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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Erhabenen. Die deutschen Juden nun fühlten
sich von den Berichten über diesen Eindruck
mitgetroffen, "und alles, worüber der deutsche
Soldat achselzuckend und mit einem gewissen
gutmütigen Verständnis hinweggeht, wird im
deutschen Juden zur fressenden Wunde, zur
bohrenden Angst, man könne ihn "nit seinem
östlichen Volksgenossen^ identifizieren." Her¬
mann Cohen erzählt von den Eindrücken,
die er in seinem Vaterhause vom östlichen
Judentum empfangen habe. Es seien unter
den Hilfesuchenden nicht selten rabbinische
Gelehrte gewesen, und die talmudischen Ge¬
spräche, die sein fronimer Vater mit ihnen
geführt habe, hätten oft den Sabbattisch
gewürzt; darum habe er keine Spur von
Verachtung gegen dieses Judentum empfunden,
sondern es sei in seiner Erinnerung mit der
Vorstellung geistiger Würde verknüpft. Er
erörtert den Zwiespalt zwischen dem von
Mendelssohn ins moderne Geistesleben ein¬
geführten deutschen Judentum und dem ortho¬
doxen des Ostens, behauptet, jenes sei dem
Wesentlichen des jüdischen Glaubens, dem
Monotheismus, treu geblieben, und berichtet
über seinen schon in der Ausführung begriffenen
Plan, durch VortragSreisen beizutragen "zur
Begründung einer freien, kraftvollen, im
Einklange mit der Kulturhöhe stehenden
Religiosität im Osten, und auf die Stiftung
von Pflanzstätten für die Wissenschaft des
Judentums als von Horten solcher Religiosität
hinzuwirken." Als besonders wichtig seien
von Beiträgen dieses Heftes noch erwähnt
"Fragen des ostjüdischen Wirtschaftslebens"
von Jakob Leszczynski und ein Aufsatz über
jüdische Erziehung von Siegfried Bernfeld.
Diese Proben dürften hinreichen, zu beweisen,
daß Bubers Zeitschrift von den Staatsbeamten
und den Politikern, die bet der Neuordnung
der Dinge im Osten mitzuwirken berufen
sind, nicht unbeachtet gelassen werden darf.

Dr. Lari Zentsch
Philosophie

Wilhelm Diltheys gesammelte Schriften,
Bd. II. Weltanschauung und Analyse des
Menschen seit Renaissance und Reformation.
S28 Seiten. G. B. Teubner, Leipzig und
Berlin 1914, geh. 12 Mark, geb. 14 Mark.

[Spaltenumbruch]

Die von allen Freunden Diltheys lang¬
ersehnte Sammlung seiner leider so vielfach
verstreuten Arbeiten, die Neuausgabe der
älteren Werke und die Publikation der in
dem handschriftlichen Nachlaß enthaltenen
Arbeiten und Ideen bot außerordentliche
Schwierigkeiten. Die Arbeitsweise Diltheys,
der immer aus der Fülle der Gesichte und
neuer Ideen heraus schaffend die Entwürfe
und begonnenen Untersuchungen umformte,
hat ihn an der Vollendung der meisten seiner
Schriften gehindert und hat diese, obwohl
sie stets in einem großen und einheitlichen
Zusammenhang gedacht waren, in ihren:
gegenseitigen Verhältnis und in der bestimm¬
ten Verknüpfung, durch die sie sich zu einem
Ganzen abrunden sollten, nicht immer deutlich
werden lassen. Hatte Dilthey in dem ersten
Bande seiner "Einleitung in die Geistes¬
wissenschaften" den systematischen Grundriß
seiner Auffassung von dem Wesen der geistigen
Welt und zugleich eine in sich geschlossene
Darstellung von der Entwicklung der geistigen
Kultur des Abendlandes bis zum Ausgang
des Mittelalters gegeben, so ist er in der
Fortführung seiner Studien sowohl in dem
Ausbau der systematischen Grundansichten
wie in der Ausgestaltung seiner Anschauung
von der Entwicklung von Kunst, Religion
und Philosophie in der neueren Zeit nicht
mehr zu einer endgültigen Fassung gekommen.
Aber die zahlreichen Abhandlungen, in denen
er die Ergebnisse seiner immer auf das Ganze
gerichteten Forschung niederlegte und die
eine Tiefe des Denkens und eine Feinheit
des geschichtlichen Sinnes bezeugen, durch
welche Dilthey allen zeitgenössischen Historikern
der Philosophie überlegen war, bieten, zu¬
sammen genommen, einen Ersatz für das,
was er uns selber schuldig geblieben ist.

In dem vorliegenden Bande von Diltheys
gesammelten Schriften, der als zweiter be¬
zeichnet ist, sind die Abhandlungen zusammen¬
gestellt, die sich auf die Fortsetzung seiner
Studien über die europäische Geistesgeschichte,
insbesondere über die Zeit vom fünfzehnten
bis zum siebzehnten Jahrhundert beziehen.
Ihren Inhalt bilden die Aufsätze- Auffassung
und Analyse des Menschen im fünfzehnten
und sechzehnten Jahrhundert, das natürliche

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Erhabenen. Die deutschen Juden nun fühlten
sich von den Berichten über diesen Eindruck
mitgetroffen, „und alles, worüber der deutsche
Soldat achselzuckend und mit einem gewissen
gutmütigen Verständnis hinweggeht, wird im
deutschen Juden zur fressenden Wunde, zur
bohrenden Angst, man könne ihn »nit seinem
östlichen Volksgenossen^ identifizieren." Her¬
mann Cohen erzählt von den Eindrücken,
die er in seinem Vaterhause vom östlichen
Judentum empfangen habe. Es seien unter
den Hilfesuchenden nicht selten rabbinische
Gelehrte gewesen, und die talmudischen Ge¬
spräche, die sein fronimer Vater mit ihnen
geführt habe, hätten oft den Sabbattisch
gewürzt; darum habe er keine Spur von
Verachtung gegen dieses Judentum empfunden,
sondern es sei in seiner Erinnerung mit der
Vorstellung geistiger Würde verknüpft. Er
erörtert den Zwiespalt zwischen dem von
Mendelssohn ins moderne Geistesleben ein¬
geführten deutschen Judentum und dem ortho¬
doxen des Ostens, behauptet, jenes sei dem
Wesentlichen des jüdischen Glaubens, dem
Monotheismus, treu geblieben, und berichtet
über seinen schon in der Ausführung begriffenen
Plan, durch VortragSreisen beizutragen „zur
Begründung einer freien, kraftvollen, im
Einklange mit der Kulturhöhe stehenden
Religiosität im Osten, und auf die Stiftung
von Pflanzstätten für die Wissenschaft des
Judentums als von Horten solcher Religiosität
hinzuwirken." Als besonders wichtig seien
von Beiträgen dieses Heftes noch erwähnt
„Fragen des ostjüdischen Wirtschaftslebens"
von Jakob Leszczynski und ein Aufsatz über
jüdische Erziehung von Siegfried Bernfeld.
Diese Proben dürften hinreichen, zu beweisen,
daß Bubers Zeitschrift von den Staatsbeamten
und den Politikern, die bet der Neuordnung
der Dinge im Osten mitzuwirken berufen
sind, nicht unbeachtet gelassen werden darf.

Dr. Lari Zentsch
Philosophie

Wilhelm Diltheys gesammelte Schriften,
Bd. II. Weltanschauung und Analyse des
Menschen seit Renaissance und Reformation.
S28 Seiten. G. B. Teubner, Leipzig und
Berlin 1914, geh. 12 Mark, geb. 14 Mark.

[Spaltenumbruch]

Die von allen Freunden Diltheys lang¬
ersehnte Sammlung seiner leider so vielfach
verstreuten Arbeiten, die Neuausgabe der
älteren Werke und die Publikation der in
dem handschriftlichen Nachlaß enthaltenen
Arbeiten und Ideen bot außerordentliche
Schwierigkeiten. Die Arbeitsweise Diltheys,
der immer aus der Fülle der Gesichte und
neuer Ideen heraus schaffend die Entwürfe
und begonnenen Untersuchungen umformte,
hat ihn an der Vollendung der meisten seiner
Schriften gehindert und hat diese, obwohl
sie stets in einem großen und einheitlichen
Zusammenhang gedacht waren, in ihren:
gegenseitigen Verhältnis und in der bestimm¬
ten Verknüpfung, durch die sie sich zu einem
Ganzen abrunden sollten, nicht immer deutlich
werden lassen. Hatte Dilthey in dem ersten
Bande seiner „Einleitung in die Geistes¬
wissenschaften" den systematischen Grundriß
seiner Auffassung von dem Wesen der geistigen
Welt und zugleich eine in sich geschlossene
Darstellung von der Entwicklung der geistigen
Kultur des Abendlandes bis zum Ausgang
des Mittelalters gegeben, so ist er in der
Fortführung seiner Studien sowohl in dem
Ausbau der systematischen Grundansichten
wie in der Ausgestaltung seiner Anschauung
von der Entwicklung von Kunst, Religion
und Philosophie in der neueren Zeit nicht
mehr zu einer endgültigen Fassung gekommen.
Aber die zahlreichen Abhandlungen, in denen
er die Ergebnisse seiner immer auf das Ganze
gerichteten Forschung niederlegte und die
eine Tiefe des Denkens und eine Feinheit
des geschichtlichen Sinnes bezeugen, durch
welche Dilthey allen zeitgenössischen Historikern
der Philosophie überlegen war, bieten, zu¬
sammen genommen, einen Ersatz für das,
was er uns selber schuldig geblieben ist.

In dem vorliegenden Bande von Diltheys
gesammelten Schriften, der als zweiter be¬
zeichnet ist, sind die Abhandlungen zusammen¬
gestellt, die sich auf die Fortsetzung seiner
Studien über die europäische Geistesgeschichte,
insbesondere über die Zeit vom fünfzehnten
bis zum siebzehnten Jahrhundert beziehen.
Ihren Inhalt bilden die Aufsätze- Auffassung
und Analyse des Menschen im fünfzehnten
und sechzehnten Jahrhundert, das natürliche

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[0331] Maßgebliches und Unmaßgebliches Erhabenen. Die deutschen Juden nun fühlten sich von den Berichten über diesen Eindruck mitgetroffen, „und alles, worüber der deutsche Soldat achselzuckend und mit einem gewissen gutmütigen Verständnis hinweggeht, wird im deutschen Juden zur fressenden Wunde, zur bohrenden Angst, man könne ihn »nit seinem östlichen Volksgenossen^ identifizieren." Her¬ mann Cohen erzählt von den Eindrücken, die er in seinem Vaterhause vom östlichen Judentum empfangen habe. Es seien unter den Hilfesuchenden nicht selten rabbinische Gelehrte gewesen, und die talmudischen Ge¬ spräche, die sein fronimer Vater mit ihnen geführt habe, hätten oft den Sabbattisch gewürzt; darum habe er keine Spur von Verachtung gegen dieses Judentum empfunden, sondern es sei in seiner Erinnerung mit der Vorstellung geistiger Würde verknüpft. Er erörtert den Zwiespalt zwischen dem von Mendelssohn ins moderne Geistesleben ein¬ geführten deutschen Judentum und dem ortho¬ doxen des Ostens, behauptet, jenes sei dem Wesentlichen des jüdischen Glaubens, dem Monotheismus, treu geblieben, und berichtet über seinen schon in der Ausführung begriffenen Plan, durch VortragSreisen beizutragen „zur Begründung einer freien, kraftvollen, im Einklange mit der Kulturhöhe stehenden Religiosität im Osten, und auf die Stiftung von Pflanzstätten für die Wissenschaft des Judentums als von Horten solcher Religiosität hinzuwirken." Als besonders wichtig seien von Beiträgen dieses Heftes noch erwähnt „Fragen des ostjüdischen Wirtschaftslebens" von Jakob Leszczynski und ein Aufsatz über jüdische Erziehung von Siegfried Bernfeld. Diese Proben dürften hinreichen, zu beweisen, daß Bubers Zeitschrift von den Staatsbeamten und den Politikern, die bet der Neuordnung der Dinge im Osten mitzuwirken berufen sind, nicht unbeachtet gelassen werden darf. Dr. Lari Zentsch Philosophie Wilhelm Diltheys gesammelte Schriften, Bd. II. Weltanschauung und Analyse des Menschen seit Renaissance und Reformation. S28 Seiten. G. B. Teubner, Leipzig und Berlin 1914, geh. 12 Mark, geb. 14 Mark. Die von allen Freunden Diltheys lang¬ ersehnte Sammlung seiner leider so vielfach verstreuten Arbeiten, die Neuausgabe der älteren Werke und die Publikation der in dem handschriftlichen Nachlaß enthaltenen Arbeiten und Ideen bot außerordentliche Schwierigkeiten. Die Arbeitsweise Diltheys, der immer aus der Fülle der Gesichte und neuer Ideen heraus schaffend die Entwürfe und begonnenen Untersuchungen umformte, hat ihn an der Vollendung der meisten seiner Schriften gehindert und hat diese, obwohl sie stets in einem großen und einheitlichen Zusammenhang gedacht waren, in ihren: gegenseitigen Verhältnis und in der bestimm¬ ten Verknüpfung, durch die sie sich zu einem Ganzen abrunden sollten, nicht immer deutlich werden lassen. Hatte Dilthey in dem ersten Bande seiner „Einleitung in die Geistes¬ wissenschaften" den systematischen Grundriß seiner Auffassung von dem Wesen der geistigen Welt und zugleich eine in sich geschlossene Darstellung von der Entwicklung der geistigen Kultur des Abendlandes bis zum Ausgang des Mittelalters gegeben, so ist er in der Fortführung seiner Studien sowohl in dem Ausbau der systematischen Grundansichten wie in der Ausgestaltung seiner Anschauung von der Entwicklung von Kunst, Religion und Philosophie in der neueren Zeit nicht mehr zu einer endgültigen Fassung gekommen. Aber die zahlreichen Abhandlungen, in denen er die Ergebnisse seiner immer auf das Ganze gerichteten Forschung niederlegte und die eine Tiefe des Denkens und eine Feinheit des geschichtlichen Sinnes bezeugen, durch welche Dilthey allen zeitgenössischen Historikern der Philosophie überlegen war, bieten, zu¬ sammen genommen, einen Ersatz für das, was er uns selber schuldig geblieben ist. In dem vorliegenden Bande von Diltheys gesammelten Schriften, der als zweiter be¬ zeichnet ist, sind die Abhandlungen zusammen¬ gestellt, die sich auf die Fortsetzung seiner Studien über die europäische Geistesgeschichte, insbesondere über die Zeit vom fünfzehnten bis zum siebzehnten Jahrhundert beziehen. Ihren Inhalt bilden die Aufsätze- Auffassung und Analyse des Menschen im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert, das natürliche

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/331>, abgerufen am 23.07.2024.