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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Aus dem Briefwechsel von Gustav Lreytag
mit Graf und Gräfin ZVolf Baudissin
Herausgegeben von Professor Gustav ZVilibald Freytag

(Alle Rechte vorbehalten)

Die langjährigen Beziehungen zwischen Gustav Freytag und dem
bekannten Shakespeare- und Moliere-Übersetzer Grafen Wolf Baudissin
und seiner Gattin, Gräfin Sophie Baudissin, geb. von Kasket, zelligem
einen ausgedehnten Briefwechsel, von dem anläßlich des bevorstehenden
hundertsten Geburtstages von Gustav Freytag ein größerer Teil zum
erstenmal der Presse übergeben wird. Der ganze Briefwechsel erstreckt
sich über den Zeitraum von 1856 bis 1894, also beinahe über vier
Jahrzehnte, und besteht aus mehr als sechshundert Briefen. Im Nach¬
folgenden wird hieraus der Teil von Anfang 1863 bis Sommer 1864
wiedergegeben, im ganzen sechzehn Briefe. Den politischen Hinter¬
grund dieser Zeit bildet in erster Linie die Schleswig-Holsteinische
Frage, der nicht nur Freytag, sondern auch Graf Baudissin, ein Hol¬
steiner von Geburt, lebhaftes Interesse darbrachte. BaudissinS waren
auch, wie mehrfach aus den Briefen hervorgeht, eifrige Leser der von
Freytag geleiteten "Grenzboten". --

Freytag an Gräfin Sophie Baudissin.

Leipzig, 3. Jan.


Meine verehrte holde Freundin!

as Dintengefäß steht vor mir und sein Auf und Zuklappen erfüllt
mit immer neuer Freude über die Fortschritte der Mechanik,
Pudels ist noch schwärzer geworden, als er war und seine Flock-
härigkeit wird durch spitze Stahlstiche stark aus die Probe gestellt,
und der Schawl umhüllt mit einer bewundernswerthen Elasticität
meinen wunden Hals, so oft ich mich in die Luft wage. Eine meiner gewöhn¬
lichen ruppiger Erkältungen hat mich die letzte Woche vexiere, und ich habe
deßhalb nur mit Sehnsucht nach Dresdens denken können, ohne den Tag
meines Überfalls zu bestimmen.

Immer wieder habe ich in den letzten Wochen mit vollem Herzen Ihrer
gedacht. Nicht nur mit warmem Dank für die Liebe und gütige Freundschaft,
welche Sie beide mir bewiesen. Auch in Trauer über das tiefe Leid, das Sie




2) Baudissins Wohnsitz.
Ein Tintenwischer.


Aus dem Briefwechsel von Gustav Lreytag
mit Graf und Gräfin ZVolf Baudissin
Herausgegeben von Professor Gustav ZVilibald Freytag

(Alle Rechte vorbehalten)

Die langjährigen Beziehungen zwischen Gustav Freytag und dem
bekannten Shakespeare- und Moliere-Übersetzer Grafen Wolf Baudissin
und seiner Gattin, Gräfin Sophie Baudissin, geb. von Kasket, zelligem
einen ausgedehnten Briefwechsel, von dem anläßlich des bevorstehenden
hundertsten Geburtstages von Gustav Freytag ein größerer Teil zum
erstenmal der Presse übergeben wird. Der ganze Briefwechsel erstreckt
sich über den Zeitraum von 1856 bis 1894, also beinahe über vier
Jahrzehnte, und besteht aus mehr als sechshundert Briefen. Im Nach¬
folgenden wird hieraus der Teil von Anfang 1863 bis Sommer 1864
wiedergegeben, im ganzen sechzehn Briefe. Den politischen Hinter¬
grund dieser Zeit bildet in erster Linie die Schleswig-Holsteinische
Frage, der nicht nur Freytag, sondern auch Graf Baudissin, ein Hol¬
steiner von Geburt, lebhaftes Interesse darbrachte. BaudissinS waren
auch, wie mehrfach aus den Briefen hervorgeht, eifrige Leser der von
Freytag geleiteten „Grenzboten". —

Freytag an Gräfin Sophie Baudissin.

Leipzig, 3. Jan.


Meine verehrte holde Freundin!

as Dintengefäß steht vor mir und sein Auf und Zuklappen erfüllt
mit immer neuer Freude über die Fortschritte der Mechanik,
Pudels ist noch schwärzer geworden, als er war und seine Flock-
härigkeit wird durch spitze Stahlstiche stark aus die Probe gestellt,
und der Schawl umhüllt mit einer bewundernswerthen Elasticität
meinen wunden Hals, so oft ich mich in die Luft wage. Eine meiner gewöhn¬
lichen ruppiger Erkältungen hat mich die letzte Woche vexiere, und ich habe
deßhalb nur mit Sehnsucht nach Dresdens denken können, ohne den Tag
meines Überfalls zu bestimmen.

Immer wieder habe ich in den letzten Wochen mit vollem Herzen Ihrer
gedacht. Nicht nur mit warmem Dank für die Liebe und gütige Freundschaft,
welche Sie beide mir bewiesen. Auch in Trauer über das tiefe Leid, das Sie




2) Baudissins Wohnsitz.
Ein Tintenwischer.
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[0054] [Abbildung] Aus dem Briefwechsel von Gustav Lreytag mit Graf und Gräfin ZVolf Baudissin Herausgegeben von Professor Gustav ZVilibald Freytag (Alle Rechte vorbehalten) Die langjährigen Beziehungen zwischen Gustav Freytag und dem bekannten Shakespeare- und Moliere-Übersetzer Grafen Wolf Baudissin und seiner Gattin, Gräfin Sophie Baudissin, geb. von Kasket, zelligem einen ausgedehnten Briefwechsel, von dem anläßlich des bevorstehenden hundertsten Geburtstages von Gustav Freytag ein größerer Teil zum erstenmal der Presse übergeben wird. Der ganze Briefwechsel erstreckt sich über den Zeitraum von 1856 bis 1894, also beinahe über vier Jahrzehnte, und besteht aus mehr als sechshundert Briefen. Im Nach¬ folgenden wird hieraus der Teil von Anfang 1863 bis Sommer 1864 wiedergegeben, im ganzen sechzehn Briefe. Den politischen Hinter¬ grund dieser Zeit bildet in erster Linie die Schleswig-Holsteinische Frage, der nicht nur Freytag, sondern auch Graf Baudissin, ein Hol¬ steiner von Geburt, lebhaftes Interesse darbrachte. BaudissinS waren auch, wie mehrfach aus den Briefen hervorgeht, eifrige Leser der von Freytag geleiteten „Grenzboten". — Freytag an Gräfin Sophie Baudissin. Leipzig, 3. Jan. Meine verehrte holde Freundin! as Dintengefäß steht vor mir und sein Auf und Zuklappen erfüllt mit immer neuer Freude über die Fortschritte der Mechanik, Pudels ist noch schwärzer geworden, als er war und seine Flock- härigkeit wird durch spitze Stahlstiche stark aus die Probe gestellt, und der Schawl umhüllt mit einer bewundernswerthen Elasticität meinen wunden Hals, so oft ich mich in die Luft wage. Eine meiner gewöhn¬ lichen ruppiger Erkältungen hat mich die letzte Woche vexiere, und ich habe deßhalb nur mit Sehnsucht nach Dresdens denken können, ohne den Tag meines Überfalls zu bestimmen. Immer wieder habe ich in den letzten Wochen mit vollem Herzen Ihrer gedacht. Nicht nur mit warmem Dank für die Liebe und gütige Freundschaft, welche Sie beide mir bewiesen. Auch in Trauer über das tiefe Leid, das Sie 2) Baudissins Wohnsitz. Ein Tintenwischer.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/54>, abgerufen am 22.07.2024.