Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Hexenkessel

3. Akt.
Das falsche Pferd.

Der Monarchist: Purischkewitsch hat um Urlaub gebeten. Er ist
abgereist unter Hinterlassung eines köstlichen Versehens für den Duma-
präfidenten:

Es wird gut sein, wenn dieses Verschen recht weit bekannt wird. Das
wird die Roditschew und Konsorten diskreditieren, und diese Duma wird hoffent¬
lich bald zum Teufel gejagt werden.

Ich bin einmal in meinem Leben unvorsichtig gewesen, habe diesen
Menschen mein Herz ausgeschüttet, habe ihm gesagt, daß ich daran zweifele,
ob die Grundzüge unserer Politik richtig gewesen sind. Ich sprach von England
und von allen diesen Nicolsons, O'Beirns und Buchanans, die den Kadetten
nur den Kopf verdreht haben, sagte ihm, meiner Meinung nach ist dieser
Krieg zwischen uns und den Deutschen nur ein Vorteil für England -- das
mit Behagen zusieht, wie wir beide uns die Köpfe einrennen. Das wird
man mir jetzt ständig vorwerfen, und man wird mich als Anhänger des
Separatfriedens, den wir ja auch meiner Meinung nach doch nicht werden
schließen können, verdächtigen. Und dann mein Wort vom Juni 1914, wo
ich den Kadetten sagte, sie. sollten nicht immer gegen Deutschland Hetzen: ein
noch so kleines Bündnis mit dieser starken Macht wäre zehnmal besser als die
dickste Freundschaft mit den Engländern. Jetzt sehen wir, daß ich recht hatte.
Suchomlinow war gewiß ein tüchtiger Kerl (alles was diese Gesellschaftsfatzken
gegen ihn und Poliwanow vorbringen, ist Quatsch, es waren die tüchtigsten
Organisatoren Rußlands), aber auch Suchomlinow hat sich verschätzt, hat die
Deutschen für nicht so stark gehalten, wie sie waren -- die Deutschen Habens
ja selbst nicht gewußt, wie stark sie sind. Und wir waren eben nicht so
bereit wie sich's Suchomlinow gedacht hatte -- und ich und du allein -- wir
Habens geahnt. --

Der zweite Monarchist: Schadet nichts. Mag der Krieg ausgehen,
wie er will, er wird Rußland schließlich nicht zugrunde richten. Wir werden nicht
bankrott sein, wenn wir verlieren, wohl aber Frankreich und das kann uns
gleich sein. Laß uns immerhin im Westen einiges Land opfern -- mit den
Landeseroberungs-Träumen der Scheglowitow und des Baron Taube, dessen Herz
sich nun ganz von seinen westfälischen Ahnen abgewandt hat, ist's doch für
immer aus. Das kann uns nicht umbringen. Die Hauptsache ist, daß wir
dem, was im Innern droht, vorbeugen -- und da scheint Chwostow auf
dem richtigen Wege zu sein. Wir werden's doch allmählich kriegen, so dumm


Der Hexenkessel

3. Akt.
Das falsche Pferd.

Der Monarchist: Purischkewitsch hat um Urlaub gebeten. Er ist
abgereist unter Hinterlassung eines köstlichen Versehens für den Duma-
präfidenten:

Es wird gut sein, wenn dieses Verschen recht weit bekannt wird. Das
wird die Roditschew und Konsorten diskreditieren, und diese Duma wird hoffent¬
lich bald zum Teufel gejagt werden.

Ich bin einmal in meinem Leben unvorsichtig gewesen, habe diesen
Menschen mein Herz ausgeschüttet, habe ihm gesagt, daß ich daran zweifele,
ob die Grundzüge unserer Politik richtig gewesen sind. Ich sprach von England
und von allen diesen Nicolsons, O'Beirns und Buchanans, die den Kadetten
nur den Kopf verdreht haben, sagte ihm, meiner Meinung nach ist dieser
Krieg zwischen uns und den Deutschen nur ein Vorteil für England — das
mit Behagen zusieht, wie wir beide uns die Köpfe einrennen. Das wird
man mir jetzt ständig vorwerfen, und man wird mich als Anhänger des
Separatfriedens, den wir ja auch meiner Meinung nach doch nicht werden
schließen können, verdächtigen. Und dann mein Wort vom Juni 1914, wo
ich den Kadetten sagte, sie. sollten nicht immer gegen Deutschland Hetzen: ein
noch so kleines Bündnis mit dieser starken Macht wäre zehnmal besser als die
dickste Freundschaft mit den Engländern. Jetzt sehen wir, daß ich recht hatte.
Suchomlinow war gewiß ein tüchtiger Kerl (alles was diese Gesellschaftsfatzken
gegen ihn und Poliwanow vorbringen, ist Quatsch, es waren die tüchtigsten
Organisatoren Rußlands), aber auch Suchomlinow hat sich verschätzt, hat die
Deutschen für nicht so stark gehalten, wie sie waren — die Deutschen Habens
ja selbst nicht gewußt, wie stark sie sind. Und wir waren eben nicht so
bereit wie sich's Suchomlinow gedacht hatte — und ich und du allein — wir
Habens geahnt. —

Der zweite Monarchist: Schadet nichts. Mag der Krieg ausgehen,
wie er will, er wird Rußland schließlich nicht zugrunde richten. Wir werden nicht
bankrott sein, wenn wir verlieren, wohl aber Frankreich und das kann uns
gleich sein. Laß uns immerhin im Westen einiges Land opfern — mit den
Landeseroberungs-Träumen der Scheglowitow und des Baron Taube, dessen Herz
sich nun ganz von seinen westfälischen Ahnen abgewandt hat, ist's doch für
immer aus. Das kann uns nicht umbringen. Die Hauptsache ist, daß wir
dem, was im Innern droht, vorbeugen — und da scheint Chwostow auf
dem richtigen Wege zu sein. Wir werden's doch allmählich kriegen, so dumm


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0064" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330164"/>
            <fw type="header" place="top"> Der Hexenkessel</fw><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> 3. Akt.<lb/>
Das falsche Pferd.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_165"><note type="speaker"> Der Monarchist:</note> Purischkewitsch hat um Urlaub gebeten. Er ist<lb/>
abgereist unter Hinterlassung eines köstlichen Versehens für den Duma-<lb/>
präfidenten:</p><lb/>
            <lg xml:id="POEMID_2" type="poem">
              <l/>
            </lg><lb/>
            <p xml:id="ID_166"> Es wird gut sein, wenn dieses Verschen recht weit bekannt wird. Das<lb/>
wird die Roditschew und Konsorten diskreditieren, und diese Duma wird hoffent¬<lb/>
lich bald zum Teufel gejagt werden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_167"> Ich bin einmal in meinem Leben unvorsichtig gewesen, habe diesen<lb/>
Menschen mein Herz ausgeschüttet, habe ihm gesagt, daß ich daran zweifele,<lb/>
ob die Grundzüge unserer Politik richtig gewesen sind. Ich sprach von England<lb/>
und von allen diesen Nicolsons, O'Beirns und Buchanans, die den Kadetten<lb/>
nur den Kopf verdreht haben, sagte ihm, meiner Meinung nach ist dieser<lb/>
Krieg zwischen uns und den Deutschen nur ein Vorteil für England &#x2014; das<lb/>
mit Behagen zusieht, wie wir beide uns die Köpfe einrennen. Das wird<lb/>
man mir jetzt ständig vorwerfen, und man wird mich als Anhänger des<lb/>
Separatfriedens, den wir ja auch meiner Meinung nach doch nicht werden<lb/>
schließen können, verdächtigen. Und dann mein Wort vom Juni 1914, wo<lb/>
ich den Kadetten sagte, sie. sollten nicht immer gegen Deutschland Hetzen: ein<lb/>
noch so kleines Bündnis mit dieser starken Macht wäre zehnmal besser als die<lb/>
dickste Freundschaft mit den Engländern. Jetzt sehen wir, daß ich recht hatte.<lb/>
Suchomlinow war gewiß ein tüchtiger Kerl (alles was diese Gesellschaftsfatzken<lb/>
gegen ihn und Poliwanow vorbringen, ist Quatsch, es waren die tüchtigsten<lb/>
Organisatoren Rußlands), aber auch Suchomlinow hat sich verschätzt, hat die<lb/>
Deutschen für nicht so stark gehalten, wie sie waren &#x2014; die Deutschen Habens<lb/>
ja selbst nicht gewußt, wie stark sie sind. Und wir waren eben nicht so<lb/>
bereit wie sich's Suchomlinow gedacht hatte &#x2014; und ich und du allein &#x2014; wir<lb/>
Habens geahnt. &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_168" next="#ID_169"><note type="speaker"> Der zweite Monarchist:</note> Schadet nichts. Mag der Krieg ausgehen,<lb/>
wie er will, er wird Rußland schließlich nicht zugrunde richten. Wir werden nicht<lb/>
bankrott sein, wenn wir verlieren, wohl aber Frankreich und das kann uns<lb/>
gleich sein. Laß uns immerhin im Westen einiges Land opfern &#x2014; mit den<lb/>
Landeseroberungs-Träumen der Scheglowitow und des Baron Taube, dessen Herz<lb/>
sich nun ganz von seinen westfälischen Ahnen abgewandt hat, ist's doch für<lb/>
immer aus. Das kann uns nicht umbringen. Die Hauptsache ist, daß wir<lb/>
dem, was im Innern droht, vorbeugen &#x2014; und da scheint Chwostow auf<lb/>
dem richtigen Wege zu sein. Wir werden's doch allmählich kriegen, so dumm</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0064] Der Hexenkessel 3. Akt. Das falsche Pferd. Der Monarchist: Purischkewitsch hat um Urlaub gebeten. Er ist abgereist unter Hinterlassung eines köstlichen Versehens für den Duma- präfidenten: Es wird gut sein, wenn dieses Verschen recht weit bekannt wird. Das wird die Roditschew und Konsorten diskreditieren, und diese Duma wird hoffent¬ lich bald zum Teufel gejagt werden. Ich bin einmal in meinem Leben unvorsichtig gewesen, habe diesen Menschen mein Herz ausgeschüttet, habe ihm gesagt, daß ich daran zweifele, ob die Grundzüge unserer Politik richtig gewesen sind. Ich sprach von England und von allen diesen Nicolsons, O'Beirns und Buchanans, die den Kadetten nur den Kopf verdreht haben, sagte ihm, meiner Meinung nach ist dieser Krieg zwischen uns und den Deutschen nur ein Vorteil für England — das mit Behagen zusieht, wie wir beide uns die Köpfe einrennen. Das wird man mir jetzt ständig vorwerfen, und man wird mich als Anhänger des Separatfriedens, den wir ja auch meiner Meinung nach doch nicht werden schließen können, verdächtigen. Und dann mein Wort vom Juni 1914, wo ich den Kadetten sagte, sie. sollten nicht immer gegen Deutschland Hetzen: ein noch so kleines Bündnis mit dieser starken Macht wäre zehnmal besser als die dickste Freundschaft mit den Engländern. Jetzt sehen wir, daß ich recht hatte. Suchomlinow war gewiß ein tüchtiger Kerl (alles was diese Gesellschaftsfatzken gegen ihn und Poliwanow vorbringen, ist Quatsch, es waren die tüchtigsten Organisatoren Rußlands), aber auch Suchomlinow hat sich verschätzt, hat die Deutschen für nicht so stark gehalten, wie sie waren — die Deutschen Habens ja selbst nicht gewußt, wie stark sie sind. Und wir waren eben nicht so bereit wie sich's Suchomlinow gedacht hatte — und ich und du allein — wir Habens geahnt. — Der zweite Monarchist: Schadet nichts. Mag der Krieg ausgehen, wie er will, er wird Rußland schließlich nicht zugrunde richten. Wir werden nicht bankrott sein, wenn wir verlieren, wohl aber Frankreich und das kann uns gleich sein. Laß uns immerhin im Westen einiges Land opfern — mit den Landeseroberungs-Träumen der Scheglowitow und des Baron Taube, dessen Herz sich nun ganz von seinen westfälischen Ahnen abgewandt hat, ist's doch für immer aus. Das kann uns nicht umbringen. Die Hauptsache ist, daß wir dem, was im Innern droht, vorbeugen — und da scheint Chwostow auf dem richtigen Wege zu sein. Wir werden's doch allmählich kriegen, so dumm

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/64
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/64>, abgerufen am 27.07.2024.