Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Das polnische Problem
und die preußische Gstmarkenpolitik
George Lleinow von

! er unerwartet eingetretene Tod des bisherigen Oberpräsidenten
I von Posen und die Ernennung seines Nachfolgers hat die übliche
Erörterung über die Zukunft unserer Ostmarkenpolitik ein wenig
belebt und die berufsmäßigen Pessimisten wieder einmal stärker zu
Worte kommen lassen. Man weiß vom preußischen Ministerpräsi¬
denten, der sür die Ernennung des Herrn von Eisenbart-Rothe die Verantwortung
hat, zweierlei, was ihm von den radikalen Nationalisten recht übel genommen
wird: während seiner kurzen Amtszeit als Regierungspräsident in Bromberg hat er
sich jede Einmischung in seine Amtstätigkeit, die, wie Frau Fama erzählt, von
einzelnen Mitgliedern des Ostmarkenvereins, besonders mit Bezug auf Stellen¬
besetzung versucht wurde, energisch verbeten und dann gilt er als entschiedener
Gegner des Enteignungsgesetzes; es ist bekannt, daß Herr von Bethmann
seinerzeit sowohl vom Fürsten Bülow wie von seinen Vortragenden Räten
geradezu berannt werden mußte, ehe er sein Votum entsprechend der Bülowschen
Politik abgab. Kein Geheimnis ist es, daß ihm das Enteignungsgesetz
heute mehr noch wie vor sieben Jahren als eine ungeeignete Maßregel zum
Kampf um die Ostmark erscheint. Es mag Herrn von Bethmann heute viel¬
leicht gar als ein großer Fehler erscheinen, daß er damals nicht in der
Opposition blieb, -- jetzt hat er ihn jedenfalls selbst auszubaden, und wir
gehen wohl nicht fehl, wenn wir annehmen, daß er ernstlich entschlossen ist,
wieder gut zu machen, was noch gut zu machen ist. Solche Feststellung genügt
unseren aggressiven Ostmarkenpolitikern, um die gesamte Ostmarkenpolitik durch
einen neuen Regierungskurs als gefährdet hinzustellen und den Kanzler der
nationalen Schwäche zu verdächtigen. Ich habe Vertretern dieser Anschauung
Gelegenheit gegeben, sich in den Grenzboten auszusprechen (stehe Heft 34 vom
20. August 1913); heute möchte ich meinen eigenen Standpunkt in der Ost-
markensrage näher kennzeichnen, auf die Gefahr hin, nicht bei allen meinen


Grenzboten it 1914 "7


Das polnische Problem
und die preußische Gstmarkenpolitik
George Lleinow von

! er unerwartet eingetretene Tod des bisherigen Oberpräsidenten
I von Posen und die Ernennung seines Nachfolgers hat die übliche
Erörterung über die Zukunft unserer Ostmarkenpolitik ein wenig
belebt und die berufsmäßigen Pessimisten wieder einmal stärker zu
Worte kommen lassen. Man weiß vom preußischen Ministerpräsi¬
denten, der sür die Ernennung des Herrn von Eisenbart-Rothe die Verantwortung
hat, zweierlei, was ihm von den radikalen Nationalisten recht übel genommen
wird: während seiner kurzen Amtszeit als Regierungspräsident in Bromberg hat er
sich jede Einmischung in seine Amtstätigkeit, die, wie Frau Fama erzählt, von
einzelnen Mitgliedern des Ostmarkenvereins, besonders mit Bezug auf Stellen¬
besetzung versucht wurde, energisch verbeten und dann gilt er als entschiedener
Gegner des Enteignungsgesetzes; es ist bekannt, daß Herr von Bethmann
seinerzeit sowohl vom Fürsten Bülow wie von seinen Vortragenden Räten
geradezu berannt werden mußte, ehe er sein Votum entsprechend der Bülowschen
Politik abgab. Kein Geheimnis ist es, daß ihm das Enteignungsgesetz
heute mehr noch wie vor sieben Jahren als eine ungeeignete Maßregel zum
Kampf um die Ostmark erscheint. Es mag Herrn von Bethmann heute viel¬
leicht gar als ein großer Fehler erscheinen, daß er damals nicht in der
Opposition blieb, — jetzt hat er ihn jedenfalls selbst auszubaden, und wir
gehen wohl nicht fehl, wenn wir annehmen, daß er ernstlich entschlossen ist,
wieder gut zu machen, was noch gut zu machen ist. Solche Feststellung genügt
unseren aggressiven Ostmarkenpolitikern, um die gesamte Ostmarkenpolitik durch
einen neuen Regierungskurs als gefährdet hinzustellen und den Kanzler der
nationalen Schwäche zu verdächtigen. Ich habe Vertretern dieser Anschauung
Gelegenheit gegeben, sich in den Grenzboten auszusprechen (stehe Heft 34 vom
20. August 1913); heute möchte ich meinen eigenen Standpunkt in der Ost-
markensrage näher kennzeichnen, auf die Gefahr hin, nicht bei allen meinen


Grenzboten it 1914 »7
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0589" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328689"/>
            <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341899_328099/figures/grenzboten_341899_328099_328689_000.jpg"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Das polnische Problem<lb/>
und die preußische Gstmarkenpolitik<lb/><note type="byline"> George Lleinow</note> von</head><lb/>
          <p xml:id="ID_2350" next="#ID_2351"> ! er unerwartet eingetretene Tod des bisherigen Oberpräsidenten<lb/>
I von Posen und die Ernennung seines Nachfolgers hat die übliche<lb/>
Erörterung über die Zukunft unserer Ostmarkenpolitik ein wenig<lb/>
belebt und die berufsmäßigen Pessimisten wieder einmal stärker zu<lb/>
Worte kommen lassen. Man weiß vom preußischen Ministerpräsi¬<lb/>
denten, der sür die Ernennung des Herrn von Eisenbart-Rothe die Verantwortung<lb/>
hat, zweierlei, was ihm von den radikalen Nationalisten recht übel genommen<lb/>
wird: während seiner kurzen Amtszeit als Regierungspräsident in Bromberg hat er<lb/>
sich jede Einmischung in seine Amtstätigkeit, die, wie Frau Fama erzählt, von<lb/>
einzelnen Mitgliedern des Ostmarkenvereins, besonders mit Bezug auf Stellen¬<lb/>
besetzung versucht wurde, energisch verbeten und dann gilt er als entschiedener<lb/>
Gegner des Enteignungsgesetzes; es ist bekannt, daß Herr von Bethmann<lb/>
seinerzeit sowohl vom Fürsten Bülow wie von seinen Vortragenden Räten<lb/>
geradezu berannt werden mußte, ehe er sein Votum entsprechend der Bülowschen<lb/>
Politik abgab. Kein Geheimnis ist es, daß ihm das Enteignungsgesetz<lb/>
heute mehr noch wie vor sieben Jahren als eine ungeeignete Maßregel zum<lb/>
Kampf um die Ostmark erscheint. Es mag Herrn von Bethmann heute viel¬<lb/>
leicht gar als ein großer Fehler erscheinen, daß er damals nicht in der<lb/>
Opposition blieb, &#x2014; jetzt hat er ihn jedenfalls selbst auszubaden, und wir<lb/>
gehen wohl nicht fehl, wenn wir annehmen, daß er ernstlich entschlossen ist,<lb/>
wieder gut zu machen, was noch gut zu machen ist. Solche Feststellung genügt<lb/>
unseren aggressiven Ostmarkenpolitikern, um die gesamte Ostmarkenpolitik durch<lb/>
einen neuen Regierungskurs als gefährdet hinzustellen und den Kanzler der<lb/>
nationalen Schwäche zu verdächtigen. Ich habe Vertretern dieser Anschauung<lb/>
Gelegenheit gegeben, sich in den Grenzboten auszusprechen (stehe Heft 34 vom<lb/>
20. August 1913); heute möchte ich meinen eigenen Standpunkt in der Ost-<lb/>
markensrage näher kennzeichnen, auf die Gefahr hin, nicht bei allen meinen</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten it 1914 »7</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0589] [Abbildung] Das polnische Problem und die preußische Gstmarkenpolitik George Lleinow von ! er unerwartet eingetretene Tod des bisherigen Oberpräsidenten I von Posen und die Ernennung seines Nachfolgers hat die übliche Erörterung über die Zukunft unserer Ostmarkenpolitik ein wenig belebt und die berufsmäßigen Pessimisten wieder einmal stärker zu Worte kommen lassen. Man weiß vom preußischen Ministerpräsi¬ denten, der sür die Ernennung des Herrn von Eisenbart-Rothe die Verantwortung hat, zweierlei, was ihm von den radikalen Nationalisten recht übel genommen wird: während seiner kurzen Amtszeit als Regierungspräsident in Bromberg hat er sich jede Einmischung in seine Amtstätigkeit, die, wie Frau Fama erzählt, von einzelnen Mitgliedern des Ostmarkenvereins, besonders mit Bezug auf Stellen¬ besetzung versucht wurde, energisch verbeten und dann gilt er als entschiedener Gegner des Enteignungsgesetzes; es ist bekannt, daß Herr von Bethmann seinerzeit sowohl vom Fürsten Bülow wie von seinen Vortragenden Räten geradezu berannt werden mußte, ehe er sein Votum entsprechend der Bülowschen Politik abgab. Kein Geheimnis ist es, daß ihm das Enteignungsgesetz heute mehr noch wie vor sieben Jahren als eine ungeeignete Maßregel zum Kampf um die Ostmark erscheint. Es mag Herrn von Bethmann heute viel¬ leicht gar als ein großer Fehler erscheinen, daß er damals nicht in der Opposition blieb, — jetzt hat er ihn jedenfalls selbst auszubaden, und wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir annehmen, daß er ernstlich entschlossen ist, wieder gut zu machen, was noch gut zu machen ist. Solche Feststellung genügt unseren aggressiven Ostmarkenpolitikern, um die gesamte Ostmarkenpolitik durch einen neuen Regierungskurs als gefährdet hinzustellen und den Kanzler der nationalen Schwäche zu verdächtigen. Ich habe Vertretern dieser Anschauung Gelegenheit gegeben, sich in den Grenzboten auszusprechen (stehe Heft 34 vom 20. August 1913); heute möchte ich meinen eigenen Standpunkt in der Ost- markensrage näher kennzeichnen, auf die Gefahr hin, nicht bei allen meinen Grenzboten it 1914 »7

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/589
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/589>, abgerufen am 13.11.2024.