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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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von spanischen Stierkämpfen

nachzuahmen, da sie zu keinen verlockenderen Ergebnissen geführt haben. Es
ist das Verdienst der besprochenen Schrift, durch einen Vergleich der handels¬
politischen Maßnahmen anderer Kolonialmächte nachgewiesen zu haben, daß die
deutsche Regierung, trotz des Widerspruchs weiter Kreise, mit ihrer kolonialen
Handelspolitik auf dem richtigen Wege ist.




Von spanischen Htierkämpfen
von Richard Freyen

eder der Spaniens Boden betritt, hält es für unumgänglich,
einem Stierkampfe beizuwohnen. Denn erstens meint man, es
sei schlimmer, das versäumt zu haben, als in Rom den Papst
nicht zu sehen (den bekanntlich die wenigsten Romreisenden zu
sehen bekommen), zweitens ist es doch überaus interessant und
prickelnd, einem solchen Schauspiele beizuwohnen, und drittens kann man sich
so herrlich moralisch über alle diejenigen entrüsten, die zu solchen Dingen hin¬
gehen.

Nun ist ja gewiß eine solche moralische Entrüstung etwas überaus Wohl¬
tuendes und persönlich Erhebendes, und es soll auch ohne weiteres zugegeben
werden, daß zu einer solchen Entrüstung Grund genug ist; aber dennoch scheint
uns eine solche sittliche Empörung allein ein recht unzureichender Gesichtswinkel
gegenüber einer Sitte zu sein, die nun schon seit Jahrhunderten in immer
steigendem Maße ein großes, in vieler Beziehung edel veranlagtes und für die
Entwicklung der Menschheit bedeutsames Volk begeistert. Richtiger wäre es,
den Gründen nachzugehen, wieso es möglich ist, daß auf zweihundert Plazas
de Toros, von denen viele mehr Zuschauer fassen, als eine ansehnliche Mittel¬
stadt Einwohner hat, alljährlich viele Tausende von Stieren unter dem Jubel
tausendköpfiger Massen getötet werden. Daneben ist dann noch die Frage auf¬
zuwerfen, wie es kommt, daß diese Sitte doch im wesentlichen auf Spanien
beschränkt ist, denn die verhältnismäßig wenigen Schauspiele dieser Art im
Süden Frankreichs kommen daneben kaum in betracht. Mit einer allgemeinen
sittlichen Entrüstung ist da wenig beantwortet. Wir wollen darum versuchen,
aus der Psychologie des spanischen Volkes heraus, wie diese sich in der Geschichte
offenbart, jene Erscheinung zu erklären.




Dabei kann es nicht unsere Aufgabe sein, eine ausführliche Darstellung
aller Vorgänge bei einem Stiergefecht zu geben. Diese sind oft und vortrefflich


von spanischen Stierkämpfen

nachzuahmen, da sie zu keinen verlockenderen Ergebnissen geführt haben. Es
ist das Verdienst der besprochenen Schrift, durch einen Vergleich der handels¬
politischen Maßnahmen anderer Kolonialmächte nachgewiesen zu haben, daß die
deutsche Regierung, trotz des Widerspruchs weiter Kreise, mit ihrer kolonialen
Handelspolitik auf dem richtigen Wege ist.




Von spanischen Htierkämpfen
von Richard Freyen

eder der Spaniens Boden betritt, hält es für unumgänglich,
einem Stierkampfe beizuwohnen. Denn erstens meint man, es
sei schlimmer, das versäumt zu haben, als in Rom den Papst
nicht zu sehen (den bekanntlich die wenigsten Romreisenden zu
sehen bekommen), zweitens ist es doch überaus interessant und
prickelnd, einem solchen Schauspiele beizuwohnen, und drittens kann man sich
so herrlich moralisch über alle diejenigen entrüsten, die zu solchen Dingen hin¬
gehen.

Nun ist ja gewiß eine solche moralische Entrüstung etwas überaus Wohl¬
tuendes und persönlich Erhebendes, und es soll auch ohne weiteres zugegeben
werden, daß zu einer solchen Entrüstung Grund genug ist; aber dennoch scheint
uns eine solche sittliche Empörung allein ein recht unzureichender Gesichtswinkel
gegenüber einer Sitte zu sein, die nun schon seit Jahrhunderten in immer
steigendem Maße ein großes, in vieler Beziehung edel veranlagtes und für die
Entwicklung der Menschheit bedeutsames Volk begeistert. Richtiger wäre es,
den Gründen nachzugehen, wieso es möglich ist, daß auf zweihundert Plazas
de Toros, von denen viele mehr Zuschauer fassen, als eine ansehnliche Mittel¬
stadt Einwohner hat, alljährlich viele Tausende von Stieren unter dem Jubel
tausendköpfiger Massen getötet werden. Daneben ist dann noch die Frage auf¬
zuwerfen, wie es kommt, daß diese Sitte doch im wesentlichen auf Spanien
beschränkt ist, denn die verhältnismäßig wenigen Schauspiele dieser Art im
Süden Frankreichs kommen daneben kaum in betracht. Mit einer allgemeinen
sittlichen Entrüstung ist da wenig beantwortet. Wir wollen darum versuchen,
aus der Psychologie des spanischen Volkes heraus, wie diese sich in der Geschichte
offenbart, jene Erscheinung zu erklären.




Dabei kann es nicht unsere Aufgabe sein, eine ausführliche Darstellung
aller Vorgänge bei einem Stiergefecht zu geben. Diese sind oft und vortrefflich


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[0378] von spanischen Stierkämpfen nachzuahmen, da sie zu keinen verlockenderen Ergebnissen geführt haben. Es ist das Verdienst der besprochenen Schrift, durch einen Vergleich der handels¬ politischen Maßnahmen anderer Kolonialmächte nachgewiesen zu haben, daß die deutsche Regierung, trotz des Widerspruchs weiter Kreise, mit ihrer kolonialen Handelspolitik auf dem richtigen Wege ist. Von spanischen Htierkämpfen von Richard Freyen eder der Spaniens Boden betritt, hält es für unumgänglich, einem Stierkampfe beizuwohnen. Denn erstens meint man, es sei schlimmer, das versäumt zu haben, als in Rom den Papst nicht zu sehen (den bekanntlich die wenigsten Romreisenden zu sehen bekommen), zweitens ist es doch überaus interessant und prickelnd, einem solchen Schauspiele beizuwohnen, und drittens kann man sich so herrlich moralisch über alle diejenigen entrüsten, die zu solchen Dingen hin¬ gehen. Nun ist ja gewiß eine solche moralische Entrüstung etwas überaus Wohl¬ tuendes und persönlich Erhebendes, und es soll auch ohne weiteres zugegeben werden, daß zu einer solchen Entrüstung Grund genug ist; aber dennoch scheint uns eine solche sittliche Empörung allein ein recht unzureichender Gesichtswinkel gegenüber einer Sitte zu sein, die nun schon seit Jahrhunderten in immer steigendem Maße ein großes, in vieler Beziehung edel veranlagtes und für die Entwicklung der Menschheit bedeutsames Volk begeistert. Richtiger wäre es, den Gründen nachzugehen, wieso es möglich ist, daß auf zweihundert Plazas de Toros, von denen viele mehr Zuschauer fassen, als eine ansehnliche Mittel¬ stadt Einwohner hat, alljährlich viele Tausende von Stieren unter dem Jubel tausendköpfiger Massen getötet werden. Daneben ist dann noch die Frage auf¬ zuwerfen, wie es kommt, daß diese Sitte doch im wesentlichen auf Spanien beschränkt ist, denn die verhältnismäßig wenigen Schauspiele dieser Art im Süden Frankreichs kommen daneben kaum in betracht. Mit einer allgemeinen sittlichen Entrüstung ist da wenig beantwortet. Wir wollen darum versuchen, aus der Psychologie des spanischen Volkes heraus, wie diese sich in der Geschichte offenbart, jene Erscheinung zu erklären. Dabei kann es nicht unsere Aufgabe sein, eine ausführliche Darstellung aller Vorgänge bei einem Stiergefecht zu geben. Diese sind oft und vortrefflich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/378>, abgerufen am 13.11.2024.