Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Aardinal Aopps Bedeutung
für den politischen Aatholizismus in Deutschland
Dr. Franz Schnabel von

is Kardinal und Fürstbischof Georg Kopp am 4. März dieses
Jahres starb -- kurz nachdem er durch seine Haltung in der
Gewerkschastsfrage den zahlreichen Rätseln und unerwarteten
Schritten seiner politischen Laufbahn noch einmal für viele eine
neue Überraschung hinzugefügt hatte ---, da sind sich trotzdem
alle Parteien und die Organe aller Richtungen, von der äußersten Rechten
bis zur äußersten Linken, in bemerkenswerter Weise einig gewesen über
die Bedeutung des verstorbenen Kirchenfürsten, über seinen Charakter und über
seine Persönlichkeit. Die Worte der Anerkennung, die ihm gezollt wurden,
erntete er freilich aus gar verschiedenen Gründen, je nach dem Ausgangspunkte
der Urteilenden; aber es war doch bezeichnend für diesen Mann, daß fast
keine Parteiäußerung vorlag, die nicht in irgendeiner Weise sich von den
üblichen nachrufen unterschied, welche die Parteiorgane dem verstorbenen An¬
hänger einer gegnerischen Richtung zu widmen pflegen. Auf der einen Seite
anerkannte man die Haltung des Fürstbischofs in der Polenfrage und sein Be¬
streben, jeden sichtbaren Konflikt mit der Staatsgewalt zu meiden -- und darin war
er in der Tat den nationalen Forderungen wenigstens in der praktischen Politik
zum Teil entgegengekommen und hatte eine Bahn betreten, welche dem
politischen Katholizismus bis dahin unbekannt gewesen war; auf der anderen
Seite rühmten ihn sozialdemokratische Blätter auf ihre Weise, weil er die
Prinzipien der Autorität, des Konfessionalismus und der konservativen Politik
bis in ihre letzten Konsequenzen und bis in die Arbeiterfrage hinein verfolgt
habe und nicht durch den klerikalen "Revisionismus" der "Kölner" alle Begriffe
verwirren ließ. So gingen die Preßstimmen in den verschiedensten Ab¬
tönungen von rechts nach links und von links nach rechts, so daß man allein
schon aus diesen Urteilen, die bei aller Zurückweisung der prinzipiellen An¬
schauungen doch den Politiker und Taktiker nicht völlig verwarfen, den Schluß
zu ziehen berechtigt war, daß man es hier nicht mit einem Parteipolitiker zu
tun hatte, der im festgefügten Nahmen einer bestimmten Partei geworden war.

Deutlich zeigen dies auch die Nekrologe der Zentrumsblätter. Sein Tod
war ja erfolgt mitten in den Kämpfen, die er durch sein einseitiges Eingreifen




Aardinal Aopps Bedeutung
für den politischen Aatholizismus in Deutschland
Dr. Franz Schnabel von

is Kardinal und Fürstbischof Georg Kopp am 4. März dieses
Jahres starb — kurz nachdem er durch seine Haltung in der
Gewerkschastsfrage den zahlreichen Rätseln und unerwarteten
Schritten seiner politischen Laufbahn noch einmal für viele eine
neue Überraschung hinzugefügt hatte -—, da sind sich trotzdem
alle Parteien und die Organe aller Richtungen, von der äußersten Rechten
bis zur äußersten Linken, in bemerkenswerter Weise einig gewesen über
die Bedeutung des verstorbenen Kirchenfürsten, über seinen Charakter und über
seine Persönlichkeit. Die Worte der Anerkennung, die ihm gezollt wurden,
erntete er freilich aus gar verschiedenen Gründen, je nach dem Ausgangspunkte
der Urteilenden; aber es war doch bezeichnend für diesen Mann, daß fast
keine Parteiäußerung vorlag, die nicht in irgendeiner Weise sich von den
üblichen nachrufen unterschied, welche die Parteiorgane dem verstorbenen An¬
hänger einer gegnerischen Richtung zu widmen pflegen. Auf der einen Seite
anerkannte man die Haltung des Fürstbischofs in der Polenfrage und sein Be¬
streben, jeden sichtbaren Konflikt mit der Staatsgewalt zu meiden — und darin war
er in der Tat den nationalen Forderungen wenigstens in der praktischen Politik
zum Teil entgegengekommen und hatte eine Bahn betreten, welche dem
politischen Katholizismus bis dahin unbekannt gewesen war; auf der anderen
Seite rühmten ihn sozialdemokratische Blätter auf ihre Weise, weil er die
Prinzipien der Autorität, des Konfessionalismus und der konservativen Politik
bis in ihre letzten Konsequenzen und bis in die Arbeiterfrage hinein verfolgt
habe und nicht durch den klerikalen „Revisionismus" der „Kölner" alle Begriffe
verwirren ließ. So gingen die Preßstimmen in den verschiedensten Ab¬
tönungen von rechts nach links und von links nach rechts, so daß man allein
schon aus diesen Urteilen, die bei aller Zurückweisung der prinzipiellen An¬
schauungen doch den Politiker und Taktiker nicht völlig verwarfen, den Schluß
zu ziehen berechtigt war, daß man es hier nicht mit einem Parteipolitiker zu
tun hatte, der im festgefügten Nahmen einer bestimmten Partei geworden war.

Deutlich zeigen dies auch die Nekrologe der Zentrumsblätter. Sein Tod
war ja erfolgt mitten in den Kämpfen, die er durch sein einseitiges Eingreifen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0272" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328372"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341899_328099/figures/grenzboten_341899_328099_328372_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Aardinal Aopps Bedeutung<lb/>
für den politischen Aatholizismus in Deutschland<lb/><note type="byline"> Dr. Franz Schnabel</note> von </head><lb/>
          <p xml:id="ID_1188"> is Kardinal und Fürstbischof Georg Kopp am 4. März dieses<lb/>
Jahres starb &#x2014; kurz nachdem er durch seine Haltung in der<lb/>
Gewerkschastsfrage den zahlreichen Rätseln und unerwarteten<lb/>
Schritten seiner politischen Laufbahn noch einmal für viele eine<lb/>
neue Überraschung hinzugefügt hatte -&#x2014;, da sind sich trotzdem<lb/>
alle Parteien und die Organe aller Richtungen, von der äußersten Rechten<lb/>
bis zur äußersten Linken, in bemerkenswerter Weise einig gewesen über<lb/>
die Bedeutung des verstorbenen Kirchenfürsten, über seinen Charakter und über<lb/>
seine Persönlichkeit. Die Worte der Anerkennung, die ihm gezollt wurden,<lb/>
erntete er freilich aus gar verschiedenen Gründen, je nach dem Ausgangspunkte<lb/>
der Urteilenden; aber es war doch bezeichnend für diesen Mann, daß fast<lb/>
keine Parteiäußerung vorlag, die nicht in irgendeiner Weise sich von den<lb/>
üblichen nachrufen unterschied, welche die Parteiorgane dem verstorbenen An¬<lb/>
hänger einer gegnerischen Richtung zu widmen pflegen. Auf der einen Seite<lb/>
anerkannte man die Haltung des Fürstbischofs in der Polenfrage und sein Be¬<lb/>
streben, jeden sichtbaren Konflikt mit der Staatsgewalt zu meiden &#x2014; und darin war<lb/>
er in der Tat den nationalen Forderungen wenigstens in der praktischen Politik<lb/>
zum Teil entgegengekommen und hatte eine Bahn betreten, welche dem<lb/>
politischen Katholizismus bis dahin unbekannt gewesen war; auf der anderen<lb/>
Seite rühmten ihn sozialdemokratische Blätter auf ihre Weise, weil er die<lb/>
Prinzipien der Autorität, des Konfessionalismus und der konservativen Politik<lb/>
bis in ihre letzten Konsequenzen und bis in die Arbeiterfrage hinein verfolgt<lb/>
habe und nicht durch den klerikalen &#x201E;Revisionismus" der &#x201E;Kölner" alle Begriffe<lb/>
verwirren ließ. So gingen die Preßstimmen in den verschiedensten Ab¬<lb/>
tönungen von rechts nach links und von links nach rechts, so daß man allein<lb/>
schon aus diesen Urteilen, die bei aller Zurückweisung der prinzipiellen An¬<lb/>
schauungen doch den Politiker und Taktiker nicht völlig verwarfen, den Schluß<lb/>
zu ziehen berechtigt war, daß man es hier nicht mit einem Parteipolitiker zu<lb/>
tun hatte, der im festgefügten Nahmen einer bestimmten Partei geworden war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1189" next="#ID_1190"> Deutlich zeigen dies auch die Nekrologe der Zentrumsblätter. Sein Tod<lb/>
war ja erfolgt mitten in den Kämpfen, die er durch sein einseitiges Eingreifen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0272] [Abbildung] Aardinal Aopps Bedeutung für den politischen Aatholizismus in Deutschland Dr. Franz Schnabel von is Kardinal und Fürstbischof Georg Kopp am 4. März dieses Jahres starb — kurz nachdem er durch seine Haltung in der Gewerkschastsfrage den zahlreichen Rätseln und unerwarteten Schritten seiner politischen Laufbahn noch einmal für viele eine neue Überraschung hinzugefügt hatte -—, da sind sich trotzdem alle Parteien und die Organe aller Richtungen, von der äußersten Rechten bis zur äußersten Linken, in bemerkenswerter Weise einig gewesen über die Bedeutung des verstorbenen Kirchenfürsten, über seinen Charakter und über seine Persönlichkeit. Die Worte der Anerkennung, die ihm gezollt wurden, erntete er freilich aus gar verschiedenen Gründen, je nach dem Ausgangspunkte der Urteilenden; aber es war doch bezeichnend für diesen Mann, daß fast keine Parteiäußerung vorlag, die nicht in irgendeiner Weise sich von den üblichen nachrufen unterschied, welche die Parteiorgane dem verstorbenen An¬ hänger einer gegnerischen Richtung zu widmen pflegen. Auf der einen Seite anerkannte man die Haltung des Fürstbischofs in der Polenfrage und sein Be¬ streben, jeden sichtbaren Konflikt mit der Staatsgewalt zu meiden — und darin war er in der Tat den nationalen Forderungen wenigstens in der praktischen Politik zum Teil entgegengekommen und hatte eine Bahn betreten, welche dem politischen Katholizismus bis dahin unbekannt gewesen war; auf der anderen Seite rühmten ihn sozialdemokratische Blätter auf ihre Weise, weil er die Prinzipien der Autorität, des Konfessionalismus und der konservativen Politik bis in ihre letzten Konsequenzen und bis in die Arbeiterfrage hinein verfolgt habe und nicht durch den klerikalen „Revisionismus" der „Kölner" alle Begriffe verwirren ließ. So gingen die Preßstimmen in den verschiedensten Ab¬ tönungen von rechts nach links und von links nach rechts, so daß man allein schon aus diesen Urteilen, die bei aller Zurückweisung der prinzipiellen An¬ schauungen doch den Politiker und Taktiker nicht völlig verwarfen, den Schluß zu ziehen berechtigt war, daß man es hier nicht mit einem Parteipolitiker zu tun hatte, der im festgefügten Nahmen einer bestimmten Partei geworden war. Deutlich zeigen dies auch die Nekrologe der Zentrumsblätter. Sein Tod war ja erfolgt mitten in den Kämpfen, die er durch sein einseitiges Eingreifen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/272
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/272>, abgerufen am 13.11.2024.