abends würzen Sie es noch mit Streuzucker. Wenn Sie ein Uebriges
für uns thun wollen so lassen Sie uns wissen daß Sie wohler sind, u. wenn
Sie wohl, ganz wohl sind, so kommen Sie u. bleiben mit Zinsen.


Ihre herzlich ergebenen
Wolf u. Sophie B.
Freytag an Gräfin Baudissin.

Meine verehrte holde Freundin!

Der Pinsel, die Malve, der Schawl, die warme Stube haben ihre Pflicht
redlich gethan, und wenn Sie mich überhaupt noch haben wollen, so würde ich
Sie u. Herrn Grafen um die Erlaubniß bitten, Freitag gegen Mittag, der Zug
geht hier um 9 Uhr ab, eintreffen zu dürfen. Doch bitte ich hoch u. höchst
mir Wilhelmen nicht auf den Bahnhof zu senden, ich finde mich als wohl-
emballirtes Collo pünktlich ein, und werde mir nur seine Hilfe beim Abschälen
großer Reisestiefeln ersehnen.

Ich freue mich von ganzem Herzen darauf Sie alle wieder zu sehen.
Wollen Sie mich die bekannten drei Tage dulden, welche nach altdeutschem
Recht dem Gast bewilligt wurden, so würde ich mich bestreben, für diese Zeit
schlechte Eigenschaften, als Straßenrand und Meuchelmord zurückzuhalten. Am
22ten haben wir hier eine Lessingfeier, der ich mich dießmal nicht entziehen
kann, weil ein guter Freund auf Veranlassung meines Kreises unter hiesigen
Blumianern vereinsamt die Festrede hält.

Meine Frau empfiehlt sich herzlich Ihrem beiderseitigen Wohlwollen, ich
sende Ihnen und Herrn Grafen noch einmal vor ersehnten Wiedersehn meine
Grüße und Huldigungen als


Ihrtreuer Freytag.

Leipzig 21. Jan. ^18^63.


Sophie Baudissin an Freytag.

Lieber verehrter Freund,

Haben Sie Dank sür den lieben schönen Brief u. für die gute Nachricht
daß Sie kommen. Das Zimmer ist bereits im Stande, nur die Ankunftsstunde
melden Sie in einer Zeile damit Wilhelm an der Bahn sei. Wir fänden uns
wohl selbst ein wenn wir nicht wüßten daß der Reisende gern in der Stille
sich von der Locomotive erholt. — Jawohl empfinde ich mich auch mehr u. mehr
als Reisender auf dieser Welt! aber leider fehlt mir Ihre großartige An¬
schauung des Lebens doch; ich kann mich nur als Mitreisender ein- u. aus¬
bürgern nur in der Freude an den Einzelnen auch die Millionen zu lieben
wähnen u. wenn ich auch weiß daß nichts mein ist, so wäre ich so zu sagen
garnicht, wenn ich nicht wüßte, daß ich angehöre. Das ist ein trauriges Be-


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[0058] Briefwechsel von Gustav Freytag mit Graf und Gräfin Baudissin wird u. Abends würzen Sie es noch mit Streuzucker. Wenn Sie ein Uebriges für uns thun wollen so lassen Sie uns wissen daß Sie wohler sind, u. wenn Sie wohl, ganz wohl sind, so kommen Sie u. bleiben mit Zinsen. Ihre herzlich ergebenen Wolf u. Sophie B. Freytag an Gräfin Baudissin. Meine verehrte holde Freundin! Der Pinsel, die Malve, der Schawl, die warme Stube haben ihre Pflicht redlich gethan, und wenn Sie mich überhaupt noch haben wollen, so würde ich Sie u. Herrn Grafen um die Erlaubniß bitten, Freitag gegen Mittag, der Zug geht hier um 9 Uhr ab, eintreffen zu dürfen. Doch bitte ich hoch u. höchst mir Wilhelmen nicht auf den Bahnhof zu senden, ich finde mich als wohl- emballirtes Collo pünktlich ein, und werde mir nur seine Hilfe beim Abschälen großer Reisestiefeln ersehnen. Ich freue mich von ganzem Herzen darauf Sie alle wieder zu sehen. Wollen Sie mich die bekannten drei Tage dulden, welche nach altdeutschem Recht dem Gast bewilligt wurden, so würde ich mich bestreben, für diese Zeit schlechte Eigenschaften, als Straßenrand und Meuchelmord zurückzuhalten. Am 22ten haben wir hier eine Lessingfeier, der ich mich dießmal nicht entziehen kann, weil ein guter Freund auf Veranlassung meines Kreises unter hiesigen Blumianern vereinsamt die Festrede hält. Meine Frau empfiehlt sich herzlich Ihrem beiderseitigen Wohlwollen, ich sende Ihnen und Herrn Grafen noch einmal vor ersehnten Wiedersehn meine Grüße und Huldigungen als Ihrtreuer Freytag. Leipzig 21. Jan. ^18^63. Sophie Baudissin an Freytag. Lieber verehrter Freund, Haben Sie Dank sür den lieben schönen Brief u. für die gute Nachricht daß Sie kommen. Das Zimmer ist bereits im Stande, nur die Ankunftsstunde melden Sie in einer Zeile damit Wilhelm an der Bahn sei. Wir fänden uns wohl selbst ein wenn wir nicht wüßten daß der Reisende gern in der Stille sich von der Locomotive erholt. — Jawohl empfinde ich mich auch mehr u. mehr als Reisender auf dieser Welt! aber leider fehlt mir Ihre großartige An¬ schauung des Lebens doch; ich kann mich nur als Mitreisender ein- u. aus¬ bürgern nur in der Freude an den Einzelnen auch die Millionen zu lieben wähnen u. wenn ich auch weiß daß nichts mein ist, so wäre ich so zu sagen garnicht, wenn ich nicht wüßte, daß ich angehöre. Das ist ein trauriges Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/58>, abgerufen am 03.07.2024.