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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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(Österreich-Ungarn -- Runiänie" -- Rußland

Hefte schon, wie parallel dazu die Mobilmachung der französischen und eng¬
lischen Diplomatie ging. War der Krieg auch nicht Ziel dieser Arbeit, so war
er doch als Mittel, die russischen Absichten durchzusetzen ins Auge gefaßt. Aus
dem österreichischen Memorandum über die großserbische Propaganda ist es be¬
kannt, wie diese im letzten Halbjahr vor Ausbruch des Krieges zugenommen
hatte; die Bemühungen Rußlands um Rumänien, die russisch-rumänischen Heirats¬
pläne sind bekannt. So darf man als gewissenhafter Historiker dieser Zeit auch
ohne eine nähere Kenntnis der Akten zu besitzen als Tatsache aussprechen, daß die
russische Diplomatie es als ihre spezielle Aufgabe betrachtete, Österreich zu isolieren
um es dann womöglich mit Serbiens, Rumäniens und sonstiger Hilfe isoliert
zu überfallen. Frankreich hätte man wahrscheinlich dem deutschen Schwert preis¬
gegeben, wenn es nach der erfolgten Änderung in den politischen Beziehungen
der Großmächte überhaupt noch als durch Deutschland bedroht angesehen werden
konnte.




Österreich - Ungarn -- Rumänien -- Rußland
von Lutz Korodi

! och vor etwa sechs Wochen war in Ungarn ein Gesetzentwurf über
die Reform der Verwaltung das die Geister heftigst erregende
Ereignis des Tages, ein Entwurf, den die Regierung in Pest
um jeden Preis noch vor den Sommerferien unter Dach bringen
wollte und der in mancherlei Hinsicht sehr unerfreuliche Wirkungen
auf die ganze österreich-ungarische Monarchie ausgeübt hätte. Die Magyaren
selbst sind heute gewiß von Herzen froh, daß der plötzliche Eintritt welt¬
geschichtlicher Ereignisse sie davor bewahrt hat, unmittelbar vor dem Ausbruch
des Krieges, der allenthalben im Lande doch für die nächste Zeit bestimmt
erwartet wurde, eiuen schrillen Mißton in das Konzert der Völker Habsburgs
hineinzubringen. Es kann gar nicht anders sein, als daß jener Gesetzentwurf,
über den sich die Gemüter aller Landesbürger, auch magyarischer, schon geraume
Zeit so stark ereifert hatten, mitsamt vielem, vielem anderen, was diese Bürger
zwieträchtig gemacht, ein für allemal begraben werden wird. Wenn irgendwo
in Europa, so ist für Ungarn dieser Krieg ein Glück gewesen; endigt er gut,
woran auch das Habsburger Reich zu zweifeln keine Ursache hat, so ist damit
nach menschlichem Ermessen für den Doppelstaat dies- und jenseits der Leitha
mit einem Schlage der innere Friede gewonnen. Vorausgesetzt natürlich, daß


(Österreich-Ungarn — Runiänie» — Rußland

Hefte schon, wie parallel dazu die Mobilmachung der französischen und eng¬
lischen Diplomatie ging. War der Krieg auch nicht Ziel dieser Arbeit, so war
er doch als Mittel, die russischen Absichten durchzusetzen ins Auge gefaßt. Aus
dem österreichischen Memorandum über die großserbische Propaganda ist es be¬
kannt, wie diese im letzten Halbjahr vor Ausbruch des Krieges zugenommen
hatte; die Bemühungen Rußlands um Rumänien, die russisch-rumänischen Heirats¬
pläne sind bekannt. So darf man als gewissenhafter Historiker dieser Zeit auch
ohne eine nähere Kenntnis der Akten zu besitzen als Tatsache aussprechen, daß die
russische Diplomatie es als ihre spezielle Aufgabe betrachtete, Österreich zu isolieren
um es dann womöglich mit Serbiens, Rumäniens und sonstiger Hilfe isoliert
zu überfallen. Frankreich hätte man wahrscheinlich dem deutschen Schwert preis¬
gegeben, wenn es nach der erfolgten Änderung in den politischen Beziehungen
der Großmächte überhaupt noch als durch Deutschland bedroht angesehen werden
konnte.




Österreich - Ungarn — Rumänien — Rußland
von Lutz Korodi

! och vor etwa sechs Wochen war in Ungarn ein Gesetzentwurf über
die Reform der Verwaltung das die Geister heftigst erregende
Ereignis des Tages, ein Entwurf, den die Regierung in Pest
um jeden Preis noch vor den Sommerferien unter Dach bringen
wollte und der in mancherlei Hinsicht sehr unerfreuliche Wirkungen
auf die ganze österreich-ungarische Monarchie ausgeübt hätte. Die Magyaren
selbst sind heute gewiß von Herzen froh, daß der plötzliche Eintritt welt¬
geschichtlicher Ereignisse sie davor bewahrt hat, unmittelbar vor dem Ausbruch
des Krieges, der allenthalben im Lande doch für die nächste Zeit bestimmt
erwartet wurde, eiuen schrillen Mißton in das Konzert der Völker Habsburgs
hineinzubringen. Es kann gar nicht anders sein, als daß jener Gesetzentwurf,
über den sich die Gemüter aller Landesbürger, auch magyarischer, schon geraume
Zeit so stark ereifert hatten, mitsamt vielem, vielem anderen, was diese Bürger
zwieträchtig gemacht, ein für allemal begraben werden wird. Wenn irgendwo
in Europa, so ist für Ungarn dieser Krieg ein Glück gewesen; endigt er gut,
woran auch das Habsburger Reich zu zweifeln keine Ursache hat, so ist damit
nach menschlichem Ermessen für den Doppelstaat dies- und jenseits der Leitha
mit einem Schlage der innere Friede gewonnen. Vorausgesetzt natürlich, daß


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[0329] (Österreich-Ungarn — Runiänie» — Rußland Hefte schon, wie parallel dazu die Mobilmachung der französischen und eng¬ lischen Diplomatie ging. War der Krieg auch nicht Ziel dieser Arbeit, so war er doch als Mittel, die russischen Absichten durchzusetzen ins Auge gefaßt. Aus dem österreichischen Memorandum über die großserbische Propaganda ist es be¬ kannt, wie diese im letzten Halbjahr vor Ausbruch des Krieges zugenommen hatte; die Bemühungen Rußlands um Rumänien, die russisch-rumänischen Heirats¬ pläne sind bekannt. So darf man als gewissenhafter Historiker dieser Zeit auch ohne eine nähere Kenntnis der Akten zu besitzen als Tatsache aussprechen, daß die russische Diplomatie es als ihre spezielle Aufgabe betrachtete, Österreich zu isolieren um es dann womöglich mit Serbiens, Rumäniens und sonstiger Hilfe isoliert zu überfallen. Frankreich hätte man wahrscheinlich dem deutschen Schwert preis¬ gegeben, wenn es nach der erfolgten Änderung in den politischen Beziehungen der Großmächte überhaupt noch als durch Deutschland bedroht angesehen werden konnte. Österreich - Ungarn — Rumänien — Rußland von Lutz Korodi ! och vor etwa sechs Wochen war in Ungarn ein Gesetzentwurf über die Reform der Verwaltung das die Geister heftigst erregende Ereignis des Tages, ein Entwurf, den die Regierung in Pest um jeden Preis noch vor den Sommerferien unter Dach bringen wollte und der in mancherlei Hinsicht sehr unerfreuliche Wirkungen auf die ganze österreich-ungarische Monarchie ausgeübt hätte. Die Magyaren selbst sind heute gewiß von Herzen froh, daß der plötzliche Eintritt welt¬ geschichtlicher Ereignisse sie davor bewahrt hat, unmittelbar vor dem Ausbruch des Krieges, der allenthalben im Lande doch für die nächste Zeit bestimmt erwartet wurde, eiuen schrillen Mißton in das Konzert der Völker Habsburgs hineinzubringen. Es kann gar nicht anders sein, als daß jener Gesetzentwurf, über den sich die Gemüter aller Landesbürger, auch magyarischer, schon geraume Zeit so stark ereifert hatten, mitsamt vielem, vielem anderen, was diese Bürger zwieträchtig gemacht, ein für allemal begraben werden wird. Wenn irgendwo in Europa, so ist für Ungarn dieser Krieg ein Glück gewesen; endigt er gut, woran auch das Habsburger Reich zu zweifeln keine Ursache hat, so ist damit nach menschlichem Ermessen für den Doppelstaat dies- und jenseits der Leitha mit einem Schlage der innere Friede gewonnen. Vorausgesetzt natürlich, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/329>, abgerufen am 13.11.2024.