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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Erinnerungen und Hinweise

Erinnerungen und Hinweise

[Beginn Spaltensatz]
Bunsen und Göschen.

Der zivilistische
Literntursreund, der jetzt, wo die Kanonen
das Wort ergriffen haben, von solchen Dingen
wie "Kultur" zu reden anfängt, tut sicher
etwas Zweckloses. Man möge ihm verzeihen;
denn allzu groß ist für jeden, dem Deutsch¬
lands und Europas geistige Güter an, Herzen
liegen, der Schmerz und der Zorn über die
Tatsache nicht, daß Frankreich und Rußland
als Feinde alles deutschen Wesens auftreten
^ darin liegt, wenn man will, etwas wie
historische Logik --, nein, daß England ihnen
die Hand reicht. Daß England kein Kultur-
gewissen bekundet hat, das ist die eigentliche
Sünde, die an uns und an Europa begangen
wird. Heinrich Heine, der scharfe Augen
hatte, wo er haßte, hat die Engländer Wohl
recht erkannt, wenn er sie immer wieder und
wieder als ein Volk von Krämern malte,
und ganz ins Schwarze hat er getroffen, als
"r meinte, daß es nichts Ungemütlicheres
gäbe, als ein Volk von Krämern, wenn man
ihn, seine Kunden nimmt. Der deutsche
Kaufmann hat dem englischen viele Kunden
genommen -- und nun waren einzig sehr
Platte Krämeranschauungen für Englands
Haltung maßgebend. Alle feineren Erwä¬
gungen versanken in einen Abgrund. Ver¬
sunken das Bewußtsein der gemeinsamen
protestantisch - germanischen Grundlage beider
Länder, versunken das Gefühl des Gegensatzes
zwischen dem englischen Rechts- und Freiheits¬
staate und der absolutistischen Anarchie Ru߬
lands. Versunken Shakespeare, der mindestens
so sehr deutscher Klassiker ist wie englischer,
dessen Erforschung sich eine deutsche Shakc-
spenregesellschaft ebenso widmet wie eine
englische. Versunken Goethe. Lord Byron
hat ihm begeistert als seinem "Lehensherrn"
gehuldigt, Thomas Carlyle, der Biograph
Schillers und Friedrichs des Großen, ist sein
stürmischer Apostel gewesen, Lewes hat sein
Leben beschrieben und ist jahrzehntelang in
Deutschland gelesen worden, bis ihn Houston
Stewart Chamberlain vor zweiJahren ablöste,
jener in Frankreich erzogene Engländer, der die
Genieinsamkeit und den Adel alles Ger¬

[Spaltenumbruch]

manentums gar so sehr betont -- man kann
eS ihm nachfühlen, denn der Brite gewinnt
dabei, was der Deutsche verliert.... Was
Kulturgewissen I Was Shakespeare! Was
Goethe! Literatengeschwätz. ... Es gibt ein¬
fach zuviel Waren ,Maäe in Qermsn^".

Aber hübsch ist es doch, wenn man sich
zwei Tatsachen vergegenwärtigt, die in diesem
Zusammenhange eine stille Beredsamkeit
haben, zu still, um von den Ohren feilschen¬
der Krämer vernommen zu werden. Der
englische Botschafter in Wien, der die Kriegs¬
erklärung überreichte, hört auf den Namen
Bunsen. Wenn mich nicht alles täuscht, ist
er ein Nachkomme des großen Chemikers
Robert Wilhelm Bunsen, der mit Kirchhofs
zusammen eine der größten Entdeckungen
aller Zeiten machte, die der Spektralanalyse,
und so in den üppigen Ruhmeskranz deutscher
Wissenschaft eines der schönsten Lorbeerreiser
flocht. Der englische Botschafter in Berlin
aber ist gar der Urenkel eines Mannes, der
mit Goethes und Schillers Namen untrenn¬
bar verknüpft ist: Georg Joachim Göschen.
Er hat Schillers Jugenddichtungen verlegt,
bei ihm erschienen die ersten Gesamtausgaben
von Goethes, Wielands und Klopstocks
Werken, er hat den "Tasso" zum ersten Male
gedruckt. In der Familie hält man das
Andenken des Ahnherrn hoch: Es gibt ein
Werk "Like suo times ok 0. ^. Qösetien-,
London 1903. Die deutsche Übersetzung er¬
schien 190S in Leipzig Der Verfasser ist --
ein Viscount Goschen. Derselbe Herr, der
in Berlin die Kriegserklärung überreicht hat.
Die Weltgeschichte macht doch immer die
Dr. Franz Teppmann besten Witze. ...

Die Ursache des Krieges.

Man kann
kaum bezweifeln, daß England das Feuer
angelegt hat, das jetzt die Welt in Flammen
setzt. Darum ist Rußland aber nicht un¬
schuldig an der Brandstiftung.

Schon vor fünfundzwanzig Jahren schrieb
Gustav Freytag, der frühere Herausgeber der
Grenzboten, am 10. Juli 1389 an seine
spätere Gattin:

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Bunsen und Göschen.

Der zivilistische
Literntursreund, der jetzt, wo die Kanonen
das Wort ergriffen haben, von solchen Dingen
wie „Kultur" zu reden anfängt, tut sicher
etwas Zweckloses. Man möge ihm verzeihen;
denn allzu groß ist für jeden, dem Deutsch¬
lands und Europas geistige Güter an, Herzen
liegen, der Schmerz und der Zorn über die
Tatsache nicht, daß Frankreich und Rußland
als Feinde alles deutschen Wesens auftreten
^ darin liegt, wenn man will, etwas wie
historische Logik —, nein, daß England ihnen
die Hand reicht. Daß England kein Kultur-
gewissen bekundet hat, das ist die eigentliche
Sünde, die an uns und an Europa begangen
wird. Heinrich Heine, der scharfe Augen
hatte, wo er haßte, hat die Engländer Wohl
recht erkannt, wenn er sie immer wieder und
wieder als ein Volk von Krämern malte,
und ganz ins Schwarze hat er getroffen, als
«r meinte, daß es nichts Ungemütlicheres
gäbe, als ein Volk von Krämern, wenn man
ihn, seine Kunden nimmt. Der deutsche
Kaufmann hat dem englischen viele Kunden
genommen — und nun waren einzig sehr
Platte Krämeranschauungen für Englands
Haltung maßgebend. Alle feineren Erwä¬
gungen versanken in einen Abgrund. Ver¬
sunken das Bewußtsein der gemeinsamen
protestantisch - germanischen Grundlage beider
Länder, versunken das Gefühl des Gegensatzes
zwischen dem englischen Rechts- und Freiheits¬
staate und der absolutistischen Anarchie Ru߬
lands. Versunken Shakespeare, der mindestens
so sehr deutscher Klassiker ist wie englischer,
dessen Erforschung sich eine deutsche Shakc-
spenregesellschaft ebenso widmet wie eine
englische. Versunken Goethe. Lord Byron
hat ihm begeistert als seinem „Lehensherrn"
gehuldigt, Thomas Carlyle, der Biograph
Schillers und Friedrichs des Großen, ist sein
stürmischer Apostel gewesen, Lewes hat sein
Leben beschrieben und ist jahrzehntelang in
Deutschland gelesen worden, bis ihn Houston
Stewart Chamberlain vor zweiJahren ablöste,
jener in Frankreich erzogene Engländer, der die
Genieinsamkeit und den Adel alles Ger¬

[Spaltenumbruch]

manentums gar so sehr betont — man kann
eS ihm nachfühlen, denn der Brite gewinnt
dabei, was der Deutsche verliert.... Was
Kulturgewissen I Was Shakespeare! Was
Goethe! Literatengeschwätz. ... Es gibt ein¬
fach zuviel Waren ,Maäe in Qermsn^".

Aber hübsch ist es doch, wenn man sich
zwei Tatsachen vergegenwärtigt, die in diesem
Zusammenhange eine stille Beredsamkeit
haben, zu still, um von den Ohren feilschen¬
der Krämer vernommen zu werden. Der
englische Botschafter in Wien, der die Kriegs¬
erklärung überreichte, hört auf den Namen
Bunsen. Wenn mich nicht alles täuscht, ist
er ein Nachkomme des großen Chemikers
Robert Wilhelm Bunsen, der mit Kirchhofs
zusammen eine der größten Entdeckungen
aller Zeiten machte, die der Spektralanalyse,
und so in den üppigen Ruhmeskranz deutscher
Wissenschaft eines der schönsten Lorbeerreiser
flocht. Der englische Botschafter in Berlin
aber ist gar der Urenkel eines Mannes, der
mit Goethes und Schillers Namen untrenn¬
bar verknüpft ist: Georg Joachim Göschen.
Er hat Schillers Jugenddichtungen verlegt,
bei ihm erschienen die ersten Gesamtausgaben
von Goethes, Wielands und Klopstocks
Werken, er hat den „Tasso" zum ersten Male
gedruckt. In der Familie hält man das
Andenken des Ahnherrn hoch: Es gibt ein
Werk „Like suo times ok 0. ^. Qösetien-,
London 1903. Die deutsche Übersetzung er¬
schien 190S in Leipzig Der Verfasser ist —
ein Viscount Goschen. Derselbe Herr, der
in Berlin die Kriegserklärung überreicht hat.
Die Weltgeschichte macht doch immer die
Dr. Franz Teppmann besten Witze. ...

Die Ursache des Krieges.

Man kann
kaum bezweifeln, daß England das Feuer
angelegt hat, das jetzt die Welt in Flammen
setzt. Darum ist Rußland aber nicht un¬
schuldig an der Brandstiftung.

Schon vor fünfundzwanzig Jahren schrieb
Gustav Freytag, der frühere Herausgeber der
Grenzboten, am 10. Juli 1389 an seine
spätere Gattin:

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[0423] Erinnerungen und Hinweise Erinnerungen und Hinweise Bunsen und Göschen. Der zivilistische Literntursreund, der jetzt, wo die Kanonen das Wort ergriffen haben, von solchen Dingen wie „Kultur" zu reden anfängt, tut sicher etwas Zweckloses. Man möge ihm verzeihen; denn allzu groß ist für jeden, dem Deutsch¬ lands und Europas geistige Güter an, Herzen liegen, der Schmerz und der Zorn über die Tatsache nicht, daß Frankreich und Rußland als Feinde alles deutschen Wesens auftreten ^ darin liegt, wenn man will, etwas wie historische Logik —, nein, daß England ihnen die Hand reicht. Daß England kein Kultur- gewissen bekundet hat, das ist die eigentliche Sünde, die an uns und an Europa begangen wird. Heinrich Heine, der scharfe Augen hatte, wo er haßte, hat die Engländer Wohl recht erkannt, wenn er sie immer wieder und wieder als ein Volk von Krämern malte, und ganz ins Schwarze hat er getroffen, als «r meinte, daß es nichts Ungemütlicheres gäbe, als ein Volk von Krämern, wenn man ihn, seine Kunden nimmt. Der deutsche Kaufmann hat dem englischen viele Kunden genommen — und nun waren einzig sehr Platte Krämeranschauungen für Englands Haltung maßgebend. Alle feineren Erwä¬ gungen versanken in einen Abgrund. Ver¬ sunken das Bewußtsein der gemeinsamen protestantisch - germanischen Grundlage beider Länder, versunken das Gefühl des Gegensatzes zwischen dem englischen Rechts- und Freiheits¬ staate und der absolutistischen Anarchie Ru߬ lands. Versunken Shakespeare, der mindestens so sehr deutscher Klassiker ist wie englischer, dessen Erforschung sich eine deutsche Shakc- spenregesellschaft ebenso widmet wie eine englische. Versunken Goethe. Lord Byron hat ihm begeistert als seinem „Lehensherrn" gehuldigt, Thomas Carlyle, der Biograph Schillers und Friedrichs des Großen, ist sein stürmischer Apostel gewesen, Lewes hat sein Leben beschrieben und ist jahrzehntelang in Deutschland gelesen worden, bis ihn Houston Stewart Chamberlain vor zweiJahren ablöste, jener in Frankreich erzogene Engländer, der die Genieinsamkeit und den Adel alles Ger¬ manentums gar so sehr betont — man kann eS ihm nachfühlen, denn der Brite gewinnt dabei, was der Deutsche verliert.... Was Kulturgewissen I Was Shakespeare! Was Goethe! Literatengeschwätz. ... Es gibt ein¬ fach zuviel Waren ,Maäe in Qermsn^". Aber hübsch ist es doch, wenn man sich zwei Tatsachen vergegenwärtigt, die in diesem Zusammenhange eine stille Beredsamkeit haben, zu still, um von den Ohren feilschen¬ der Krämer vernommen zu werden. Der englische Botschafter in Wien, der die Kriegs¬ erklärung überreichte, hört auf den Namen Bunsen. Wenn mich nicht alles täuscht, ist er ein Nachkomme des großen Chemikers Robert Wilhelm Bunsen, der mit Kirchhofs zusammen eine der größten Entdeckungen aller Zeiten machte, die der Spektralanalyse, und so in den üppigen Ruhmeskranz deutscher Wissenschaft eines der schönsten Lorbeerreiser flocht. Der englische Botschafter in Berlin aber ist gar der Urenkel eines Mannes, der mit Goethes und Schillers Namen untrenn¬ bar verknüpft ist: Georg Joachim Göschen. Er hat Schillers Jugenddichtungen verlegt, bei ihm erschienen die ersten Gesamtausgaben von Goethes, Wielands und Klopstocks Werken, er hat den „Tasso" zum ersten Male gedruckt. In der Familie hält man das Andenken des Ahnherrn hoch: Es gibt ein Werk „Like suo times ok 0. ^. Qösetien-, London 1903. Die deutsche Übersetzung er¬ schien 190S in Leipzig Der Verfasser ist — ein Viscount Goschen. Derselbe Herr, der in Berlin die Kriegserklärung überreicht hat. Die Weltgeschichte macht doch immer die Dr. Franz Teppmann besten Witze. ... Die Ursache des Krieges. Man kann kaum bezweifeln, daß England das Feuer angelegt hat, das jetzt die Welt in Flammen setzt. Darum ist Rußland aber nicht un¬ schuldig an der Brandstiftung. Schon vor fünfundzwanzig Jahren schrieb Gustav Freytag, der frühere Herausgeber der Grenzboten, am 10. Juli 1389 an seine spätere Gattin:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/423>, abgerufen am 13.11.2024.