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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Die Mexis'ofrage

bisher. Erst wenn auf allen Gebieten der Industrie die Noherzeugnisse nicht nur
zu industriellen Fabrikaten schlechthin, sondern zu ästhetischen und kunstgewerblichen
Wertgegenständen umgestaltet und verarbeitet werden, erst wenn der Fabrikant
sich nicht mehr der Nouveautesucht und dem raschen Modewechsel fügen muß,
sondern es ohne Gefahr für seinen Geschäftsbetrieb wagen kann, den billigen
Massenartikeln nach Qualität und Form hochwertige Erzeugnisse entgegenzusetzen,
erst dann wird die Kunst wieder zu einem die ganze gewerbliche Produktion
durchdringenden Prinzip werden.




Die Mexikofrage
Navalis von

me mexikanische Frage besteht seit dem Sturze des langjährigen
Präsidenten und Diktators Porfirio Diaz. Ihm als erstem war
es gelungen, die Vereinigten Staaten von Mexiko mit starker
Hand zusammenzufassen. Aufstände, Unruhen, Räubereien wurden
unterdrückt, und zwar mit grausamer rücksichtsloser Strenge.
Porfirio Diaz und seine Gehilfen sind nie wühlerisch in ihren Mitteln gewesen,
und wenn es etwas zu bestrafen galt, so kam es nicht immer darauf an, ob
der Schuldige mit unter den Bestraften war. Man "statuierte Exempel", um
nach innen und nach außen zu zeigen, daß die Hand des Herrn überall gegen¬
wärtig war und von ihrer Stärke nichts verloren habe. War irgendwo ein
Mord begangen worden, so erging von der Hauptstadt aus der Befehl, in Er¬
mangelung des Mörders eine gewisse Zahl von Menschen in der Gegend des
Mordes zu exekutieren. Dieses summarische Verfahren war vielleicht oft not¬
wendig, aber es konnte nicht fehlen, daß es, ebenso wie viele entsprechende Akte
der Regierungswillkür, steigende Erbitterung erregte, deren Betätigung nur durch
die Furcht gehindert wurde. Die Erbitterung stieg um so mehr, als im
Laufe der Diazschen Regierungszeit das gewaltige Gebiet von Mexiko aufhörte,
eine terra elauZg, zu sein: Verkehrsmittel und Eisenbahnen wurden geschaffen
und Fremde kamen in das Land, gewinnbringenden Erwerb nachzugehen.
Diese Fremden, besonders Amerikaner, brachten ihre eigenen Auffassungen staat¬
lichen Lebens, bürgerlicher Freiheiten und Gerechtsamen mit, die mit den von
Diaz in seinen patriarchalischen Akten bezeugten nichts weniger denn zusammen¬
gingen. Gewiß ist noch eine Reihe anderer Momente hinzugekommen, aber es
steht wohl außer Zweifel, daß zu einem sehr bedeutenden Teile die kritische und
eben dadurch verhetzende Tätigkeit der zugezogenen Fremden die Erbitterung
gegen Diaz im eigenen Lande dauernd und wirksam gesehnt hat. Bereits als


Die Mexis'ofrage

bisher. Erst wenn auf allen Gebieten der Industrie die Noherzeugnisse nicht nur
zu industriellen Fabrikaten schlechthin, sondern zu ästhetischen und kunstgewerblichen
Wertgegenständen umgestaltet und verarbeitet werden, erst wenn der Fabrikant
sich nicht mehr der Nouveautesucht und dem raschen Modewechsel fügen muß,
sondern es ohne Gefahr für seinen Geschäftsbetrieb wagen kann, den billigen
Massenartikeln nach Qualität und Form hochwertige Erzeugnisse entgegenzusetzen,
erst dann wird die Kunst wieder zu einem die ganze gewerbliche Produktion
durchdringenden Prinzip werden.




Die Mexikofrage
Navalis von

me mexikanische Frage besteht seit dem Sturze des langjährigen
Präsidenten und Diktators Porfirio Diaz. Ihm als erstem war
es gelungen, die Vereinigten Staaten von Mexiko mit starker
Hand zusammenzufassen. Aufstände, Unruhen, Räubereien wurden
unterdrückt, und zwar mit grausamer rücksichtsloser Strenge.
Porfirio Diaz und seine Gehilfen sind nie wühlerisch in ihren Mitteln gewesen,
und wenn es etwas zu bestrafen galt, so kam es nicht immer darauf an, ob
der Schuldige mit unter den Bestraften war. Man „statuierte Exempel", um
nach innen und nach außen zu zeigen, daß die Hand des Herrn überall gegen¬
wärtig war und von ihrer Stärke nichts verloren habe. War irgendwo ein
Mord begangen worden, so erging von der Hauptstadt aus der Befehl, in Er¬
mangelung des Mörders eine gewisse Zahl von Menschen in der Gegend des
Mordes zu exekutieren. Dieses summarische Verfahren war vielleicht oft not¬
wendig, aber es konnte nicht fehlen, daß es, ebenso wie viele entsprechende Akte
der Regierungswillkür, steigende Erbitterung erregte, deren Betätigung nur durch
die Furcht gehindert wurde. Die Erbitterung stieg um so mehr, als im
Laufe der Diazschen Regierungszeit das gewaltige Gebiet von Mexiko aufhörte,
eine terra elauZg, zu sein: Verkehrsmittel und Eisenbahnen wurden geschaffen
und Fremde kamen in das Land, gewinnbringenden Erwerb nachzugehen.
Diese Fremden, besonders Amerikaner, brachten ihre eigenen Auffassungen staat¬
lichen Lebens, bürgerlicher Freiheiten und Gerechtsamen mit, die mit den von
Diaz in seinen patriarchalischen Akten bezeugten nichts weniger denn zusammen¬
gingen. Gewiß ist noch eine Reihe anderer Momente hinzugekommen, aber es
steht wohl außer Zweifel, daß zu einem sehr bedeutenden Teile die kritische und
eben dadurch verhetzende Tätigkeit der zugezogenen Fremden die Erbitterung
gegen Diaz im eigenen Lande dauernd und wirksam gesehnt hat. Bereits als


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[0224] Die Mexis'ofrage bisher. Erst wenn auf allen Gebieten der Industrie die Noherzeugnisse nicht nur zu industriellen Fabrikaten schlechthin, sondern zu ästhetischen und kunstgewerblichen Wertgegenständen umgestaltet und verarbeitet werden, erst wenn der Fabrikant sich nicht mehr der Nouveautesucht und dem raschen Modewechsel fügen muß, sondern es ohne Gefahr für seinen Geschäftsbetrieb wagen kann, den billigen Massenartikeln nach Qualität und Form hochwertige Erzeugnisse entgegenzusetzen, erst dann wird die Kunst wieder zu einem die ganze gewerbliche Produktion durchdringenden Prinzip werden. Die Mexikofrage Navalis von me mexikanische Frage besteht seit dem Sturze des langjährigen Präsidenten und Diktators Porfirio Diaz. Ihm als erstem war es gelungen, die Vereinigten Staaten von Mexiko mit starker Hand zusammenzufassen. Aufstände, Unruhen, Räubereien wurden unterdrückt, und zwar mit grausamer rücksichtsloser Strenge. Porfirio Diaz und seine Gehilfen sind nie wühlerisch in ihren Mitteln gewesen, und wenn es etwas zu bestrafen galt, so kam es nicht immer darauf an, ob der Schuldige mit unter den Bestraften war. Man „statuierte Exempel", um nach innen und nach außen zu zeigen, daß die Hand des Herrn überall gegen¬ wärtig war und von ihrer Stärke nichts verloren habe. War irgendwo ein Mord begangen worden, so erging von der Hauptstadt aus der Befehl, in Er¬ mangelung des Mörders eine gewisse Zahl von Menschen in der Gegend des Mordes zu exekutieren. Dieses summarische Verfahren war vielleicht oft not¬ wendig, aber es konnte nicht fehlen, daß es, ebenso wie viele entsprechende Akte der Regierungswillkür, steigende Erbitterung erregte, deren Betätigung nur durch die Furcht gehindert wurde. Die Erbitterung stieg um so mehr, als im Laufe der Diazschen Regierungszeit das gewaltige Gebiet von Mexiko aufhörte, eine terra elauZg, zu sein: Verkehrsmittel und Eisenbahnen wurden geschaffen und Fremde kamen in das Land, gewinnbringenden Erwerb nachzugehen. Diese Fremden, besonders Amerikaner, brachten ihre eigenen Auffassungen staat¬ lichen Lebens, bürgerlicher Freiheiten und Gerechtsamen mit, die mit den von Diaz in seinen patriarchalischen Akten bezeugten nichts weniger denn zusammen¬ gingen. Gewiß ist noch eine Reihe anderer Momente hinzugekommen, aber es steht wohl außer Zweifel, daß zu einem sehr bedeutenden Teile die kritische und eben dadurch verhetzende Tätigkeit der zugezogenen Fremden die Erbitterung gegen Diaz im eigenen Lande dauernd und wirksam gesehnt hat. Bereits als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/224>, abgerufen am 13.11.2024.