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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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das Abonnement zum IV. Quartal 1915
erneuern zu wollen. -- Bestellungen
nimmt jede Buchhandlung und jede
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G. in. b. Ä.
Berlin LV/it.
^

Der Ministerwechsel in Rußland

er jüngste Ministerwechsel in Rußland fand mit einer gewissen
Plötzlichkeit statt, die es dem ferner stehenden Beobachter schwierig
machte, sofort Ursachen, Zusammenhänge und Folgen klar zu
übersehen. Er ist im feindlichen Auslande und bei uns vielfach
durch das Licht der Parteibrille gesehen und je nachdem so oder
o dargestellt, zum Teil entstellt worden. Das Merkwürdige dabei war. daß die
Umbildung des Kabinetts Goremykin, obwohl sie eine entschiedene Rechts¬
schwenkung der Regierung bedeutete und die Kluft vertiefte, die zwischen öffent¬
licher Meinung des Landes und Regierung bestanden hat, momentan doch eher eine
zeitweilige Entspannung der Lage als eine akute Verschärfung der Spannung
gebracht hat. Man empfand die Tatsache, daß wirklich eine Entscheidung da
war -- wenn auch in einem anderen Sinne, als man gehofft hatte -- in
vielen Kreisen Rußlands als eine Beruhigung.

Chwostow nutzte diesen Umstand geschickt aus. Menschlicher als Maklakow
und ein weitaus praktischerer Politiker als Schtscherbatow, gab er den zusammen¬
gerufenen Zeitungsvertretern Erklärungen ab, die durch ihre Offenheit und ihre
Ausmachung in Rußland Erstaunen erregten und die Presse und die öffentliche
Meinung verwirrten.

Für eine Zeitlang hatte er gewonnenes Spiel, das allerdings -- worüber
er sich wohl auch selbst ganz klar war -- ein anders Aussehen gewinnen mußte,
wenn es später ans politische Handeln ging. Diese Phase der Ereignisse beob¬
achten wir jetzt. Die vorhergehende Entwickelung, die hier an der Hand eines
am 15. Oktober erstatteten Berichts über den Abgang von Samarin und
Schtscherbatow kurz skizziert wird, mag daher auch jetzt noch Interesse beanspruchen.

Samarins Abgang stand im Grunde genommen außerhalb der Ereignisse.
Ihm lag eine Frage der kirchlichen Disziplin zu Grunde, die mit den großen
inneren politischen Kämpfen an sich nichts zu tun hatte. Sie wurde aber bis


Grenzboten IV 1916 9


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Der Ministerwechsel in Rußland

er jüngste Ministerwechsel in Rußland fand mit einer gewissen
Plötzlichkeit statt, die es dem ferner stehenden Beobachter schwierig
machte, sofort Ursachen, Zusammenhänge und Folgen klar zu
übersehen. Er ist im feindlichen Auslande und bei uns vielfach
durch das Licht der Parteibrille gesehen und je nachdem so oder
o dargestellt, zum Teil entstellt worden. Das Merkwürdige dabei war. daß die
Umbildung des Kabinetts Goremykin, obwohl sie eine entschiedene Rechts¬
schwenkung der Regierung bedeutete und die Kluft vertiefte, die zwischen öffent¬
licher Meinung des Landes und Regierung bestanden hat, momentan doch eher eine
zeitweilige Entspannung der Lage als eine akute Verschärfung der Spannung
gebracht hat. Man empfand die Tatsache, daß wirklich eine Entscheidung da
war — wenn auch in einem anderen Sinne, als man gehofft hatte — in
vielen Kreisen Rußlands als eine Beruhigung.

Chwostow nutzte diesen Umstand geschickt aus. Menschlicher als Maklakow
und ein weitaus praktischerer Politiker als Schtscherbatow, gab er den zusammen¬
gerufenen Zeitungsvertretern Erklärungen ab, die durch ihre Offenheit und ihre
Ausmachung in Rußland Erstaunen erregten und die Presse und die öffentliche
Meinung verwirrten.

Für eine Zeitlang hatte er gewonnenes Spiel, das allerdings — worüber
er sich wohl auch selbst ganz klar war — ein anders Aussehen gewinnen mußte,
wenn es später ans politische Handeln ging. Diese Phase der Ereignisse beob¬
achten wir jetzt. Die vorhergehende Entwickelung, die hier an der Hand eines
am 15. Oktober erstatteten Berichts über den Abgang von Samarin und
Schtscherbatow kurz skizziert wird, mag daher auch jetzt noch Interesse beanspruchen.

Samarins Abgang stand im Grunde genommen außerhalb der Ereignisse.
Ihm lag eine Frage der kirchlichen Disziplin zu Grunde, die mit den großen
inneren politischen Kämpfen an sich nichts zu tun hatte. Sie wurde aber bis


Grenzboten IV 1916 9
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[0141] [Abbildung] Wir bitten die Freunde der :: Grenzboten das Abonnement zum IV. Quartal 1915 erneuern zu wollen. — Bestellungen nimmt jede Buchhandlung und jede Postanftalt entgegen. Preis 6 M.Verlag der Gi-enTboten G. in. b. Ä. Berlin LV/it. ^ Der Ministerwechsel in Rußland er jüngste Ministerwechsel in Rußland fand mit einer gewissen Plötzlichkeit statt, die es dem ferner stehenden Beobachter schwierig machte, sofort Ursachen, Zusammenhänge und Folgen klar zu übersehen. Er ist im feindlichen Auslande und bei uns vielfach durch das Licht der Parteibrille gesehen und je nachdem so oder o dargestellt, zum Teil entstellt worden. Das Merkwürdige dabei war. daß die Umbildung des Kabinetts Goremykin, obwohl sie eine entschiedene Rechts¬ schwenkung der Regierung bedeutete und die Kluft vertiefte, die zwischen öffent¬ licher Meinung des Landes und Regierung bestanden hat, momentan doch eher eine zeitweilige Entspannung der Lage als eine akute Verschärfung der Spannung gebracht hat. Man empfand die Tatsache, daß wirklich eine Entscheidung da war — wenn auch in einem anderen Sinne, als man gehofft hatte — in vielen Kreisen Rußlands als eine Beruhigung. Chwostow nutzte diesen Umstand geschickt aus. Menschlicher als Maklakow und ein weitaus praktischerer Politiker als Schtscherbatow, gab er den zusammen¬ gerufenen Zeitungsvertretern Erklärungen ab, die durch ihre Offenheit und ihre Ausmachung in Rußland Erstaunen erregten und die Presse und die öffentliche Meinung verwirrten. Für eine Zeitlang hatte er gewonnenes Spiel, das allerdings — worüber er sich wohl auch selbst ganz klar war — ein anders Aussehen gewinnen mußte, wenn es später ans politische Handeln ging. Diese Phase der Ereignisse beob¬ achten wir jetzt. Die vorhergehende Entwickelung, die hier an der Hand eines am 15. Oktober erstatteten Berichts über den Abgang von Samarin und Schtscherbatow kurz skizziert wird, mag daher auch jetzt noch Interesse beanspruchen. Samarins Abgang stand im Grunde genommen außerhalb der Ereignisse. Ihm lag eine Frage der kirchlichen Disziplin zu Grunde, die mit den großen inneren politischen Kämpfen an sich nichts zu tun hatte. Sie wurde aber bis Grenzboten IV 1916 9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/141>, abgerufen am 22.07.2024.