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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Englands Dichter und der Arieg
von Beda prilipp

le Kundgebung der englischen Gelehrten, die im Namen der
Zivilisation dagegen protestierten, daß ihr Land seine Kraft in
den Dienst einer ungerechten Sache stelle, repräsentiert eine
Stimmung, die dem Kenner der englischen Literatur nicht fremd
ist. Gerade in den letzten Jahren, wo eine größere Anzahl be¬
deutender Persönlichkeiten über dem einförmig grauen und etwas langweiligen
Himmel der britischen Dichtung aufgestiegen ist, mehrten sich in ihren Reihen
die mißbilligenden Äußerungen über die Negierungspolitik, deren Folgen sich in
dem heutigen Völkerkrieg enthüllen. Auf dem tiefsten Grunde solcher Gegner¬
schuft ruht die Sorge, England möchte in seinem gewagten Spiel um die
Suprematie materiell und ideell die hohe Stellung einbüßen, die man ihm seit
Jahrhunderten unangetastet im Reigen Europas ließ.

Je nach Temperament und Gedankenwelt des Einzelnen findet diese
Besorgnis mannigfaltigen Ausdruck, am prägnantesten natürlich bei den Dichtern
und Schriftstellern, die England als Volk, als große Kultureinheit des Nordens
in den Mittelpunkt ihres Schaffens stellen und über seine Mission in der
Geschichte der Menschheit mit den übrigen Völkern abzurechnen versuchen.
Häufig begegnen wir da dem Vorwurf der politischen Unaufrichtigkeit, dem
Hinweis auf die unausbleiblichen Folgen. So unterscheidet der Reaktionär
G. K. Chesterton "drei Stufen im Leben eines starken Volkes. Anfangs kämpft
es als Keine Macht mit kleinen Mächten. Sodann wird es Großmacht und
bekämpft Großmächte. Dann ist es Großmacht und kämpft mit kleinen Mächten,
gibt sie aber für Großmächte aus. um die Asche seiner ehemaligen Begeisterung
und Ruhmsucht zu entzünden. Der nächste Schritt führt es selbst wieder auf
die Stufe der Kleinmacht zurück und dieses Symptom der Dekadenz zeigte sich
bei England übel genug in seinem Kriege gegen Transvaal. . . ."

Noch ist es nicht an der Zeit, die kritische Stellung des Imperialisten
Kipling unter die Lupe zu nehmen. Sein Haß gegen uns hat zweifellos in der
ersten Zeit viel dazu beigetragen, die Spannung zwischen den stammverwandten




Englands Dichter und der Arieg
von Beda prilipp

le Kundgebung der englischen Gelehrten, die im Namen der
Zivilisation dagegen protestierten, daß ihr Land seine Kraft in
den Dienst einer ungerechten Sache stelle, repräsentiert eine
Stimmung, die dem Kenner der englischen Literatur nicht fremd
ist. Gerade in den letzten Jahren, wo eine größere Anzahl be¬
deutender Persönlichkeiten über dem einförmig grauen und etwas langweiligen
Himmel der britischen Dichtung aufgestiegen ist, mehrten sich in ihren Reihen
die mißbilligenden Äußerungen über die Negierungspolitik, deren Folgen sich in
dem heutigen Völkerkrieg enthüllen. Auf dem tiefsten Grunde solcher Gegner¬
schuft ruht die Sorge, England möchte in seinem gewagten Spiel um die
Suprematie materiell und ideell die hohe Stellung einbüßen, die man ihm seit
Jahrhunderten unangetastet im Reigen Europas ließ.

Je nach Temperament und Gedankenwelt des Einzelnen findet diese
Besorgnis mannigfaltigen Ausdruck, am prägnantesten natürlich bei den Dichtern
und Schriftstellern, die England als Volk, als große Kultureinheit des Nordens
in den Mittelpunkt ihres Schaffens stellen und über seine Mission in der
Geschichte der Menschheit mit den übrigen Völkern abzurechnen versuchen.
Häufig begegnen wir da dem Vorwurf der politischen Unaufrichtigkeit, dem
Hinweis auf die unausbleiblichen Folgen. So unterscheidet der Reaktionär
G. K. Chesterton „drei Stufen im Leben eines starken Volkes. Anfangs kämpft
es als Keine Macht mit kleinen Mächten. Sodann wird es Großmacht und
bekämpft Großmächte. Dann ist es Großmacht und kämpft mit kleinen Mächten,
gibt sie aber für Großmächte aus. um die Asche seiner ehemaligen Begeisterung
und Ruhmsucht zu entzünden. Der nächste Schritt führt es selbst wieder auf
die Stufe der Kleinmacht zurück und dieses Symptom der Dekadenz zeigte sich
bei England übel genug in seinem Kriege gegen Transvaal. . . ."

Noch ist es nicht an der Zeit, die kritische Stellung des Imperialisten
Kipling unter die Lupe zu nehmen. Sein Haß gegen uns hat zweifellos in der
ersten Zeit viel dazu beigetragen, die Spannung zwischen den stammverwandten


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[0381] [Abbildung] Englands Dichter und der Arieg von Beda prilipp le Kundgebung der englischen Gelehrten, die im Namen der Zivilisation dagegen protestierten, daß ihr Land seine Kraft in den Dienst einer ungerechten Sache stelle, repräsentiert eine Stimmung, die dem Kenner der englischen Literatur nicht fremd ist. Gerade in den letzten Jahren, wo eine größere Anzahl be¬ deutender Persönlichkeiten über dem einförmig grauen und etwas langweiligen Himmel der britischen Dichtung aufgestiegen ist, mehrten sich in ihren Reihen die mißbilligenden Äußerungen über die Negierungspolitik, deren Folgen sich in dem heutigen Völkerkrieg enthüllen. Auf dem tiefsten Grunde solcher Gegner¬ schuft ruht die Sorge, England möchte in seinem gewagten Spiel um die Suprematie materiell und ideell die hohe Stellung einbüßen, die man ihm seit Jahrhunderten unangetastet im Reigen Europas ließ. Je nach Temperament und Gedankenwelt des Einzelnen findet diese Besorgnis mannigfaltigen Ausdruck, am prägnantesten natürlich bei den Dichtern und Schriftstellern, die England als Volk, als große Kultureinheit des Nordens in den Mittelpunkt ihres Schaffens stellen und über seine Mission in der Geschichte der Menschheit mit den übrigen Völkern abzurechnen versuchen. Häufig begegnen wir da dem Vorwurf der politischen Unaufrichtigkeit, dem Hinweis auf die unausbleiblichen Folgen. So unterscheidet der Reaktionär G. K. Chesterton „drei Stufen im Leben eines starken Volkes. Anfangs kämpft es als Keine Macht mit kleinen Mächten. Sodann wird es Großmacht und bekämpft Großmächte. Dann ist es Großmacht und kämpft mit kleinen Mächten, gibt sie aber für Großmächte aus. um die Asche seiner ehemaligen Begeisterung und Ruhmsucht zu entzünden. Der nächste Schritt führt es selbst wieder auf die Stufe der Kleinmacht zurück und dieses Symptom der Dekadenz zeigte sich bei England übel genug in seinem Kriege gegen Transvaal. . . ." Noch ist es nicht an der Zeit, die kritische Stellung des Imperialisten Kipling unter die Lupe zu nehmen. Sein Haß gegen uns hat zweifellos in der ersten Zeit viel dazu beigetragen, die Spannung zwischen den stammverwandten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/381>, abgerufen am 13.11.2024.