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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Deutschland und die Aoalition
<Lin vortrag,
Vincent Rzymowski zu Warschau gehalten von

Der Vortragende ist ein bekannter Warschauer Publizist und Her¬
ausgeber der Zeitschrift "Widnokrag" ("Der Horizont"). Bald nach
der Einnahme von Warschau durch die deutsche Armee am ö. August 191ö
brachte ihn eine Unbedachtsamkeit in Konflikt mit der neuen Staats¬
gewalt und er mußte die Einschließung in ein deutsches Gefangenen¬
lager über sich ergehen lassen. Dort und späterhin in Berlin hat Herr
Rzymowski die Eindrücke gesammelt, die hiernieder wiedergegeben
werden. Sie sind ein erfreulicher Beweis für die Objektivität eines
Kulturmenschen im wahrsten Sinne.

Die Übertragung aus dem Polnischen stammt von Dr M Geßner
..,
Der Herausgeber München, z. Zt. Warschau.


Verehrte Damen und Herren!

es komme nicht hierher, um irgend jemand meine Überzeugungen,
meine Sympathien und Antipathien aufzudrängen. Ich trete
weder mit einem politischen System noch mit einer politischen
Richtung auf. Ich ergreife das Wort, um meinen Zuhörern
von der Fülle der Eindrücke mitzuteilen, von persönlichen Er¬
lebnissen, von den Empfindungen und Beobachtungen, wie ich sie auf einem
außergewöhnlichen Beobachtungsfelde gesammelt habe, das für das forschende
Auge unerhört ergiebig ist, denn es ist das Feld des Mißgeschicks: das
Kriegsgefangenenlager. Meine Beobachtungen berühren alle den Krieg,
sie triefen von im Kriege vergossenem Blut, aber sie gehen von jenseits des
Krieges aus, sie kommen aus einer, man könnte sagen, entgegengesetzten
Richtung. Wenn wir nämlich die Linien der Fronten, an denen die be¬
waffneten Kräfte kämpfen, den einen Pol des Krieges nennen, so darf man
als den entgegengesetzten Pol gerade die Gefangenenlager bezeichnen; wenn


Grenzboten III 1916 1


Deutschland und die Aoalition
<Lin vortrag,
Vincent Rzymowski zu Warschau gehalten von

Der Vortragende ist ein bekannter Warschauer Publizist und Her¬
ausgeber der Zeitschrift „Widnokrag" („Der Horizont"). Bald nach
der Einnahme von Warschau durch die deutsche Armee am ö. August 191ö
brachte ihn eine Unbedachtsamkeit in Konflikt mit der neuen Staats¬
gewalt und er mußte die Einschließung in ein deutsches Gefangenen¬
lager über sich ergehen lassen. Dort und späterhin in Berlin hat Herr
Rzymowski die Eindrücke gesammelt, die hiernieder wiedergegeben
werden. Sie sind ein erfreulicher Beweis für die Objektivität eines
Kulturmenschen im wahrsten Sinne.

Die Übertragung aus dem Polnischen stammt von Dr M Geßner
..,
Der Herausgeber München, z. Zt. Warschau.


Verehrte Damen und Herren!

es komme nicht hierher, um irgend jemand meine Überzeugungen,
meine Sympathien und Antipathien aufzudrängen. Ich trete
weder mit einem politischen System noch mit einer politischen
Richtung auf. Ich ergreife das Wort, um meinen Zuhörern
von der Fülle der Eindrücke mitzuteilen, von persönlichen Er¬
lebnissen, von den Empfindungen und Beobachtungen, wie ich sie auf einem
außergewöhnlichen Beobachtungsfelde gesammelt habe, das für das forschende
Auge unerhört ergiebig ist, denn es ist das Feld des Mißgeschicks: das
Kriegsgefangenenlager. Meine Beobachtungen berühren alle den Krieg,
sie triefen von im Kriege vergossenem Blut, aber sie gehen von jenseits des
Krieges aus, sie kommen aus einer, man könnte sagen, entgegengesetzten
Richtung. Wenn wir nämlich die Linien der Fronten, an denen die be¬
waffneten Kräfte kämpfen, den einen Pol des Krieges nennen, so darf man
als den entgegengesetzten Pol gerade die Gefangenenlager bezeichnen; wenn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/13>, abgerufen am 23.07.2024.