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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Die Wehrerziehung in Frankreich
Professor Broßmer von

in in Frankreich vor dem heutigen Kriege überall bekanntes Bild
stellt eine entschlossen blickende Frauengestalt dar, die einem
sterbenden Soldaten sorgend die Waffe aus der Hand nimmt.
Die Worte: ()nana meine. Wenn auch, stehen bisweilen unter
dieser beliebten Darstellung. Wenn auch der einzelne dahinstarb,
der Sieg noch nicht errungen wurde -- ()nana-meine -- die große Idee
einer restlosen Vergeltung erlittener nationaler Schmach wird auf leisen Flügeln
durch viele Generationen hindurch einer hoffnungsvollerer Zeit entgegengetragen.
An allen Stellen, wo völkische Kraft erweckt und der Gedanke an das ruhm¬
reiche Frankreich wachgehalten werden soll, erscheint im Geiste oder durch
Flammenschrift an der Wand der Öffentlichkeit gezeichnet das stolze Wort:
()u3ne!-meme. Nicht zuletzt muß die spezifisch-militärische Jugendvorbereitung
in Frankreich als ein günstiger Faktor zur Erlangung nationaler Wehrkraft im
Sinne dieses Trostspruches gedeutet werden. Schon kurz nach 1370 setzten
Bewegungen dieser Art ein, und diese Strömungen flössen aus den volkstüm¬
lichen Turm- und Schützenvereinen in die breiten Massen des Volkes hinein.
Die militärischen Dienststellen blieben zunächst stumm und gaben vor dem
Jahre 1900 keinerlei Weisungen über Inhalt und Form einer Wehrerziehung.
Aber von diesem Zeitpunkt ab findet diese militär-püdagogische Frage innerhalb
der gesetzgebenden Körperschaften eine sehr deutliche Beachtung. Als oberstes
Gesetz spricht ein ehemaliger Kriegsminister die planvolle Fortführung der
moralischen und körperlichen Betätigungen der ersten Jugendjahre mit dem
Wunsche aus, daß die allgemeine Körperkraft der Rekruten durch die Vor¬
übungen so gefördert werden möchte, daß in Zukunft die Krankenhäuser nicht
so sehr überhäuft werden durch die große Zahl derer, die sich den Anstrengungen
der ersten Ausbildungsmonate nicht gewachsen zeigen. Die Betonung soldatischer
Tugenden im Werdegang des jugendlichen Gemüts soll jeder antimilitaristischen
Propaganda von innen heraus entgegenarbeiten. Man kann bei der Lektüre
des Originaltextes sich des Eindrucks nicht erwehren, daß von der französischen
Jugendbewegung auch eine wirksame Eindämmung antimilitaristischer Zeit¬
strömungen erhofft wird. Es gehen die in neuerer Zeit sehr beachtenswerten
Bestrebungen außerdem dahin, ein großes und in der Welt geachtetes, allen
Forderungen und Schicksalsfällen gewachsenes Frankreich dadurch zu erzeugen,




Die Wehrerziehung in Frankreich
Professor Broßmer von

in in Frankreich vor dem heutigen Kriege überall bekanntes Bild
stellt eine entschlossen blickende Frauengestalt dar, die einem
sterbenden Soldaten sorgend die Waffe aus der Hand nimmt.
Die Worte: ()nana meine. Wenn auch, stehen bisweilen unter
dieser beliebten Darstellung. Wenn auch der einzelne dahinstarb,
der Sieg noch nicht errungen wurde — ()nana-meine — die große Idee
einer restlosen Vergeltung erlittener nationaler Schmach wird auf leisen Flügeln
durch viele Generationen hindurch einer hoffnungsvollerer Zeit entgegengetragen.
An allen Stellen, wo völkische Kraft erweckt und der Gedanke an das ruhm¬
reiche Frankreich wachgehalten werden soll, erscheint im Geiste oder durch
Flammenschrift an der Wand der Öffentlichkeit gezeichnet das stolze Wort:
()u3ne!-meme. Nicht zuletzt muß die spezifisch-militärische Jugendvorbereitung
in Frankreich als ein günstiger Faktor zur Erlangung nationaler Wehrkraft im
Sinne dieses Trostspruches gedeutet werden. Schon kurz nach 1370 setzten
Bewegungen dieser Art ein, und diese Strömungen flössen aus den volkstüm¬
lichen Turm- und Schützenvereinen in die breiten Massen des Volkes hinein.
Die militärischen Dienststellen blieben zunächst stumm und gaben vor dem
Jahre 1900 keinerlei Weisungen über Inhalt und Form einer Wehrerziehung.
Aber von diesem Zeitpunkt ab findet diese militär-püdagogische Frage innerhalb
der gesetzgebenden Körperschaften eine sehr deutliche Beachtung. Als oberstes
Gesetz spricht ein ehemaliger Kriegsminister die planvolle Fortführung der
moralischen und körperlichen Betätigungen der ersten Jugendjahre mit dem
Wunsche aus, daß die allgemeine Körperkraft der Rekruten durch die Vor¬
übungen so gefördert werden möchte, daß in Zukunft die Krankenhäuser nicht
so sehr überhäuft werden durch die große Zahl derer, die sich den Anstrengungen
der ersten Ausbildungsmonate nicht gewachsen zeigen. Die Betonung soldatischer
Tugenden im Werdegang des jugendlichen Gemüts soll jeder antimilitaristischen
Propaganda von innen heraus entgegenarbeiten. Man kann bei der Lektüre
des Originaltextes sich des Eindrucks nicht erwehren, daß von der französischen
Jugendbewegung auch eine wirksame Eindämmung antimilitaristischer Zeit¬
strömungen erhofft wird. Es gehen die in neuerer Zeit sehr beachtenswerten
Bestrebungen außerdem dahin, ein großes und in der Welt geachtetes, allen
Forderungen und Schicksalsfällen gewachsenes Frankreich dadurch zu erzeugen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/350>, abgerufen am 03.07.2024.