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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
Presse und Weltpolitik [Spaltenumbruch]

Insgesamt ist über die rapide und eigen¬
artige Entfaltung der kanadischen Presse das
Urteil eines guten englischen Kenners der
kanadischen Presseverhältnisse zutreffend, wenn
er sagt: "Der Journalismus von Kanada
spiegelt natürlich und sehr einseitig nur das
industrielle, soziale und Politische Wachstuni
wieder, das Kanada zu einem Weltwunder
gemacht hat." Dieseni Ausspruch möge
hinzugefügt werden, daß in den Jahren 1901
bis 1911 gewachsen sind: Montreal von
267 730 auf 470 480; Toronto von 208 040
auf 370 538; Winnepeg von 42 340 auf
136 036; Aancouver von 27 010 auf 100 401;
Calgary von 4392 auf 43 704; Regina von
2249 auf 30 213; Edmonton von 2626 ans
24 900; Fort William von 3633 auf 16 499;
Brcmdvn von -Z620 auf 13 839; Saskatoon
von 113 auf 12 004. Diese Entwicklungs¬
ziffern besagen wohl am deutlichsten, einen
wie fruchtbaren Boden die Presse in den zehn
genannten hervorragendsten Städten Kanadas
finden konnte.

Wie das zahlenmäßige Wachstum der
Blätter, so ist auch das Wachstum des kana¬
dischen Nationalismus in der Presse in seiner
Entwicklung recht interessant zu verfolgen.
Die Masse der Blätter und ein schnelles
Entwicklungstempo in einem Lande besagen
allein noch nicht viel, ja, eine zu rasche Ent¬
wicklung der Presse kann unter Umständen
sogar ein ungünstiges Zeichen sein. Das lehrt
ja die Geschichte der Presse in zahlreichen
süd- und zentralamerikanischen Republiken,
in China usw. zur Genüge. Was von vorn¬
herein der schnellen Entwicklung der kana¬
dischen Presse als günstiger und fördernder
Umstand zu Hilfe kam, das war die fast
ausschließliche Beschränkung auf rein lokale
kanadische Interessen. So hatte z. B, der
Journalist in Ontario noch vor zehn Jahren
eigentlich nur für alles das Interesse, was

[Ende Spaltensatz]

Die Presse i" Kanada. Die Presse des
jungen und rührigen kanadischen Staates um¬
faßt heute insgesamt etwa 1770 Zeitungen
und Periodische Zeitschriften bei einer Ein¬
wohnerzahl von nur sieben Millionen Menschen.
Das englische Mutterland, mit einer Ein¬
wohnerzahl von 34 Millionen, hat dem nur
1800 Zeitungen und Periodische Schriften
entgegenzustellen. Allerdings ist für die eng¬
lische Presse zu beachten, daß Londons Einfluß
sich in sehr viel weiterem Umfange geltend
machen kann, als dies in Kanada möglich ist,
weil eben von London aus die Eisenbahn¬
verbindungen für die Expedition und den Ab¬
satz erheblich günstiger sind. Von Millionen¬
auflagen einzelnerOrgane, wie diese in London
und Paris erzielt werden, kann allerdings
einstweilen in keiner Stadt Kanadas gesprochen
werden.

Ein Rückblick auf die Entwicklung der
Presse.Kanadas zeigt, daß dort das Zeitungs¬
wesen mit einer Schnelligkeit gewachsen ist,
wie kaum in einem anderen Lande. Das
wird am deutlichsten, wenn man die mageren
Ausgaben der Manitoba Free Preß, Calgarh
Herald, Victoria Colonist vor S bis 10
Jahren mit den umfang- und einflußreichen
Organen von heute vergleicht. Aber auch
die Zeitungen und Zeitschriften eines jeden
kanadischen Platzes von einiger Bedeutung
auf den Strecken zwischen Halifax und dem
Atlantischen Ozean und zwischen Victoria und
dein Stillen Ozean weisen ein ähnliches außer¬
gewöhnliches Wachstum aus. So war z. B.
der Montreal Star ursprünglich eine in vier
Seiten erscheinende Zeitung, deren Verkaufs¬
preis einen Cent betrug. Heute kostet
diese Zeitung immer noch einen Cent, trotz¬
dem ihr Umfang auf 20 bzw. 44 Seiten
gewachsen ist.




Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
Presse und Weltpolitik [Spaltenumbruch]

Insgesamt ist über die rapide und eigen¬
artige Entfaltung der kanadischen Presse das
Urteil eines guten englischen Kenners der
kanadischen Presseverhältnisse zutreffend, wenn
er sagt: „Der Journalismus von Kanada
spiegelt natürlich und sehr einseitig nur das
industrielle, soziale und Politische Wachstuni
wieder, das Kanada zu einem Weltwunder
gemacht hat." Dieseni Ausspruch möge
hinzugefügt werden, daß in den Jahren 1901
bis 1911 gewachsen sind: Montreal von
267 730 auf 470 480; Toronto von 208 040
auf 370 538; Winnepeg von 42 340 auf
136 036; Aancouver von 27 010 auf 100 401;
Calgary von 4392 auf 43 704; Regina von
2249 auf 30 213; Edmonton von 2626 ans
24 900; Fort William von 3633 auf 16 499;
Brcmdvn von -Z620 auf 13 839; Saskatoon
von 113 auf 12 004. Diese Entwicklungs¬
ziffern besagen wohl am deutlichsten, einen
wie fruchtbaren Boden die Presse in den zehn
genannten hervorragendsten Städten Kanadas
finden konnte.

Wie das zahlenmäßige Wachstum der
Blätter, so ist auch das Wachstum des kana¬
dischen Nationalismus in der Presse in seiner
Entwicklung recht interessant zu verfolgen.
Die Masse der Blätter und ein schnelles
Entwicklungstempo in einem Lande besagen
allein noch nicht viel, ja, eine zu rasche Ent¬
wicklung der Presse kann unter Umständen
sogar ein ungünstiges Zeichen sein. Das lehrt
ja die Geschichte der Presse in zahlreichen
süd- und zentralamerikanischen Republiken,
in China usw. zur Genüge. Was von vorn¬
herein der schnellen Entwicklung der kana¬
dischen Presse als günstiger und fördernder
Umstand zu Hilfe kam, das war die fast
ausschließliche Beschränkung auf rein lokale
kanadische Interessen. So hatte z. B, der
Journalist in Ontario noch vor zehn Jahren
eigentlich nur für alles das Interesse, was

[Ende Spaltensatz]

Die Presse i» Kanada. Die Presse des
jungen und rührigen kanadischen Staates um¬
faßt heute insgesamt etwa 1770 Zeitungen
und Periodische Zeitschriften bei einer Ein¬
wohnerzahl von nur sieben Millionen Menschen.
Das englische Mutterland, mit einer Ein¬
wohnerzahl von 34 Millionen, hat dem nur
1800 Zeitungen und Periodische Schriften
entgegenzustellen. Allerdings ist für die eng¬
lische Presse zu beachten, daß Londons Einfluß
sich in sehr viel weiterem Umfange geltend
machen kann, als dies in Kanada möglich ist,
weil eben von London aus die Eisenbahn¬
verbindungen für die Expedition und den Ab¬
satz erheblich günstiger sind. Von Millionen¬
auflagen einzelnerOrgane, wie diese in London
und Paris erzielt werden, kann allerdings
einstweilen in keiner Stadt Kanadas gesprochen
werden.

Ein Rückblick auf die Entwicklung der
Presse.Kanadas zeigt, daß dort das Zeitungs¬
wesen mit einer Schnelligkeit gewachsen ist,
wie kaum in einem anderen Lande. Das
wird am deutlichsten, wenn man die mageren
Ausgaben der Manitoba Free Preß, Calgarh
Herald, Victoria Colonist vor S bis 10
Jahren mit den umfang- und einflußreichen
Organen von heute vergleicht. Aber auch
die Zeitungen und Zeitschriften eines jeden
kanadischen Platzes von einiger Bedeutung
auf den Strecken zwischen Halifax und dem
Atlantischen Ozean und zwischen Victoria und
dein Stillen Ozean weisen ein ähnliches außer¬
gewöhnliches Wachstum aus. So war z. B.
der Montreal Star ursprünglich eine in vier
Seiten erscheinende Zeitung, deren Verkaufs¬
preis einen Cent betrug. Heute kostet
diese Zeitung immer noch einen Cent, trotz¬
dem ihr Umfang auf 20 bzw. 44 Seiten
gewachsen ist.


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[0247] [Abbildung] Maßgebliches und Unmaßgebliches Presse und Weltpolitik Insgesamt ist über die rapide und eigen¬ artige Entfaltung der kanadischen Presse das Urteil eines guten englischen Kenners der kanadischen Presseverhältnisse zutreffend, wenn er sagt: „Der Journalismus von Kanada spiegelt natürlich und sehr einseitig nur das industrielle, soziale und Politische Wachstuni wieder, das Kanada zu einem Weltwunder gemacht hat." Dieseni Ausspruch möge hinzugefügt werden, daß in den Jahren 1901 bis 1911 gewachsen sind: Montreal von 267 730 auf 470 480; Toronto von 208 040 auf 370 538; Winnepeg von 42 340 auf 136 036; Aancouver von 27 010 auf 100 401; Calgary von 4392 auf 43 704; Regina von 2249 auf 30 213; Edmonton von 2626 ans 24 900; Fort William von 3633 auf 16 499; Brcmdvn von -Z620 auf 13 839; Saskatoon von 113 auf 12 004. Diese Entwicklungs¬ ziffern besagen wohl am deutlichsten, einen wie fruchtbaren Boden die Presse in den zehn genannten hervorragendsten Städten Kanadas finden konnte. Wie das zahlenmäßige Wachstum der Blätter, so ist auch das Wachstum des kana¬ dischen Nationalismus in der Presse in seiner Entwicklung recht interessant zu verfolgen. Die Masse der Blätter und ein schnelles Entwicklungstempo in einem Lande besagen allein noch nicht viel, ja, eine zu rasche Ent¬ wicklung der Presse kann unter Umständen sogar ein ungünstiges Zeichen sein. Das lehrt ja die Geschichte der Presse in zahlreichen süd- und zentralamerikanischen Republiken, in China usw. zur Genüge. Was von vorn¬ herein der schnellen Entwicklung der kana¬ dischen Presse als günstiger und fördernder Umstand zu Hilfe kam, das war die fast ausschließliche Beschränkung auf rein lokale kanadische Interessen. So hatte z. B, der Journalist in Ontario noch vor zehn Jahren eigentlich nur für alles das Interesse, was Die Presse i» Kanada. Die Presse des jungen und rührigen kanadischen Staates um¬ faßt heute insgesamt etwa 1770 Zeitungen und Periodische Zeitschriften bei einer Ein¬ wohnerzahl von nur sieben Millionen Menschen. Das englische Mutterland, mit einer Ein¬ wohnerzahl von 34 Millionen, hat dem nur 1800 Zeitungen und Periodische Schriften entgegenzustellen. Allerdings ist für die eng¬ lische Presse zu beachten, daß Londons Einfluß sich in sehr viel weiterem Umfange geltend machen kann, als dies in Kanada möglich ist, weil eben von London aus die Eisenbahn¬ verbindungen für die Expedition und den Ab¬ satz erheblich günstiger sind. Von Millionen¬ auflagen einzelnerOrgane, wie diese in London und Paris erzielt werden, kann allerdings einstweilen in keiner Stadt Kanadas gesprochen werden. Ein Rückblick auf die Entwicklung der Presse.Kanadas zeigt, daß dort das Zeitungs¬ wesen mit einer Schnelligkeit gewachsen ist, wie kaum in einem anderen Lande. Das wird am deutlichsten, wenn man die mageren Ausgaben der Manitoba Free Preß, Calgarh Herald, Victoria Colonist vor S bis 10 Jahren mit den umfang- und einflußreichen Organen von heute vergleicht. Aber auch die Zeitungen und Zeitschriften eines jeden kanadischen Platzes von einiger Bedeutung auf den Strecken zwischen Halifax und dem Atlantischen Ozean und zwischen Victoria und dein Stillen Ozean weisen ein ähnliches außer¬ gewöhnliches Wachstum aus. So war z. B. der Montreal Star ursprünglich eine in vier Seiten erscheinende Zeitung, deren Verkaufs¬ preis einen Cent betrug. Heute kostet diese Zeitung immer noch einen Cent, trotz¬ dem ihr Umfang auf 20 bzw. 44 Seiten gewachsen ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/247>, abgerufen am 13.11.2024.