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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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vom deutschen Stil

Im harten Winter wurden die Bewohner weiter Landstrecken obdachlos, und
wie jetzt die Reisenden nach Andernach kamen, sahen sie ein Holzhüttchen, ein
Zelt neben dem anderen. Das waren die Einwohner der Eifel, die sich nicht
wieder in ihre Dörfer wagten. Was sollten sie dort? Wenn sie ihr Feld
mühselig bestellten, vielleicht wieder ein paar Hühner, ein Schwein hatten, dann
kam der Franzos und nahm ihnen alles wieder weg. Wer sich zur Wehr setzte,
wurde tot geschlagen, und Frau und Tochter mußten schlimmeres erdulden.
Der Kurfürst von Trier saß wieder in Ehrenbreitstein und hoffte auf das Reich.
Der Kaiser war zornig, so sagte man, und in ganz Deutschland brütete die
Empörung.

Aber was hatte Ludwig gesagt? Ihr deutschen Fürsten macht mir doch
keinen Krieg.! Er führte eifrig in Straßburg, der eben gestohlenen Stadt, die
römische Kirche ein und verfolgte die Evangelischen.

"Schluß folgt)




Vom deutschen ^til
Rie von Larlowitz-Hartitzsch von

n achter Auflage liegt uns die bekannte Streitschrift Otto
Schroeders: "Vom papierener Stil" vor (B. G. Teubner,
Leipzig-Berlin 1912; brosch. 2,40 M.. geb. 3 M.). Es ist ein
Zeichen ihrer inneren Kraft und einer gesunden Tendenz, daß sie
noch heute so frisch wirkt wie am ersten Tage. Keck, offen und
scharf wendet sich der alte Husarenritt gegen all den süßen Schlendrian der viel
zu vielen Schreiberseelen. Und wo er einHaut, da bekommt das selbstselige
Honoratiorenbäuchlein einen Stoß, daß ihm die Luft ausgeht, und die klapper¬
dürre, papiergesteifte Korrektheit kracht in allen Fugen. Der "wackere Grenz¬
bote" (S. VIII) Wustmann hatte die Bahn gebrochen mit seinen: "Allerhand
Sprachdummheiten." Seitdem sind Auge und Sinn geschärft worden für die vielen
kleinen, großmächtigen Lächerlichkeiten, mit denen Hinz und Kunz und vor allem
Schmock beweisen muß, daß er reden kann "wie ein Buch". Warum das "ein
krankes Lob" (S. 81) ist, dieser eben noch durchaus nicht selbstverständlichen
Einsicht dient das ganze Buch mit viel Fleiß und noch mehr Geschick.

Da das Künstliche, Verbildete, mit einem Wort: "Papierene" der Sprache
darin besteht, daß es sie in wachsendem Maße ihrem ursprünglichen Wesen
entfremdet, gilt es, den historischen Einfluß aufzudecken, der diese Entwicklung.


vom deutschen Stil

Im harten Winter wurden die Bewohner weiter Landstrecken obdachlos, und
wie jetzt die Reisenden nach Andernach kamen, sahen sie ein Holzhüttchen, ein
Zelt neben dem anderen. Das waren die Einwohner der Eifel, die sich nicht
wieder in ihre Dörfer wagten. Was sollten sie dort? Wenn sie ihr Feld
mühselig bestellten, vielleicht wieder ein paar Hühner, ein Schwein hatten, dann
kam der Franzos und nahm ihnen alles wieder weg. Wer sich zur Wehr setzte,
wurde tot geschlagen, und Frau und Tochter mußten schlimmeres erdulden.
Der Kurfürst von Trier saß wieder in Ehrenbreitstein und hoffte auf das Reich.
Der Kaiser war zornig, so sagte man, und in ganz Deutschland brütete die
Empörung.

Aber was hatte Ludwig gesagt? Ihr deutschen Fürsten macht mir doch
keinen Krieg.! Er führte eifrig in Straßburg, der eben gestohlenen Stadt, die
römische Kirche ein und verfolgte die Evangelischen.

«Schluß folgt)




Vom deutschen ^til
Rie von Larlowitz-Hartitzsch von

n achter Auflage liegt uns die bekannte Streitschrift Otto
Schroeders: „Vom papierener Stil" vor (B. G. Teubner,
Leipzig-Berlin 1912; brosch. 2,40 M.. geb. 3 M.). Es ist ein
Zeichen ihrer inneren Kraft und einer gesunden Tendenz, daß sie
noch heute so frisch wirkt wie am ersten Tage. Keck, offen und
scharf wendet sich der alte Husarenritt gegen all den süßen Schlendrian der viel
zu vielen Schreiberseelen. Und wo er einHaut, da bekommt das selbstselige
Honoratiorenbäuchlein einen Stoß, daß ihm die Luft ausgeht, und die klapper¬
dürre, papiergesteifte Korrektheit kracht in allen Fugen. Der „wackere Grenz¬
bote" (S. VIII) Wustmann hatte die Bahn gebrochen mit seinen: „Allerhand
Sprachdummheiten." Seitdem sind Auge und Sinn geschärft worden für die vielen
kleinen, großmächtigen Lächerlichkeiten, mit denen Hinz und Kunz und vor allem
Schmock beweisen muß, daß er reden kann „wie ein Buch". Warum das „ein
krankes Lob" (S. 81) ist, dieser eben noch durchaus nicht selbstverständlichen
Einsicht dient das ganze Buch mit viel Fleiß und noch mehr Geschick.

Da das Künstliche, Verbildete, mit einem Wort: „Papierene" der Sprache
darin besteht, daß es sie in wachsendem Maße ihrem ursprünglichen Wesen
entfremdet, gilt es, den historischen Einfluß aufzudecken, der diese Entwicklung.


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[0188] vom deutschen Stil Im harten Winter wurden die Bewohner weiter Landstrecken obdachlos, und wie jetzt die Reisenden nach Andernach kamen, sahen sie ein Holzhüttchen, ein Zelt neben dem anderen. Das waren die Einwohner der Eifel, die sich nicht wieder in ihre Dörfer wagten. Was sollten sie dort? Wenn sie ihr Feld mühselig bestellten, vielleicht wieder ein paar Hühner, ein Schwein hatten, dann kam der Franzos und nahm ihnen alles wieder weg. Wer sich zur Wehr setzte, wurde tot geschlagen, und Frau und Tochter mußten schlimmeres erdulden. Der Kurfürst von Trier saß wieder in Ehrenbreitstein und hoffte auf das Reich. Der Kaiser war zornig, so sagte man, und in ganz Deutschland brütete die Empörung. Aber was hatte Ludwig gesagt? Ihr deutschen Fürsten macht mir doch keinen Krieg.! Er führte eifrig in Straßburg, der eben gestohlenen Stadt, die römische Kirche ein und verfolgte die Evangelischen. «Schluß folgt) Vom deutschen ^til Rie von Larlowitz-Hartitzsch von n achter Auflage liegt uns die bekannte Streitschrift Otto Schroeders: „Vom papierener Stil" vor (B. G. Teubner, Leipzig-Berlin 1912; brosch. 2,40 M.. geb. 3 M.). Es ist ein Zeichen ihrer inneren Kraft und einer gesunden Tendenz, daß sie noch heute so frisch wirkt wie am ersten Tage. Keck, offen und scharf wendet sich der alte Husarenritt gegen all den süßen Schlendrian der viel zu vielen Schreiberseelen. Und wo er einHaut, da bekommt das selbstselige Honoratiorenbäuchlein einen Stoß, daß ihm die Luft ausgeht, und die klapper¬ dürre, papiergesteifte Korrektheit kracht in allen Fugen. Der „wackere Grenz¬ bote" (S. VIII) Wustmann hatte die Bahn gebrochen mit seinen: „Allerhand Sprachdummheiten." Seitdem sind Auge und Sinn geschärft worden für die vielen kleinen, großmächtigen Lächerlichkeiten, mit denen Hinz und Kunz und vor allem Schmock beweisen muß, daß er reden kann „wie ein Buch". Warum das „ein krankes Lob" (S. 81) ist, dieser eben noch durchaus nicht selbstverständlichen Einsicht dient das ganze Buch mit viel Fleiß und noch mehr Geschick. Da das Künstliche, Verbildete, mit einem Wort: „Papierene" der Sprache darin besteht, daß es sie in wachsendem Maße ihrem ursprünglichen Wesen entfremdet, gilt es, den historischen Einfluß aufzudecken, der diese Entwicklung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/188>, abgerufen am 13.11.2024.