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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Die koloniale Handelspolitik der Weltmächte

land auch gar nicht an eine umfassende Zollbelastung kolonialer Plantagen¬
produkte.

Einfuhrzölle liegen nur auf Petroleum und Zucker, außerdem werden
Nahrungsmittelzölle zum Schutze der landwirtschaftlichen Produktion erhoben.
Allerdings wird durch den südwestasrikanischen Schutzzoll auf Butter, Fleisch und
Schlachtvieh die Lebenshaltung in Südwest sehr verteuert; im Interesse der
landwirtschaftlichen Zukunft dieser Kolonie ist es aber gerechtfertigt, wenn man
die Bewohner zwingt, die durch Zölle belasteten Waren aus den reichen land¬
wirtschaftlichen Mitteln der Kolonie selbst herzustellen. Der Hebung dieser
eigentlichen Kraftquelle dient auch die zollfreie Einführung von Zuchtvieh und
die erhebliche Ausfuhrbesteuerung von lebendem Muttervieh*). Weiterhin kennt,
wie schon angedeutet, der südwestafrikanische Zolltarif einheitliche Geivichtszölle
auf Genußmittel, die ohne Unterschied der Qualität, sei es nun Branntwein
oder französischen Kognak. Rohtabak (in Blättern, der zugunsten der Südwester
Tabakpflanzer einem Schutzzoll unterliegt) oder Havannazigarren, deutschen
Schaumwein oder französischen Sekt gleichmäßig belasten. Endlich liegt ein
erheblicher Ausfuhrzoll auf den Diamanten Südwestafrikas**). Besonders diese
Diamantzollpolitik gibt dem Reiche eine langersehnte Entschädigung für die
jahrzehntelangen, zur Deckung des Defizits im Kolonialetat ü konnt perclu ge¬
zählten Reichszuschüsse. Waren es doch vor allem diese Zuschüsse, die im Mutter¬
land die koloniale Müdigkeit und den Kolonialpessimismus von 1886 bis 1906
erzeugten, bis Dernburg im Jahre 1908 mit seiner kolonialen Anleihepolitik
die Kolonien bei Ausgaben für werbende Anlagen auf eigene Füße stellte und
das Mutterland so von drückenden Lasten befreite***).

Da die kolonialen Ausfuhrzölle nur Produkte treffen, die einen mäßigen
Bruchteil unseres Außenhandels ausmachen, wird man sich mit Jöhlinger von
der Forderung ihrer Differenzierung wenig Erfolg versprechen können. Vielmehr
wird man mit ihm zu dem Schluß kommen, daß Deutschlands koloniale Handels¬
politik fürs erste im allgemeinen nicht veränderungsfähig ist, zumal sie ohne
Vorzugsbehaudlung einen höheren prozentualen Anteil am Handel mit den
Kolonien hat, als andere Länder trotz der bestehenden Bevorzugung. Deutsch¬
land hat daher keinen Anlaß, die koloniale Handelspolitik anderer Weltmächte





*) Über die landwirtschaftlichen Verhältnisse Südwestafrikas, die zu der besonderen
deutschon Schutzzollpolitik Anlaß gegeben haben, orientiert ein Aufsatz Jöhlingers über "Das
deutsche Kapital und die koloniale Farmwirtschaft" in Ostwalds technisch-wissenschaftlicher
Wochenschrift "Prometheus", Heft 1224 und 122S vom 12. und 19. April 1913.
"*) Über sie hat Jöhlinger kürzlich in Schmollers "Jahrbuch für Gesetzgebung und Ver¬
waltung" eine besondere Abhandlung veröffentlicht, Jahrg. 1914, S. 303 ff."
Auch über dieses Problem, "Kolonialschulden und Kolonialanleihcn, liegt eine
Abhandlung Jöhlingers vor (vgl. G, Schanz' "Finanzarchiv" Jahrg. 31, Bd. 1), die ebenso
wie Jöhlingers Periodische, finanzielle und wirtschaftliche Rückblicke in Reimers "Kolonialer
Rundschau" vortreffliche Gesichtspunkte für eine gesunde koloniale Jnvestitionspolitik bietet
Die koloniale Handelspolitik der Weltmächte

land auch gar nicht an eine umfassende Zollbelastung kolonialer Plantagen¬
produkte.

Einfuhrzölle liegen nur auf Petroleum und Zucker, außerdem werden
Nahrungsmittelzölle zum Schutze der landwirtschaftlichen Produktion erhoben.
Allerdings wird durch den südwestasrikanischen Schutzzoll auf Butter, Fleisch und
Schlachtvieh die Lebenshaltung in Südwest sehr verteuert; im Interesse der
landwirtschaftlichen Zukunft dieser Kolonie ist es aber gerechtfertigt, wenn man
die Bewohner zwingt, die durch Zölle belasteten Waren aus den reichen land¬
wirtschaftlichen Mitteln der Kolonie selbst herzustellen. Der Hebung dieser
eigentlichen Kraftquelle dient auch die zollfreie Einführung von Zuchtvieh und
die erhebliche Ausfuhrbesteuerung von lebendem Muttervieh*). Weiterhin kennt,
wie schon angedeutet, der südwestafrikanische Zolltarif einheitliche Geivichtszölle
auf Genußmittel, die ohne Unterschied der Qualität, sei es nun Branntwein
oder französischen Kognak. Rohtabak (in Blättern, der zugunsten der Südwester
Tabakpflanzer einem Schutzzoll unterliegt) oder Havannazigarren, deutschen
Schaumwein oder französischen Sekt gleichmäßig belasten. Endlich liegt ein
erheblicher Ausfuhrzoll auf den Diamanten Südwestafrikas**). Besonders diese
Diamantzollpolitik gibt dem Reiche eine langersehnte Entschädigung für die
jahrzehntelangen, zur Deckung des Defizits im Kolonialetat ü konnt perclu ge¬
zählten Reichszuschüsse. Waren es doch vor allem diese Zuschüsse, die im Mutter¬
land die koloniale Müdigkeit und den Kolonialpessimismus von 1886 bis 1906
erzeugten, bis Dernburg im Jahre 1908 mit seiner kolonialen Anleihepolitik
die Kolonien bei Ausgaben für werbende Anlagen auf eigene Füße stellte und
das Mutterland so von drückenden Lasten befreite***).

Da die kolonialen Ausfuhrzölle nur Produkte treffen, die einen mäßigen
Bruchteil unseres Außenhandels ausmachen, wird man sich mit Jöhlinger von
der Forderung ihrer Differenzierung wenig Erfolg versprechen können. Vielmehr
wird man mit ihm zu dem Schluß kommen, daß Deutschlands koloniale Handels¬
politik fürs erste im allgemeinen nicht veränderungsfähig ist, zumal sie ohne
Vorzugsbehaudlung einen höheren prozentualen Anteil am Handel mit den
Kolonien hat, als andere Länder trotz der bestehenden Bevorzugung. Deutsch¬
land hat daher keinen Anlaß, die koloniale Handelspolitik anderer Weltmächte





*) Über die landwirtschaftlichen Verhältnisse Südwestafrikas, die zu der besonderen
deutschon Schutzzollpolitik Anlaß gegeben haben, orientiert ein Aufsatz Jöhlingers über „Das
deutsche Kapital und die koloniale Farmwirtschaft" in Ostwalds technisch-wissenschaftlicher
Wochenschrift „Prometheus", Heft 1224 und 122S vom 12. und 19. April 1913.
"*) Über sie hat Jöhlinger kürzlich in Schmollers „Jahrbuch für Gesetzgebung und Ver¬
waltung" eine besondere Abhandlung veröffentlicht, Jahrg. 1914, S. 303 ff."
Auch über dieses Problem, „Kolonialschulden und Kolonialanleihcn, liegt eine
Abhandlung Jöhlingers vor (vgl. G, Schanz' „Finanzarchiv" Jahrg. 31, Bd. 1), die ebenso
wie Jöhlingers Periodische, finanzielle und wirtschaftliche Rückblicke in Reimers „Kolonialer
Rundschau" vortreffliche Gesichtspunkte für eine gesunde koloniale Jnvestitionspolitik bietet
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[0377] Die koloniale Handelspolitik der Weltmächte land auch gar nicht an eine umfassende Zollbelastung kolonialer Plantagen¬ produkte. Einfuhrzölle liegen nur auf Petroleum und Zucker, außerdem werden Nahrungsmittelzölle zum Schutze der landwirtschaftlichen Produktion erhoben. Allerdings wird durch den südwestasrikanischen Schutzzoll auf Butter, Fleisch und Schlachtvieh die Lebenshaltung in Südwest sehr verteuert; im Interesse der landwirtschaftlichen Zukunft dieser Kolonie ist es aber gerechtfertigt, wenn man die Bewohner zwingt, die durch Zölle belasteten Waren aus den reichen land¬ wirtschaftlichen Mitteln der Kolonie selbst herzustellen. Der Hebung dieser eigentlichen Kraftquelle dient auch die zollfreie Einführung von Zuchtvieh und die erhebliche Ausfuhrbesteuerung von lebendem Muttervieh*). Weiterhin kennt, wie schon angedeutet, der südwestafrikanische Zolltarif einheitliche Geivichtszölle auf Genußmittel, die ohne Unterschied der Qualität, sei es nun Branntwein oder französischen Kognak. Rohtabak (in Blättern, der zugunsten der Südwester Tabakpflanzer einem Schutzzoll unterliegt) oder Havannazigarren, deutschen Schaumwein oder französischen Sekt gleichmäßig belasten. Endlich liegt ein erheblicher Ausfuhrzoll auf den Diamanten Südwestafrikas**). Besonders diese Diamantzollpolitik gibt dem Reiche eine langersehnte Entschädigung für die jahrzehntelangen, zur Deckung des Defizits im Kolonialetat ü konnt perclu ge¬ zählten Reichszuschüsse. Waren es doch vor allem diese Zuschüsse, die im Mutter¬ land die koloniale Müdigkeit und den Kolonialpessimismus von 1886 bis 1906 erzeugten, bis Dernburg im Jahre 1908 mit seiner kolonialen Anleihepolitik die Kolonien bei Ausgaben für werbende Anlagen auf eigene Füße stellte und das Mutterland so von drückenden Lasten befreite***). Da die kolonialen Ausfuhrzölle nur Produkte treffen, die einen mäßigen Bruchteil unseres Außenhandels ausmachen, wird man sich mit Jöhlinger von der Forderung ihrer Differenzierung wenig Erfolg versprechen können. Vielmehr wird man mit ihm zu dem Schluß kommen, daß Deutschlands koloniale Handels¬ politik fürs erste im allgemeinen nicht veränderungsfähig ist, zumal sie ohne Vorzugsbehaudlung einen höheren prozentualen Anteil am Handel mit den Kolonien hat, als andere Länder trotz der bestehenden Bevorzugung. Deutsch¬ land hat daher keinen Anlaß, die koloniale Handelspolitik anderer Weltmächte *) Über die landwirtschaftlichen Verhältnisse Südwestafrikas, die zu der besonderen deutschon Schutzzollpolitik Anlaß gegeben haben, orientiert ein Aufsatz Jöhlingers über „Das deutsche Kapital und die koloniale Farmwirtschaft" in Ostwalds technisch-wissenschaftlicher Wochenschrift „Prometheus", Heft 1224 und 122S vom 12. und 19. April 1913. "*) Über sie hat Jöhlinger kürzlich in Schmollers „Jahrbuch für Gesetzgebung und Ver¬ waltung" eine besondere Abhandlung veröffentlicht, Jahrg. 1914, S. 303 ff." Auch über dieses Problem, „Kolonialschulden und Kolonialanleihcn, liegt eine Abhandlung Jöhlingers vor (vgl. G, Schanz' „Finanzarchiv" Jahrg. 31, Bd. 1), die ebenso wie Jöhlingers Periodische, finanzielle und wirtschaftliche Rückblicke in Reimers „Kolonialer Rundschau" vortreffliche Gesichtspunkte für eine gesunde koloniale Jnvestitionspolitik bietet

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/377>, abgerufen am 13.11.2024.