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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Belgrad, (Lzernorvitz, Lemberg
Deutschvölkische Lrinnerungen und Anregungen
Dr. Raimund Friedrich liaindl von

nsere Kämpfe im Südosten und im Osten haben unseren Blick
wieder auf diese Gebiete gelenkt. Um Belgrad in Serbien, um
Czernowitz in der Bukowina und um Lemberg in Galizien branden
des Krieges Wogen. Oster als sonst werden diese Hauptstädte
genannt, ein allgemeines Interesse hat sich ihnen zugewandt.

Wir Deutsche haben aber ganz besonderen Grund unser Augenmerk dem
Schicksal dieser Orte zuzuwenden. Freilich weiß man es kaum in der breiten
Öffentlichkeit, daß die genannten Städte in der Geschichte der deutschen An-
siedlungen eine hervorragende Rolle spielen, daß sie mit den Schicksalen der
Deutschen in: Osten eng zusammenhängen, Stützpunkte des Deutschtums waren
und zum Teil noch sind. Aus diese wenig bekannten Tatsachen sollen die
folgenden Blätter kurz hinweisen.

Von Belgrad ist den meisten Gebildeten nur bekannt, daß sich Ungarn
Serben und Türken um den Besitz der Stadt herumschlugen; auch hat das jetzt
zu neuem Leben erwachte Volkslied die Erinnerung an die Eroberung Belgrads
durch Prinz Eugen erweckt (1717). Wer weiß aber etwas davon, daß diese
Eroberung Belgrads zur Begründung einer stattlichen deutschen Ansiedlung
geführt hatte, die diesem Orte geradezu den Charakter einer "Deutschenstadt"
aufgeprägt hat*)?

Im ersten Türkenkriege Karls des Vierten war nicht nur Belgrad, sondern
auch das benachbarte nördlich der Donau gelegene Temesvarer Banat erobert
worden. Zur Sicherung des Besitzes wurde uach der damals feststehenden
gesunden Politik sofort zur deutschen Ansiedlung geschritten. An deutschen Hand¬
werkern und Kaufleuten fehlte es nicht, weil schon nach der Wiedereroberung
Ofens durch die deutschen Heere (1686) viele Deutsche nach Ungarn kamen.
Wie in Temesvar so siedelten sich Deutsche auch in Belgrad schon deshalb gern



*) übrigens bestanden deutsche Bergwerkskolonien schon im Mittelalter in Serbien.


Belgrad, (Lzernorvitz, Lemberg
Deutschvölkische Lrinnerungen und Anregungen
Dr. Raimund Friedrich liaindl von

nsere Kämpfe im Südosten und im Osten haben unseren Blick
wieder auf diese Gebiete gelenkt. Um Belgrad in Serbien, um
Czernowitz in der Bukowina und um Lemberg in Galizien branden
des Krieges Wogen. Oster als sonst werden diese Hauptstädte
genannt, ein allgemeines Interesse hat sich ihnen zugewandt.

Wir Deutsche haben aber ganz besonderen Grund unser Augenmerk dem
Schicksal dieser Orte zuzuwenden. Freilich weiß man es kaum in der breiten
Öffentlichkeit, daß die genannten Städte in der Geschichte der deutschen An-
siedlungen eine hervorragende Rolle spielen, daß sie mit den Schicksalen der
Deutschen in: Osten eng zusammenhängen, Stützpunkte des Deutschtums waren
und zum Teil noch sind. Aus diese wenig bekannten Tatsachen sollen die
folgenden Blätter kurz hinweisen.

Von Belgrad ist den meisten Gebildeten nur bekannt, daß sich Ungarn
Serben und Türken um den Besitz der Stadt herumschlugen; auch hat das jetzt
zu neuem Leben erwachte Volkslied die Erinnerung an die Eroberung Belgrads
durch Prinz Eugen erweckt (1717). Wer weiß aber etwas davon, daß diese
Eroberung Belgrads zur Begründung einer stattlichen deutschen Ansiedlung
geführt hatte, die diesem Orte geradezu den Charakter einer „Deutschenstadt"
aufgeprägt hat*)?

Im ersten Türkenkriege Karls des Vierten war nicht nur Belgrad, sondern
auch das benachbarte nördlich der Donau gelegene Temesvarer Banat erobert
worden. Zur Sicherung des Besitzes wurde uach der damals feststehenden
gesunden Politik sofort zur deutschen Ansiedlung geschritten. An deutschen Hand¬
werkern und Kaufleuten fehlte es nicht, weil schon nach der Wiedereroberung
Ofens durch die deutschen Heere (1686) viele Deutsche nach Ungarn kamen.
Wie in Temesvar so siedelten sich Deutsche auch in Belgrad schon deshalb gern



*) übrigens bestanden deutsche Bergwerkskolonien schon im Mittelalter in Serbien.
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[0281] [Abbildung] Belgrad, (Lzernorvitz, Lemberg Deutschvölkische Lrinnerungen und Anregungen Dr. Raimund Friedrich liaindl von nsere Kämpfe im Südosten und im Osten haben unseren Blick wieder auf diese Gebiete gelenkt. Um Belgrad in Serbien, um Czernowitz in der Bukowina und um Lemberg in Galizien branden des Krieges Wogen. Oster als sonst werden diese Hauptstädte genannt, ein allgemeines Interesse hat sich ihnen zugewandt. Wir Deutsche haben aber ganz besonderen Grund unser Augenmerk dem Schicksal dieser Orte zuzuwenden. Freilich weiß man es kaum in der breiten Öffentlichkeit, daß die genannten Städte in der Geschichte der deutschen An- siedlungen eine hervorragende Rolle spielen, daß sie mit den Schicksalen der Deutschen in: Osten eng zusammenhängen, Stützpunkte des Deutschtums waren und zum Teil noch sind. Aus diese wenig bekannten Tatsachen sollen die folgenden Blätter kurz hinweisen. Von Belgrad ist den meisten Gebildeten nur bekannt, daß sich Ungarn Serben und Türken um den Besitz der Stadt herumschlugen; auch hat das jetzt zu neuem Leben erwachte Volkslied die Erinnerung an die Eroberung Belgrads durch Prinz Eugen erweckt (1717). Wer weiß aber etwas davon, daß diese Eroberung Belgrads zur Begründung einer stattlichen deutschen Ansiedlung geführt hatte, die diesem Orte geradezu den Charakter einer „Deutschenstadt" aufgeprägt hat*)? Im ersten Türkenkriege Karls des Vierten war nicht nur Belgrad, sondern auch das benachbarte nördlich der Donau gelegene Temesvarer Banat erobert worden. Zur Sicherung des Besitzes wurde uach der damals feststehenden gesunden Politik sofort zur deutschen Ansiedlung geschritten. An deutschen Hand¬ werkern und Kaufleuten fehlte es nicht, weil schon nach der Wiedereroberung Ofens durch die deutschen Heere (1686) viele Deutsche nach Ungarn kamen. Wie in Temesvar so siedelten sich Deutsche auch in Belgrad schon deshalb gern *) übrigens bestanden deutsche Bergwerkskolonien schon im Mittelalter in Serbien.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/281>, abgerufen am 03.07.2024.