Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] öchöns Literatur Der Kmest im Roman. Der Krieg mit Aus der schmerzhaften Werdezeit des Endlich erzwingen Notwendigkeit und ein Schöttler in seinem Roman "Zwischen Der neue große Krieg bricht an. Unter Jeden ergreift die Begeisterung des Zorns. Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] öchöns Literatur Der Kmest im Roman. Der Krieg mit Aus der schmerzhaften Werdezeit des Endlich erzwingen Notwendigkeit und ein Schöttler in seinem Roman „Zwischen Der neue große Krieg bricht an. Unter Jeden ergreift die Begeisterung des Zorns. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0203" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324616"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341901_324408/figures/grenzboten_341901_324408_324616_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <cb type="start"/> <div n="2"> <head> öchöns Literatur</head> <p xml:id="ID_688"> Der Kmest im Roman. Der Krieg mit<lb/> seinem millionenfachen Menschenschicksal ist<lb/> auch zu einen? künstlerischen Erlebnis ge¬<lb/> worden. Seit einem Jahre sind unzählbare<lb/> KriegSromane und -Novellen erschienen. Aber<lb/> gerade die Allgemeinheit der Stimmungen<lb/> und Empfindungen zwingt uns zur gewissen¬<lb/> haftesten Prüfung, denn ein Kunstwerk hat<lb/> immer ein persönliches Erlebnis zur Voraus¬<lb/> setzung! dazu Anschauung und die Fähigkeit<lb/> der Gestaltung, So mancher glaubt aber<lb/> jetzt ein Dichter zu sein, der seine Seele bloß<lb/> hat mitschwingen lassen.</p> <p xml:id="ID_689"> Aus der schmerzhaften Werdezeit des<lb/> deutschen Gedankens holt sich Max Dreyer<lb/> seine Menschen und Bilder. Sein Roman<lb/> „Der deutsche Morgen. Das Leben eines<lb/> Mannes" (L. Staackmann, Leipzig, 1916)<lb/> führt in die Jahre nach den Freiheitskriegen,<lb/> in die Zeit der teutschen Schwärmerei, des<lb/> Jährenden, glühenden Deutschgefühls, in die<lb/> Schwüle der Demagogenriecherei, Fast be¬<lb/> häbig ruhig rollt anfangs der Fluß der Er¬<lb/> zählung, in dem sich der Drang und die<lb/> Mühsal der Menschen von damals spiegeln,<lb/> bis der Fluß zum tosenden Strome wird,<lb/> dessen Kraft und Fülle mit fast atemraubender<lb/> Melodie an uns vorüberrauscht. Es ist das<lb/> Leben eines Mannes, das ein Glaube war<lb/> und eine keusche, rauhe, märkisch-gerade Tat.</p> <p xml:id="ID_690" next="#ID_691"> Endlich erzwingen Notwendigkeit und ein<lb/> kluger, eiserner Mann die Erfüllung des<lb/> Traumes. Der neue Krieg bringt Wohlstand<lb/> und Aufschwung. Wer tatkräftig die Gründer¬<lb/> zeit auszunutzen versteht, wird bald ein reicher<lb/> Mann. Aber was wird aus den Söhnen,<lb/> die nur das Erbe der Väter antreten? Diese<lb/> beiden Generationen, die der Emporkömm¬<lb/> linge und die der Söhne, wollte Horst</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_691" prev="#ID_690"> Schöttler in seinem Roman „Zwischen<lb/> zwei Kriegen 1870—1914." (L. Staack¬<lb/> mann, Leipzig, 1916) zeichnen. Leider hat<lb/> er nicht die kraftstrotzende Natur Omptedas<lb/> nicht dessen fest zupackende Art. Er ist ein<lb/> Analytiker, er zerfasert Seelen. Die gro߬<lb/> zügige Synthese dieser Generationen, die wir<lb/> nach einigen Andeutungen erwarten, versickert<lb/> und zerfließt in Lebensaugenblicke zer¬<lb/> sprungener Seelen. So fehlt es dem Roman<lb/> an innerem Halt und Rhythmus.</p> <p xml:id="ID_692"> Der neue große Krieg bricht an. Unter<lb/> dem heiligen Ernst und dem leuchtenden<lb/> Lachen der ersten großen Stunden hat Thea<lb/> von Harbou ihr Buch „Der unsterbliche<lb/> Acker" (I. G. Cotta, Berlin und Stuttgart)<lb/> geschrieben, in dem die unerschütterliche Zu¬<lb/> versichtlichkeit lebt, daß ein solches Volk nie<lb/> untergehen kann. Man spürt in ihm den<lb/> Atem einer lebendigen Seele, die sich hinein¬<lb/> gegrübelt und hineingefühlt hat in das<lb/> deutsche Herz. Und ohne Phrase, ohne weich¬<lb/> liche Sentimentalität, und der unbekümmerten<lb/> Sachlichkeit eines Arztes, aber auch mit<lb/> Wunderreicher Frauenlieve zeigt sie uns<lb/> das Bild dieses zuckenden und pochenden<lb/> Herzens-</p> <p xml:id="ID_693" next="#ID_694"> Jeden ergreift die Begeisterung des Zorns.<lb/> Aber mancher wird in die Fessel der Un¬<lb/> tätigkeit gezwungen. So enthüllt uns<lb/> Friedrich Lienhard in seinen letzten Er¬<lb/> zählungen „Der Einsiedler und sein<lb/> Volk" (Stuttgart, 1915, Greiner und<lb/> Pfeiffsr), in denen er die kulturhistorische<lb/> Anekdote bis zur geschauten Szene ausmalt<lb/> oder in einem plötzlichen Erlebnis das ganze<lb/> Lebenslvs eines Menschen aufleuchten läßt,<lb/> das Schicksal eines unnütz Wartenden, der<lb/> sich den Strick um den Hals legt, weil da<lb/> draußen Taten geschehen, zu denen sie ihn<lb/> nicht brauchen; dus Schicksal derer, die im</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0203]
[Abbildung]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
öchöns Literatur Der Kmest im Roman. Der Krieg mit
seinem millionenfachen Menschenschicksal ist
auch zu einen? künstlerischen Erlebnis ge¬
worden. Seit einem Jahre sind unzählbare
KriegSromane und -Novellen erschienen. Aber
gerade die Allgemeinheit der Stimmungen
und Empfindungen zwingt uns zur gewissen¬
haftesten Prüfung, denn ein Kunstwerk hat
immer ein persönliches Erlebnis zur Voraus¬
setzung! dazu Anschauung und die Fähigkeit
der Gestaltung, So mancher glaubt aber
jetzt ein Dichter zu sein, der seine Seele bloß
hat mitschwingen lassen.
Aus der schmerzhaften Werdezeit des
deutschen Gedankens holt sich Max Dreyer
seine Menschen und Bilder. Sein Roman
„Der deutsche Morgen. Das Leben eines
Mannes" (L. Staackmann, Leipzig, 1916)
führt in die Jahre nach den Freiheitskriegen,
in die Zeit der teutschen Schwärmerei, des
Jährenden, glühenden Deutschgefühls, in die
Schwüle der Demagogenriecherei, Fast be¬
häbig ruhig rollt anfangs der Fluß der Er¬
zählung, in dem sich der Drang und die
Mühsal der Menschen von damals spiegeln,
bis der Fluß zum tosenden Strome wird,
dessen Kraft und Fülle mit fast atemraubender
Melodie an uns vorüberrauscht. Es ist das
Leben eines Mannes, das ein Glaube war
und eine keusche, rauhe, märkisch-gerade Tat.
Endlich erzwingen Notwendigkeit und ein
kluger, eiserner Mann die Erfüllung des
Traumes. Der neue Krieg bringt Wohlstand
und Aufschwung. Wer tatkräftig die Gründer¬
zeit auszunutzen versteht, wird bald ein reicher
Mann. Aber was wird aus den Söhnen,
die nur das Erbe der Väter antreten? Diese
beiden Generationen, die der Emporkömm¬
linge und die der Söhne, wollte Horst
Schöttler in seinem Roman „Zwischen
zwei Kriegen 1870—1914." (L. Staack¬
mann, Leipzig, 1916) zeichnen. Leider hat
er nicht die kraftstrotzende Natur Omptedas
nicht dessen fest zupackende Art. Er ist ein
Analytiker, er zerfasert Seelen. Die gro߬
zügige Synthese dieser Generationen, die wir
nach einigen Andeutungen erwarten, versickert
und zerfließt in Lebensaugenblicke zer¬
sprungener Seelen. So fehlt es dem Roman
an innerem Halt und Rhythmus.
Der neue große Krieg bricht an. Unter
dem heiligen Ernst und dem leuchtenden
Lachen der ersten großen Stunden hat Thea
von Harbou ihr Buch „Der unsterbliche
Acker" (I. G. Cotta, Berlin und Stuttgart)
geschrieben, in dem die unerschütterliche Zu¬
versichtlichkeit lebt, daß ein solches Volk nie
untergehen kann. Man spürt in ihm den
Atem einer lebendigen Seele, die sich hinein¬
gegrübelt und hineingefühlt hat in das
deutsche Herz. Und ohne Phrase, ohne weich¬
liche Sentimentalität, und der unbekümmerten
Sachlichkeit eines Arztes, aber auch mit
Wunderreicher Frauenlieve zeigt sie uns
das Bild dieses zuckenden und pochenden
Herzens-
Jeden ergreift die Begeisterung des Zorns.
Aber mancher wird in die Fessel der Un¬
tätigkeit gezwungen. So enthüllt uns
Friedrich Lienhard in seinen letzten Er¬
zählungen „Der Einsiedler und sein
Volk" (Stuttgart, 1915, Greiner und
Pfeiffsr), in denen er die kulturhistorische
Anekdote bis zur geschauten Szene ausmalt
oder in einem plötzlichen Erlebnis das ganze
Lebenslvs eines Menschen aufleuchten läßt,
das Schicksal eines unnütz Wartenden, der
sich den Strick um den Hals legt, weil da
draußen Taten geschehen, zu denen sie ihn
nicht brauchen; dus Schicksal derer, die im
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |