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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Line Märtyrerin auf dem Aaiserthrone

Ländern entstehen, deren Anlehnung an die niederländische und deutsche Wissen¬
schaft wir mit Sicherheit erwarten dürfen.

An Schwierigkeiten und Widerständen bei praktischen Versuchen zur Durch¬
führung unseres Vorschlages wird es nicht fehlen. Daß aber die Schwierig,
leiten bei jeder anderen neu einzuführenden Sprache, zumal hinsichtlich Be-
schaffung der Lehrkräfte, größer sind als gerade beim Niederländischen, wird in
Fachkreisen ebensowenig bestritten werden wie die Gewißheit, schon bei geringem
Aufwand an Stundenzahl verhältnismäßig große Erfolge zu erzielen. Ein
Anschluß an den Deutschunterricht dürfte sich dabei unschwer herstellen lasten.
Für die Entwicklungsgeschichte der eigenen Sprache und die Schärfung des
Sprachgefühls bedeutet das Eingehen auf die ältere germanische Sprachform
noch einen besonderen Gewinn; enthält doch das Niederländische viele urdeutsche
Bestandteile, die aus dem Plattdeutschen teilweise, aus dem Hochdeutschen ganz
verschwunden oder durch fremdartige Bildungen ersetzt sind. Die in den letzten
Jahren mächtig aufblühende niederdeutsche Sprachbewegung, die sich an weitere
Kreise wendet, wird sich gleichfalls der Aufgabe nicht entziehen können, das
Interesse für das Niederländische durch Vergleichung und Anknüpfung an seine
Sprach- und Literaturdenkmäler zu fördern. Sie kann auf die Masse der
niederdeutsch Sprechenden ähnlich wirken, wie der Unterricht an höheren Lehr¬
anstalten auf den verhältnismäßig engen Kreis der Gebildeten und Interessierten.




Line Märtyrerin auf dem Aaiserthrone
Professor Dr. Willi Müller von

Man vergleiche hierzu den Aufsatz "Der Kaiserin
Josephine Aufstieg" ans der Feder desselben Verfassers
in Heft 43 d.J.'

eit dem 2. Dezember 1804 trug Josephine als Gemahlin Napoleons
des Ersten die Krone Frankreichs, die einer Sage nach ihr in der
^Kindheit prophezeit worden war -- diese Frau, deren wunder¬
barer Lebenslauf einer legendenhaften Ausschmückung kaum bedurft
I hätte. Fünf Jahre lang teilte die anmutige Erscheinung, von der
man mit Recht gesagt hat, daß sie Geschichte, Roman, Idylle, Elegie und ein
klein wenig Operette bedeute, den Thron ihres Gatten, dann kam der Sturz;
die seelischen Erschütterungen, die ihm vorhergingen, dürften selbst die blasierte
Menschheit von heute noch interessieren."


SK*
Line Märtyrerin auf dem Aaiserthrone

Ländern entstehen, deren Anlehnung an die niederländische und deutsche Wissen¬
schaft wir mit Sicherheit erwarten dürfen.

An Schwierigkeiten und Widerständen bei praktischen Versuchen zur Durch¬
führung unseres Vorschlages wird es nicht fehlen. Daß aber die Schwierig,
leiten bei jeder anderen neu einzuführenden Sprache, zumal hinsichtlich Be-
schaffung der Lehrkräfte, größer sind als gerade beim Niederländischen, wird in
Fachkreisen ebensowenig bestritten werden wie die Gewißheit, schon bei geringem
Aufwand an Stundenzahl verhältnismäßig große Erfolge zu erzielen. Ein
Anschluß an den Deutschunterricht dürfte sich dabei unschwer herstellen lasten.
Für die Entwicklungsgeschichte der eigenen Sprache und die Schärfung des
Sprachgefühls bedeutet das Eingehen auf die ältere germanische Sprachform
noch einen besonderen Gewinn; enthält doch das Niederländische viele urdeutsche
Bestandteile, die aus dem Plattdeutschen teilweise, aus dem Hochdeutschen ganz
verschwunden oder durch fremdartige Bildungen ersetzt sind. Die in den letzten
Jahren mächtig aufblühende niederdeutsche Sprachbewegung, die sich an weitere
Kreise wendet, wird sich gleichfalls der Aufgabe nicht entziehen können, das
Interesse für das Niederländische durch Vergleichung und Anknüpfung an seine
Sprach- und Literaturdenkmäler zu fördern. Sie kann auf die Masse der
niederdeutsch Sprechenden ähnlich wirken, wie der Unterricht an höheren Lehr¬
anstalten auf den verhältnismäßig engen Kreis der Gebildeten und Interessierten.




Line Märtyrerin auf dem Aaiserthrone
Professor Dr. Willi Müller von

Man vergleiche hierzu den Aufsatz „Der Kaiserin
Josephine Aufstieg" ans der Feder desselben Verfassers
in Heft 43 d.J.'

eit dem 2. Dezember 1804 trug Josephine als Gemahlin Napoleons
des Ersten die Krone Frankreichs, die einer Sage nach ihr in der
^Kindheit prophezeit worden war — diese Frau, deren wunder¬
barer Lebenslauf einer legendenhaften Ausschmückung kaum bedurft
I hätte. Fünf Jahre lang teilte die anmutige Erscheinung, von der
man mit Recht gesagt hat, daß sie Geschichte, Roman, Idylle, Elegie und ein
klein wenig Operette bedeute, den Thron ihres Gatten, dann kam der Sturz;
die seelischen Erschütterungen, die ihm vorhergingen, dürften selbst die blasierte
Menschheit von heute noch interessieren.«


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[0409] Line Märtyrerin auf dem Aaiserthrone Ländern entstehen, deren Anlehnung an die niederländische und deutsche Wissen¬ schaft wir mit Sicherheit erwarten dürfen. An Schwierigkeiten und Widerständen bei praktischen Versuchen zur Durch¬ führung unseres Vorschlages wird es nicht fehlen. Daß aber die Schwierig, leiten bei jeder anderen neu einzuführenden Sprache, zumal hinsichtlich Be- schaffung der Lehrkräfte, größer sind als gerade beim Niederländischen, wird in Fachkreisen ebensowenig bestritten werden wie die Gewißheit, schon bei geringem Aufwand an Stundenzahl verhältnismäßig große Erfolge zu erzielen. Ein Anschluß an den Deutschunterricht dürfte sich dabei unschwer herstellen lasten. Für die Entwicklungsgeschichte der eigenen Sprache und die Schärfung des Sprachgefühls bedeutet das Eingehen auf die ältere germanische Sprachform noch einen besonderen Gewinn; enthält doch das Niederländische viele urdeutsche Bestandteile, die aus dem Plattdeutschen teilweise, aus dem Hochdeutschen ganz verschwunden oder durch fremdartige Bildungen ersetzt sind. Die in den letzten Jahren mächtig aufblühende niederdeutsche Sprachbewegung, die sich an weitere Kreise wendet, wird sich gleichfalls der Aufgabe nicht entziehen können, das Interesse für das Niederländische durch Vergleichung und Anknüpfung an seine Sprach- und Literaturdenkmäler zu fördern. Sie kann auf die Masse der niederdeutsch Sprechenden ähnlich wirken, wie der Unterricht an höheren Lehr¬ anstalten auf den verhältnismäßig engen Kreis der Gebildeten und Interessierten. Line Märtyrerin auf dem Aaiserthrone Professor Dr. Willi Müller von Man vergleiche hierzu den Aufsatz „Der Kaiserin Josephine Aufstieg" ans der Feder desselben Verfassers in Heft 43 d.J.' eit dem 2. Dezember 1804 trug Josephine als Gemahlin Napoleons des Ersten die Krone Frankreichs, die einer Sage nach ihr in der ^Kindheit prophezeit worden war — diese Frau, deren wunder¬ barer Lebenslauf einer legendenhaften Ausschmückung kaum bedurft I hätte. Fünf Jahre lang teilte die anmutige Erscheinung, von der man mit Recht gesagt hat, daß sie Geschichte, Roman, Idylle, Elegie und ein klein wenig Operette bedeute, den Thron ihres Gatten, dann kam der Sturz; die seelischen Erschütterungen, die ihm vorhergingen, dürften selbst die blasierte Menschheit von heute noch interessieren.« SK*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/409>, abgerufen am 22.07.2024.