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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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auszuschütten und der Diplomatie geradezu
jede Existenzberechtigung abzusprechen. Der
Verfasser schlägt in der Einleitung Polternde
Töne an, in der Art etwa, wie sonst Wohl
alte Haudegen über das wichtigtuerische
Schreibervolk der Diplomaten loszufahren
Pflegen, Der Historiker braucht die Einseitig¬
keit solcher Vorurteile nicht eigens zurückzu¬
weisen. Er spricht nur die Hoffnung aus,
daß solche Stimmungen die Erkenntnis nicht
trüben mögen, die uns die Fortsetzung des
Dr. ZV. Andreas Werkes verspricht,

Sprachwissenschaft

O. Dietrich, Die Probleme der Sprach¬
wissenschaft und ihre gegenwärtigen Lösungs-
möglichkciten. Leipzig 1913. Quelle und
Meyer. 148 S" geb. 3,80 M. Es ist er¬
freulich zu sehen, wie in unserer Zeit SPrach-
und Literaturwissenschaft immer mehr Psycho¬
logisch vertieft werden. Dort sind es die
Anregungen W. Wundes, hier die Gedanken
des feinsinnigen W. Dillhey, die die Forschung
neu beleben. Man sucht nach den geheimnis¬
vollen Zusammenhängen zwischen Sprache
und Weltanschauung. Das Wesen der Sprache
will man ergründen und diese Einsicht auch
für die Methode der Spracherlernung ver¬
werten. Es ist kein Zufall, daß sich die Päda¬
gogischen Reformbestrebungen im Unterricht
der lebenden Sprachen um die letzte Jahr¬
hundertwende scharen. Für alle Bemühungen
uni die Erkenntnis des Wesens der sprach¬
lichen Gebilde bietet das Buch von O. Dietrich
eine wertvolle wissenschaftliche Unterlage. In
seiner strengen Wissenschaftlichkeit (und .auch
schwierigen Terminologie!) aber ist es kein
Buch für die Hand des Laien.

Eine "Revision" der vorhandenen Grund¬
begriffe und Begriffsbestimmungen (Delbrück,
Paul, Wundt) führt den Verfasser zu der Auf¬
fassung: "Man sehe die Sprachpsychologie
nicht einseitig entweder nur als eine der
Psychologie zugehörige oder aber als eine an
die Sprachwissenschaft von der Psychologie
abzutretende Disziplin an, sondern als eine
echte und rechte Grenzwissenschaft, die einer¬

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seits an der Sprachwissenschaft, anderseits an
der Psychologie Anteil hat." Damit wird
das Arbeitsgebiet des Sprachforschers ge¬
waltig ausgedehnt. Sprachgeschichte ist nicht
allein historische Grammatik. Sie hat schlie߬
lich den Zusammenhang der Sprache mit der
gesamten geistigen Entwicklung der Menschheit
zum Gegenstande.

Innerhalb der Sprachpsychologie grenzt
der Verfasser drei Problemgebiete gegenein¬
ander ab: 1. Das ontogenetische Problem
der Sprachbildung. Es ist der wissenschaft¬
liche Ausdruck für die Psychologie der Sprache,
sofern "der Sprechende, um etwa einen Satz
oder ein Wort zu bilden, zunächst keinerlei
Nachhilfe von feiten des Angesprochenen bedarf
und daher also von diesem sprachlich augen¬
blicklich unabhängig zu denken ist." 2. Das
phylontogenetische Problem. Es besagt, daß,
"wenn auch an dem sprachlichen Grund¬
phänomen Prinzipiell nur zwei Individuen
beteiligt zu sein brauchen, dabei doch offen¬
bar der Keim zur Beteiligung einer größeren
Masse (einer Schar, -s>üXov) von Individuen
gelegt wird, aber anderseits auch immer noch
deutlich die Wirksamkeit des Einzelindividuums
(so) ersichtlich ist." 3. Die Sprache als
Phylvgenetisches Problem, d. h. als Produkt
von "Massenwirkungen, also Wechselwirkungen
größerer oder kleinerer, die Zweiheit über-
steigenderMassen vonsprechendenJndividuen."
Damit ist der Rahmen für die psychologische
Untersuchung gespannt. Dem Sprachforscher
bietet das Buch -- wie auch die früheren
sprachpsychologischen Schriften desVerfassers --
viel Anregung. Besondere Beachtung ver¬
dient Kapitel II. Durch die hier gegebene, an
Goniperz sich anlehnende scharfsinnige Analyse
des sprachlichen Bedenkens wird allem un¬
berechtigten Formalismus (auch im Sprach¬
unterricht!) der Boden abgegraben. Die
eigentümliche Auffassung und Gestaltung der
Welt des einzelnen und der Gemeinschaft in
der Sprache, und damit der innere Zusammen¬
hang zwischen Sprachwissenschaft und Lite¬
raturwissenschaft wird hier in der Analyse der
Dr. Hermann Schmitt Bedeutung geklärt.

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Nachdruck sämtlicher Aufsätze nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags gestattet.
Verantwortlich: der Herausgeber George Cleinow in Berlin-Schöneberg. -- Manuskriptsenduugeu und Briefe
werden erbeten unter der Adresse-
An den Herausgeber der Grenzboten in Berlin-Fricdcna", Hcdwigstr. 1 s.
Fernsprecher der Schristleitung - Amt Uhland SSM, des Verlags: Amt Liitzow LSIV,
Verlag: Verlag der Grenzboten G. in, b. H. in Berlin SV. U.
Druck: "Der Reichsbote" G. in, b. H, in Berlin 5V, 1l, Dessauer Stratze 3K/37,

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Verfasser schlägt in der Einleitung Polternde
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alte Haudegen über das wichtigtuerische
Schreibervolk der Diplomaten loszufahren
Pflegen, Der Historiker braucht die Einseitig¬
keit solcher Vorurteile nicht eigens zurückzu¬
weisen. Er spricht nur die Hoffnung aus,
daß solche Stimmungen die Erkenntnis nicht
trüben mögen, die uns die Fortsetzung des
Dr. ZV. Andreas Werkes verspricht,

Sprachwissenschaft

O. Dietrich, Die Probleme der Sprach¬
wissenschaft und ihre gegenwärtigen Lösungs-
möglichkciten. Leipzig 1913. Quelle und
Meyer. 148 S„ geb. 3,80 M. Es ist er¬
freulich zu sehen, wie in unserer Zeit SPrach-
und Literaturwissenschaft immer mehr Psycho¬
logisch vertieft werden. Dort sind es die
Anregungen W. Wundes, hier die Gedanken
des feinsinnigen W. Dillhey, die die Forschung
neu beleben. Man sucht nach den geheimnis¬
vollen Zusammenhängen zwischen Sprache
und Weltanschauung. Das Wesen der Sprache
will man ergründen und diese Einsicht auch
für die Methode der Spracherlernung ver¬
werten. Es ist kein Zufall, daß sich die Päda¬
gogischen Reformbestrebungen im Unterricht
der lebenden Sprachen um die letzte Jahr¬
hundertwende scharen. Für alle Bemühungen
uni die Erkenntnis des Wesens der sprach¬
lichen Gebilde bietet das Buch von O. Dietrich
eine wertvolle wissenschaftliche Unterlage. In
seiner strengen Wissenschaftlichkeit (und .auch
schwierigen Terminologie!) aber ist es kein
Buch für die Hand des Laien.

Eine „Revision" der vorhandenen Grund¬
begriffe und Begriffsbestimmungen (Delbrück,
Paul, Wundt) führt den Verfasser zu der Auf¬
fassung: „Man sehe die Sprachpsychologie
nicht einseitig entweder nur als eine der
Psychologie zugehörige oder aber als eine an
die Sprachwissenschaft von der Psychologie
abzutretende Disziplin an, sondern als eine
echte und rechte Grenzwissenschaft, die einer¬

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seits an der Sprachwissenschaft, anderseits an
der Psychologie Anteil hat." Damit wird
das Arbeitsgebiet des Sprachforschers ge¬
waltig ausgedehnt. Sprachgeschichte ist nicht
allein historische Grammatik. Sie hat schlie߬
lich den Zusammenhang der Sprache mit der
gesamten geistigen Entwicklung der Menschheit
zum Gegenstande.

Innerhalb der Sprachpsychologie grenzt
der Verfasser drei Problemgebiete gegenein¬
ander ab: 1. Das ontogenetische Problem
der Sprachbildung. Es ist der wissenschaft¬
liche Ausdruck für die Psychologie der Sprache,
sofern „der Sprechende, um etwa einen Satz
oder ein Wort zu bilden, zunächst keinerlei
Nachhilfe von feiten des Angesprochenen bedarf
und daher also von diesem sprachlich augen¬
blicklich unabhängig zu denken ist." 2. Das
phylontogenetische Problem. Es besagt, daß,
„wenn auch an dem sprachlichen Grund¬
phänomen Prinzipiell nur zwei Individuen
beteiligt zu sein brauchen, dabei doch offen¬
bar der Keim zur Beteiligung einer größeren
Masse (einer Schar, -s>üXov) von Individuen
gelegt wird, aber anderseits auch immer noch
deutlich die Wirksamkeit des Einzelindividuums
(so) ersichtlich ist." 3. Die Sprache als
Phylvgenetisches Problem, d. h. als Produkt
von „Massenwirkungen, also Wechselwirkungen
größerer oder kleinerer, die Zweiheit über-
steigenderMassen vonsprechendenJndividuen."
Damit ist der Rahmen für die psychologische
Untersuchung gespannt. Dem Sprachforscher
bietet das Buch — wie auch die früheren
sprachpsychologischen Schriften desVerfassers —
viel Anregung. Besondere Beachtung ver¬
dient Kapitel II. Durch die hier gegebene, an
Goniperz sich anlehnende scharfsinnige Analyse
des sprachlichen Bedenkens wird allem un¬
berechtigten Formalismus (auch im Sprach¬
unterricht!) der Boden abgegraben. Die
eigentümliche Auffassung und Gestaltung der
Welt des einzelnen und der Gemeinschaft in
der Sprache, und damit der innere Zusammen¬
hang zwischen Sprachwissenschaft und Lite¬
raturwissenschaft wird hier in der Analyse der
Dr. Hermann Schmitt Bedeutung geklärt.

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Nachdruck sämtlicher Aufsätze nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags gestattet.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/588>, abgerufen am 13.11.2024.