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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Die Hexe von Mayen
Roman
Lharlottc Niese von
(Vierzehnte Fortsetzung)

Andern Tages nahm der Herzog Hans Adolf das Patent eines dänischen
Feldmarschalls aus Sehesteds Hand entgegen. Er war freundlich und ein
wenig spöttisch, wie es manchmal seine Art war, und der Staatsrat bemerkte
mit Staunen, daß er sich nicht so freute, wie er es glaubte. Darüber sprach
er nachher mit der Herzogin, als er bei der Tafel zwischen ihr und Hans
Adolf saß.

"Seine Gnaden ist nicht so froh, wie des Königs Majestät es wohl er¬
warten darf!"

Die Herzogin nippte ein wenig aus dem silbernen Becher, der vor
ihr stand.

"Die königliche Majestät führt gerade keinen Krieg!" erwiderte sie ent¬
schuldigend. "Und dann --" sie zögerte einen Augenblick. "Der König
nimmt den holsteinischen Herzögen sehr viele Rechte!"

Darauf wußte der Staatsrat nichts zu erwidern, denn es war allbekannt,
daß der Dänenkönig allmählich alles Land einzog, über das seine Bettern, die
Herzöge, rechtmäßig regierten. Er nannte das Reunion, wie König Ludwig
von Frankreich, als er Straßburg besetzte und seinem Reich einverleibte.

Einen Augenblick saß der Staatsrat schweigend, dann hob der Herzog
seinen Becher gegen ihn.

"Herr Staatsrat, ich trinke auf Eure liebliche Tochter. Das sie einen
braven Gemahl erhalte und den Stamm der Sehestedts nicht erlöschen lasse!"

Der Staatsrat stand auf und bedankte sich für die Ehre.

Darauf redeten die Herren vom Krieg, vom Rheinland, von Laach, der
Stadt Mayen und von den Abenteuern, die sie dort erlebten. Sogar der Staatsrat
lächelte, als seine Tochter die Hexe von Manen genannt wurde, und er mußte
der Herzogin von allem berichten, endlich sogar von dem Loch in der Mauer,
durch das die Braunschweiger in die Stadt gekommen und die Franzosen daraus
vertrieben hatten.




Die Hexe von Mayen
Roman
Lharlottc Niese von
(Vierzehnte Fortsetzung)

Andern Tages nahm der Herzog Hans Adolf das Patent eines dänischen
Feldmarschalls aus Sehesteds Hand entgegen. Er war freundlich und ein
wenig spöttisch, wie es manchmal seine Art war, und der Staatsrat bemerkte
mit Staunen, daß er sich nicht so freute, wie er es glaubte. Darüber sprach
er nachher mit der Herzogin, als er bei der Tafel zwischen ihr und Hans
Adolf saß.

„Seine Gnaden ist nicht so froh, wie des Königs Majestät es wohl er¬
warten darf!"

Die Herzogin nippte ein wenig aus dem silbernen Becher, der vor
ihr stand.

„Die königliche Majestät führt gerade keinen Krieg!" erwiderte sie ent¬
schuldigend. „Und dann —" sie zögerte einen Augenblick. „Der König
nimmt den holsteinischen Herzögen sehr viele Rechte!"

Darauf wußte der Staatsrat nichts zu erwidern, denn es war allbekannt,
daß der Dänenkönig allmählich alles Land einzog, über das seine Bettern, die
Herzöge, rechtmäßig regierten. Er nannte das Reunion, wie König Ludwig
von Frankreich, als er Straßburg besetzte und seinem Reich einverleibte.

Einen Augenblick saß der Staatsrat schweigend, dann hob der Herzog
seinen Becher gegen ihn.

„Herr Staatsrat, ich trinke auf Eure liebliche Tochter. Das sie einen
braven Gemahl erhalte und den Stamm der Sehestedts nicht erlöschen lasse!"

Der Staatsrat stand auf und bedankte sich für die Ehre.

Darauf redeten die Herren vom Krieg, vom Rheinland, von Laach, der
Stadt Mayen und von den Abenteuern, die sie dort erlebten. Sogar der Staatsrat
lächelte, als seine Tochter die Hexe von Manen genannt wurde, und er mußte
der Herzogin von allem berichten, endlich sogar von dem Loch in der Mauer,
durch das die Braunschweiger in die Stadt gekommen und die Franzosen daraus
vertrieben hatten.


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[0087] [Abbildung] Die Hexe von Mayen Roman Lharlottc Niese von (Vierzehnte Fortsetzung) Andern Tages nahm der Herzog Hans Adolf das Patent eines dänischen Feldmarschalls aus Sehesteds Hand entgegen. Er war freundlich und ein wenig spöttisch, wie es manchmal seine Art war, und der Staatsrat bemerkte mit Staunen, daß er sich nicht so freute, wie er es glaubte. Darüber sprach er nachher mit der Herzogin, als er bei der Tafel zwischen ihr und Hans Adolf saß. „Seine Gnaden ist nicht so froh, wie des Königs Majestät es wohl er¬ warten darf!" Die Herzogin nippte ein wenig aus dem silbernen Becher, der vor ihr stand. „Die königliche Majestät führt gerade keinen Krieg!" erwiderte sie ent¬ schuldigend. „Und dann —" sie zögerte einen Augenblick. „Der König nimmt den holsteinischen Herzögen sehr viele Rechte!" Darauf wußte der Staatsrat nichts zu erwidern, denn es war allbekannt, daß der Dänenkönig allmählich alles Land einzog, über das seine Bettern, die Herzöge, rechtmäßig regierten. Er nannte das Reunion, wie König Ludwig von Frankreich, als er Straßburg besetzte und seinem Reich einverleibte. Einen Augenblick saß der Staatsrat schweigend, dann hob der Herzog seinen Becher gegen ihn. „Herr Staatsrat, ich trinke auf Eure liebliche Tochter. Das sie einen braven Gemahl erhalte und den Stamm der Sehestedts nicht erlöschen lasse!" Der Staatsrat stand auf und bedankte sich für die Ehre. Darauf redeten die Herren vom Krieg, vom Rheinland, von Laach, der Stadt Mayen und von den Abenteuern, die sie dort erlebten. Sogar der Staatsrat lächelte, als seine Tochter die Hexe von Manen genannt wurde, und er mußte der Herzogin von allem berichten, endlich sogar von dem Loch in der Mauer, durch das die Braunschweiger in die Stadt gekommen und die Franzosen daraus vertrieben hatten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/87>, abgerufen am 13.11.2024.