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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Weltwirtschaft und Weltkrieg
Gedanken über die Ursache des großen Krieges
Dr. zur. Richard Strahl von

<z>
MWuser Zeitalter stand, wenn man einen vorwiegenden Charakterzug
zur Kennzeichnung einer ganzen Epoche wählen darf, im Zeichen
der wirtschaftlichen Entwicklung.

So wie das Streben nach wirtschaftlichem Fortschritt dem
Ideenkreis der großen Mehrzahl der einzelnen Staatsbürger und
den wirtschaftlichen Strömungen der Parteiungen innerhalb der Länder die
vorzugsweise Prägung gab. so spielten wirtschaftliche Ziele auch in der äußeren
Politik der europäischen Großstaaten die maßgebende Rolle.

Man hat viel über die damit verbundene Materialisierung unserer Epoche
des niedergehenden Idealismus in Politik und Völkerleben geredet und geschrieben.
Aber ein Gutes hat man dabei immer wieder -- gewissermaßen zur Versöhnung
-- hervorgehoben: die naturgemäße Kriegsfeindlichkeit einer Geschichtsperiode,
deren Streben hauptsächlich wirtschaftlicher Art war.

Wie Ruhe und Frieden für das ungestörte ökonomische Fortschreiten inner¬
halb der einzelnen Nationen eine Notwendigkeit waren, deren Wert man in d^r
langen Friedenszeit schätzen gelernt hatte, so führte die Weltwirtschaft, das
Merkmal unserer Zeit, zu einer wachsenden Solidarität der Interessen unter den
großen Kultur- und Handelsstaaten: waren doch gerade die Völker, von deren
Entschlüssen das Schicksal der Welt abhing, bald als Versorger, bald als
Abnehmer für tausend industrielle und Rohprodukte, für die Mitbenutzung von
Handels- und Verkehrswegen, ja für die Beschaffung des täglichen Brote?, eines
auf das andere, auf Frieden, Freundschaft und gemeinsame Arbeit angewiesen.

Selbst die ungeheueren militärischen Rüstungen der einzelnen Staaten
konnten eher als eine Art Versicherung gegen den Krieg als ein Ansporn
zur Feindseligkeit gelten. Droste doch im Falle des Krieges eine derartige


Grenzboten IV 1S14 7


Weltwirtschaft und Weltkrieg
Gedanken über die Ursache des großen Krieges
Dr. zur. Richard Strahl von

<z>
MWuser Zeitalter stand, wenn man einen vorwiegenden Charakterzug
zur Kennzeichnung einer ganzen Epoche wählen darf, im Zeichen
der wirtschaftlichen Entwicklung.

So wie das Streben nach wirtschaftlichem Fortschritt dem
Ideenkreis der großen Mehrzahl der einzelnen Staatsbürger und
den wirtschaftlichen Strömungen der Parteiungen innerhalb der Länder die
vorzugsweise Prägung gab. so spielten wirtschaftliche Ziele auch in der äußeren
Politik der europäischen Großstaaten die maßgebende Rolle.

Man hat viel über die damit verbundene Materialisierung unserer Epoche
des niedergehenden Idealismus in Politik und Völkerleben geredet und geschrieben.
Aber ein Gutes hat man dabei immer wieder — gewissermaßen zur Versöhnung
— hervorgehoben: die naturgemäße Kriegsfeindlichkeit einer Geschichtsperiode,
deren Streben hauptsächlich wirtschaftlicher Art war.

Wie Ruhe und Frieden für das ungestörte ökonomische Fortschreiten inner¬
halb der einzelnen Nationen eine Notwendigkeit waren, deren Wert man in d^r
langen Friedenszeit schätzen gelernt hatte, so führte die Weltwirtschaft, das
Merkmal unserer Zeit, zu einer wachsenden Solidarität der Interessen unter den
großen Kultur- und Handelsstaaten: waren doch gerade die Völker, von deren
Entschlüssen das Schicksal der Welt abhing, bald als Versorger, bald als
Abnehmer für tausend industrielle und Rohprodukte, für die Mitbenutzung von
Handels- und Verkehrswegen, ja für die Beschaffung des täglichen Brote?, eines
auf das andere, auf Frieden, Freundschaft und gemeinsame Arbeit angewiesen.

Selbst die ungeheueren militärischen Rüstungen der einzelnen Staaten
konnten eher als eine Art Versicherung gegen den Krieg als ein Ansporn
zur Feindseligkeit gelten. Droste doch im Falle des Krieges eine derartige


Grenzboten IV 1S14 7
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[0109] [Abbildung] Weltwirtschaft und Weltkrieg Gedanken über die Ursache des großen Krieges Dr. zur. Richard Strahl von <z> MWuser Zeitalter stand, wenn man einen vorwiegenden Charakterzug zur Kennzeichnung einer ganzen Epoche wählen darf, im Zeichen der wirtschaftlichen Entwicklung. So wie das Streben nach wirtschaftlichem Fortschritt dem Ideenkreis der großen Mehrzahl der einzelnen Staatsbürger und den wirtschaftlichen Strömungen der Parteiungen innerhalb der Länder die vorzugsweise Prägung gab. so spielten wirtschaftliche Ziele auch in der äußeren Politik der europäischen Großstaaten die maßgebende Rolle. Man hat viel über die damit verbundene Materialisierung unserer Epoche des niedergehenden Idealismus in Politik und Völkerleben geredet und geschrieben. Aber ein Gutes hat man dabei immer wieder — gewissermaßen zur Versöhnung — hervorgehoben: die naturgemäße Kriegsfeindlichkeit einer Geschichtsperiode, deren Streben hauptsächlich wirtschaftlicher Art war. Wie Ruhe und Frieden für das ungestörte ökonomische Fortschreiten inner¬ halb der einzelnen Nationen eine Notwendigkeit waren, deren Wert man in d^r langen Friedenszeit schätzen gelernt hatte, so führte die Weltwirtschaft, das Merkmal unserer Zeit, zu einer wachsenden Solidarität der Interessen unter den großen Kultur- und Handelsstaaten: waren doch gerade die Völker, von deren Entschlüssen das Schicksal der Welt abhing, bald als Versorger, bald als Abnehmer für tausend industrielle und Rohprodukte, für die Mitbenutzung von Handels- und Verkehrswegen, ja für die Beschaffung des täglichen Brote?, eines auf das andere, auf Frieden, Freundschaft und gemeinsame Arbeit angewiesen. Selbst die ungeheueren militärischen Rüstungen der einzelnen Staaten konnten eher als eine Art Versicherung gegen den Krieg als ein Ansporn zur Feindseligkeit gelten. Droste doch im Falle des Krieges eine derartige Grenzboten IV 1S14 7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/109>, abgerufen am 27.06.2024.