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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Hundertundfünfzig Jahre deutscher Aunst
Zur Iahrhundertausstellung deutscher Runst in Darmstadt
von Frank L. Washburn Freund (Schluß)

Wir kommen nunmehr zur Landschaft. Doch vorher noch ein paar Worte
über das Architekturstück. Es ist sehr auffallend, daß zu einer Zeit, in der die
Architektur -- im Barock sowohl wie im Rokoko -- Triumphe über Triumphe
feierte, die malerische Darstellung von Gebäuden und Jrmenräumen offenbar
eine sehr kärgliche gewesen ist. Was die Ausstellung in dieser Hinsicht bietet
und den gegebenen Verhältnissen nach wohl eben nur zu bieten vermag, ist in
Quantität wie Qualität gering. Nur einige wenige kleine Bildchen mit Innen¬
ansichten können sich als malerische Leistungen sehen lassen, so z. B. des Genfer
Christian Stoecklins (1741 bis 1795) "Freundschaftstempel" l>. 657) aus
dem städtischen Museum in Frankfurt, der zugleich sehr interessant an die
schwärmerische Zeit des achtzehnten Jahrhunderts erinnert. In diesem eigen¬
artigen Stück phantasiert sozusagen ein Maler, der sein Auge an architektonischen
Gebilden geschult hat, auf seine Weise über das Thema Architektur. Da die
ganze Architektur der Zeit ja eigentlich eine Art persönliches Phantasieren war,
woraus sie gerade ihren feinsten und blühendsten Reiz gewinnt, so ist diese
Leistung in der Art wenn auch nicht im Geiste Piranesis gar nicht so weit
von den Bauten des Rokoko entfernt, die ja auch fast der festen Erde und
ihren Fesseln entschweben möchten. Daß der Architekturstücke so wenige find,
mag sich vielleicht daraus erklären, daß zuzeiten der Herrschaft der Architektur
an ihre Darstellung im Bilde kaum gedacht wird, weil sie eben vor aller
Augen und Geist lebt. In ihrer Verfallszeit aber läßt man sie sich gern auf
Gemälden "malerisch" näher bringen.

Von der Landschaftsmalerei der in Darmstadt vertretenen Periode wußte
man bisher zum Teil so gut wie gar nichts, zum Teil nur schlechtes. Aus
dem Geist der Zeit wohl hatte man a priori geschlossen, daß ihr Sinn zu, ihr Herz
tot gewesen, daß sie die Landschaft ringsum nicht zu sehen vermochte. Freilich




Hundertundfünfzig Jahre deutscher Aunst
Zur Iahrhundertausstellung deutscher Runst in Darmstadt
von Frank L. Washburn Freund (Schluß)

Wir kommen nunmehr zur Landschaft. Doch vorher noch ein paar Worte
über das Architekturstück. Es ist sehr auffallend, daß zu einer Zeit, in der die
Architektur — im Barock sowohl wie im Rokoko — Triumphe über Triumphe
feierte, die malerische Darstellung von Gebäuden und Jrmenräumen offenbar
eine sehr kärgliche gewesen ist. Was die Ausstellung in dieser Hinsicht bietet
und den gegebenen Verhältnissen nach wohl eben nur zu bieten vermag, ist in
Quantität wie Qualität gering. Nur einige wenige kleine Bildchen mit Innen¬
ansichten können sich als malerische Leistungen sehen lassen, so z. B. des Genfer
Christian Stoecklins (1741 bis 1795) „Freundschaftstempel" l>. 657) aus
dem städtischen Museum in Frankfurt, der zugleich sehr interessant an die
schwärmerische Zeit des achtzehnten Jahrhunderts erinnert. In diesem eigen¬
artigen Stück phantasiert sozusagen ein Maler, der sein Auge an architektonischen
Gebilden geschult hat, auf seine Weise über das Thema Architektur. Da die
ganze Architektur der Zeit ja eigentlich eine Art persönliches Phantasieren war,
woraus sie gerade ihren feinsten und blühendsten Reiz gewinnt, so ist diese
Leistung in der Art wenn auch nicht im Geiste Piranesis gar nicht so weit
von den Bauten des Rokoko entfernt, die ja auch fast der festen Erde und
ihren Fesseln entschweben möchten. Daß der Architekturstücke so wenige find,
mag sich vielleicht daraus erklären, daß zuzeiten der Herrschaft der Architektur
an ihre Darstellung im Bilde kaum gedacht wird, weil sie eben vor aller
Augen und Geist lebt. In ihrer Verfallszeit aber läßt man sie sich gern auf
Gemälden „malerisch" näher bringen.

Von der Landschaftsmalerei der in Darmstadt vertretenen Periode wußte
man bisher zum Teil so gut wie gar nichts, zum Teil nur schlechtes. Aus
dem Geist der Zeit wohl hatte man a priori geschlossen, daß ihr Sinn zu, ihr Herz
tot gewesen, daß sie die Landschaft ringsum nicht zu sehen vermochte. Freilich


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[0130] [Abbildung] Hundertundfünfzig Jahre deutscher Aunst Zur Iahrhundertausstellung deutscher Runst in Darmstadt von Frank L. Washburn Freund (Schluß) Wir kommen nunmehr zur Landschaft. Doch vorher noch ein paar Worte über das Architekturstück. Es ist sehr auffallend, daß zu einer Zeit, in der die Architektur — im Barock sowohl wie im Rokoko — Triumphe über Triumphe feierte, die malerische Darstellung von Gebäuden und Jrmenräumen offenbar eine sehr kärgliche gewesen ist. Was die Ausstellung in dieser Hinsicht bietet und den gegebenen Verhältnissen nach wohl eben nur zu bieten vermag, ist in Quantität wie Qualität gering. Nur einige wenige kleine Bildchen mit Innen¬ ansichten können sich als malerische Leistungen sehen lassen, so z. B. des Genfer Christian Stoecklins (1741 bis 1795) „Freundschaftstempel" l>. 657) aus dem städtischen Museum in Frankfurt, der zugleich sehr interessant an die schwärmerische Zeit des achtzehnten Jahrhunderts erinnert. In diesem eigen¬ artigen Stück phantasiert sozusagen ein Maler, der sein Auge an architektonischen Gebilden geschult hat, auf seine Weise über das Thema Architektur. Da die ganze Architektur der Zeit ja eigentlich eine Art persönliches Phantasieren war, woraus sie gerade ihren feinsten und blühendsten Reiz gewinnt, so ist diese Leistung in der Art wenn auch nicht im Geiste Piranesis gar nicht so weit von den Bauten des Rokoko entfernt, die ja auch fast der festen Erde und ihren Fesseln entschweben möchten. Daß der Architekturstücke so wenige find, mag sich vielleicht daraus erklären, daß zuzeiten der Herrschaft der Architektur an ihre Darstellung im Bilde kaum gedacht wird, weil sie eben vor aller Augen und Geist lebt. In ihrer Verfallszeit aber läßt man sie sich gern auf Gemälden „malerisch" näher bringen. Von der Landschaftsmalerei der in Darmstadt vertretenen Periode wußte man bisher zum Teil so gut wie gar nichts, zum Teil nur schlechtes. Aus dem Geist der Zeit wohl hatte man a priori geschlossen, daß ihr Sinn zu, ihr Herz tot gewesen, daß sie die Landschaft ringsum nicht zu sehen vermochte. Freilich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/130>, abgerufen am 01.09.2024.