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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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vom Baedeker und Kunstgenuß auf Reisen

er nicht anderweit gefesselt ist. . .," erweist sich als ein Umweg. Vielmehr hat
die Vergeistigung des Naturtriebes erst die komplizierte Situation geschaffen,
jene Spaltung zwischen Sinnen und Geist, die auch das Begehren zwiespältig
macht. Was wir jetzt durchleben ist ein Übergang, ein Wachsen voller Schmerzen
-- aber doch ein Wachsen, an dessen Ziel eine höhere Staffel der Vergeistigung
winkt. Etwa wie Schiller sang :

Irgendwie scheint das für unsere Zeit wahrer noch, als es damals ge¬
wesen ist. Und die Richtung von Wells' Gesamtwert weist darauf hin, daß
auch er diesen Weg gehen wird.




Vom Baedeker und Aunstgenuß auf Reisen
von Richard Freyen

es habe immer den Standpunkt vertreten, daß neben der deutschen
Musik, den Schiffen des Lloyd und der Hay^g. neben dem preußischen
Leutnant und dem Schulmeister, der Baedeker zu den Ruhmes¬
titeln der deutschen Kultur gehört. Zwar haben ihn die anderen
Nationen tüchtig nachgeahmt und ausgeschrieben, aber erreicht hat
ihn keiner. -- Und wenn man die Entwicklung der roten Bücher verfolgt, so
sieht man, daß die Herausgeber nach Kräften bemüht sind, Schritt zu halten
mit der modernen Kulturentwicklung, was bei dem immer mehr sich beschleu¬
nigenden Tempo derselben keine Kleinigkeit ist. Das tut Baedeker nicht bloß
in dem Sinne, daß er alle Änderungen der Statistik, alle äußeren Daten usw.
aufs genaueste ändert, er berichtet z. B. meist die Einwohnerzahl bis auf die
Einer genau, damit ja auch das jüngstgeborene Baby berücksichtigt ist: Versailles
hat 54982 Einwohner, keinen mehr, keinen weniger! Welche Beruhigung für
alle Besucher der springenden Wasser! -- Nein, er trägt auch den gesteigerten
Bildungsansprüchen insofern Rechnung, als er sich nicht damit begnügt, sich bei
historischen Angaben über Bauten und Sehenswürdigkeiten bei dem ersten besten
der herumlaufenden Fremdenführer zu erkundigen, sondern er befragt die ersten


vom Baedeker und Kunstgenuß auf Reisen

er nicht anderweit gefesselt ist. . .," erweist sich als ein Umweg. Vielmehr hat
die Vergeistigung des Naturtriebes erst die komplizierte Situation geschaffen,
jene Spaltung zwischen Sinnen und Geist, die auch das Begehren zwiespältig
macht. Was wir jetzt durchleben ist ein Übergang, ein Wachsen voller Schmerzen
— aber doch ein Wachsen, an dessen Ziel eine höhere Staffel der Vergeistigung
winkt. Etwa wie Schiller sang :

Irgendwie scheint das für unsere Zeit wahrer noch, als es damals ge¬
wesen ist. Und die Richtung von Wells' Gesamtwert weist darauf hin, daß
auch er diesen Weg gehen wird.




Vom Baedeker und Aunstgenuß auf Reisen
von Richard Freyen

es habe immer den Standpunkt vertreten, daß neben der deutschen
Musik, den Schiffen des Lloyd und der Hay^g. neben dem preußischen
Leutnant und dem Schulmeister, der Baedeker zu den Ruhmes¬
titeln der deutschen Kultur gehört. Zwar haben ihn die anderen
Nationen tüchtig nachgeahmt und ausgeschrieben, aber erreicht hat
ihn keiner. — Und wenn man die Entwicklung der roten Bücher verfolgt, so
sieht man, daß die Herausgeber nach Kräften bemüht sind, Schritt zu halten
mit der modernen Kulturentwicklung, was bei dem immer mehr sich beschleu¬
nigenden Tempo derselben keine Kleinigkeit ist. Das tut Baedeker nicht bloß
in dem Sinne, daß er alle Änderungen der Statistik, alle äußeren Daten usw.
aufs genaueste ändert, er berichtet z. B. meist die Einwohnerzahl bis auf die
Einer genau, damit ja auch das jüngstgeborene Baby berücksichtigt ist: Versailles
hat 54982 Einwohner, keinen mehr, keinen weniger! Welche Beruhigung für
alle Besucher der springenden Wasser! — Nein, er trägt auch den gesteigerten
Bildungsansprüchen insofern Rechnung, als er sich nicht damit begnügt, sich bei
historischen Angaben über Bauten und Sehenswürdigkeiten bei dem ersten besten
der herumlaufenden Fremdenführer zu erkundigen, sondern er befragt die ersten


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[0194] vom Baedeker und Kunstgenuß auf Reisen er nicht anderweit gefesselt ist. . .," erweist sich als ein Umweg. Vielmehr hat die Vergeistigung des Naturtriebes erst die komplizierte Situation geschaffen, jene Spaltung zwischen Sinnen und Geist, die auch das Begehren zwiespältig macht. Was wir jetzt durchleben ist ein Übergang, ein Wachsen voller Schmerzen — aber doch ein Wachsen, an dessen Ziel eine höhere Staffel der Vergeistigung winkt. Etwa wie Schiller sang : Irgendwie scheint das für unsere Zeit wahrer noch, als es damals ge¬ wesen ist. Und die Richtung von Wells' Gesamtwert weist darauf hin, daß auch er diesen Weg gehen wird. Vom Baedeker und Aunstgenuß auf Reisen von Richard Freyen es habe immer den Standpunkt vertreten, daß neben der deutschen Musik, den Schiffen des Lloyd und der Hay^g. neben dem preußischen Leutnant und dem Schulmeister, der Baedeker zu den Ruhmes¬ titeln der deutschen Kultur gehört. Zwar haben ihn die anderen Nationen tüchtig nachgeahmt und ausgeschrieben, aber erreicht hat ihn keiner. — Und wenn man die Entwicklung der roten Bücher verfolgt, so sieht man, daß die Herausgeber nach Kräften bemüht sind, Schritt zu halten mit der modernen Kulturentwicklung, was bei dem immer mehr sich beschleu¬ nigenden Tempo derselben keine Kleinigkeit ist. Das tut Baedeker nicht bloß in dem Sinne, daß er alle Änderungen der Statistik, alle äußeren Daten usw. aufs genaueste ändert, er berichtet z. B. meist die Einwohnerzahl bis auf die Einer genau, damit ja auch das jüngstgeborene Baby berücksichtigt ist: Versailles hat 54982 Einwohner, keinen mehr, keinen weniger! Welche Beruhigung für alle Besucher der springenden Wasser! — Nein, er trägt auch den gesteigerten Bildungsansprüchen insofern Rechnung, als er sich nicht damit begnügt, sich bei historischen Angaben über Bauten und Sehenswürdigkeiten bei dem ersten besten der herumlaufenden Fremdenführer zu erkundigen, sondern er befragt die ersten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/194>, abgerufen am 13.11.2024.