Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.Altnordische und altdeutsche Prosa Dr. Uarl Polheim von Um Prosa zu schreiben, muß man etwas zu sagen haben; wer Goethe zu Eckermann am 29. Januar Z827, le Prosa ist eine seltene Gabe der Göttin. Leichter und lieber Die Grenze zwischen Prosa und Poesie ist verwischt und verschoben worden, Altnordische und altdeutsche Prosa Dr. Uarl Polheim von Um Prosa zu schreiben, muß man etwas zu sagen haben; wer Goethe zu Eckermann am 29. Januar Z827, le Prosa ist eine seltene Gabe der Göttin. Leichter und lieber Die Grenze zwischen Prosa und Poesie ist verwischt und verschoben worden, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0118" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328218"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341899_328099/figures/grenzboten_341899_328099_328218_000.jpg"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Altnordische und altdeutsche Prosa<lb/><note type="byline"> Dr. Uarl Polheim</note> von </head><lb/> <quote type="epigraph"> Um Prosa zu schreiben, muß man etwas zu sagen haben; wer<lb/> aber nichts zu sagen hat, der kann doch Verse und Reime machen, wo<lb/> denn ein Wort das andere gibt und zuletzt etwas herauskommt, das<lb/> zwar nichts ist, aber doch aussieht als wäre es was.</quote><lb/> <note type="bibl"> Goethe zu Eckermann am 29. Januar Z827,</note><lb/> <p xml:id="ID_505"> le Prosa ist eine seltene Gabe der Göttin. Leichter und lieber<lb/> fast schenkt des Gesanges Gabe, der Lieder süßen Mund Apoll.<lb/> Zumal uns Heutigen ist die spröde, schlichte, einfältige Prosa<lb/> fremd geworden. Fremd, obzwar wir auf einem Höhepunkte der<lb/> Prosaproduktion stehen. Ich rede natürlich von der Dichtung, die<lb/> in Form der Prosa äußert: vom Roman und von der Novelle, von Ge¬<lb/> schichten, Erzählungen und dergleichen; auch das prosaisch geschriebene Drama<lb/> zählt bedingt hierher. Dieser Ausdrucksform der Sprache, der ungebundenen,<lb/> steht die gebundene, der Vers, gegenüber, der in der epischen Poesie unmodern<lb/> geworden ist, im Drama wenig geübt, erst neuerdings wieder öfter hervorgeholt<lb/> wird, und heute fast nur mehr die Lyrik, uyd auch sie nicht mehr unbestritten<lb/> beherrscht.</p><lb/> <p xml:id="ID_506" next="#ID_507"> Die Grenze zwischen Prosa und Poesie ist verwischt und verschoben worden,<lb/> Begriff und Form der strengen, unvermischten Prosa sind uns abhanden ge¬<lb/> kommen. Nicht die Dichter allein (die modernen Realisten eingeschlossen) sind<lb/> auf diesem Wege. Heutigentags verlangt man von jedem Autor, von: Jour¬<lb/> nalisten, vom Gerichts- und Kanzelredner, denen die Prosa nach Form und<lb/> Inhalt unbestritten zugebilligt werden müßte, man verlangt vom Briefschreiber,<lb/> vom Schüler selbst, der seinen Aufsatz übt, daß er „schwungvoll" schreibe. Und<lb/> man versteht darunter allerlei, über dessen Einzelheiten man sich keine Rechen¬<lb/> schaft gibt. schwungvoller Stil soll uneigentlicher Ausdruck sein, er soll<lb/> bilderreich sein (ach, wieviel unglückliche, entgleiste Vergleiche gehen auf diese<lb/> Rechnung!), er soll gefällig und flüssig, wohl gar rhythmisch klingen, Wieder¬<lb/> holungen sind streng verpönt, wenn sie nicht bewußt rhetorische Effekte erzielen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0118]
[Abbildung]
Altnordische und altdeutsche Prosa
Dr. Uarl Polheim von
Um Prosa zu schreiben, muß man etwas zu sagen haben; wer
aber nichts zu sagen hat, der kann doch Verse und Reime machen, wo
denn ein Wort das andere gibt und zuletzt etwas herauskommt, das
zwar nichts ist, aber doch aussieht als wäre es was.
Goethe zu Eckermann am 29. Januar Z827,
le Prosa ist eine seltene Gabe der Göttin. Leichter und lieber
fast schenkt des Gesanges Gabe, der Lieder süßen Mund Apoll.
Zumal uns Heutigen ist die spröde, schlichte, einfältige Prosa
fremd geworden. Fremd, obzwar wir auf einem Höhepunkte der
Prosaproduktion stehen. Ich rede natürlich von der Dichtung, die
in Form der Prosa äußert: vom Roman und von der Novelle, von Ge¬
schichten, Erzählungen und dergleichen; auch das prosaisch geschriebene Drama
zählt bedingt hierher. Dieser Ausdrucksform der Sprache, der ungebundenen,
steht die gebundene, der Vers, gegenüber, der in der epischen Poesie unmodern
geworden ist, im Drama wenig geübt, erst neuerdings wieder öfter hervorgeholt
wird, und heute fast nur mehr die Lyrik, uyd auch sie nicht mehr unbestritten
beherrscht.
Die Grenze zwischen Prosa und Poesie ist verwischt und verschoben worden,
Begriff und Form der strengen, unvermischten Prosa sind uns abhanden ge¬
kommen. Nicht die Dichter allein (die modernen Realisten eingeschlossen) sind
auf diesem Wege. Heutigentags verlangt man von jedem Autor, von: Jour¬
nalisten, vom Gerichts- und Kanzelredner, denen die Prosa nach Form und
Inhalt unbestritten zugebilligt werden müßte, man verlangt vom Briefschreiber,
vom Schüler selbst, der seinen Aufsatz übt, daß er „schwungvoll" schreibe. Und
man versteht darunter allerlei, über dessen Einzelheiten man sich keine Rechen¬
schaft gibt. schwungvoller Stil soll uneigentlicher Ausdruck sein, er soll
bilderreich sein (ach, wieviel unglückliche, entgleiste Vergleiche gehen auf diese
Rechnung!), er soll gefällig und flüssig, wohl gar rhythmisch klingen, Wieder¬
holungen sind streng verpönt, wenn sie nicht bewußt rhetorische Effekte erzielen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |