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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Kampfe, den Mathias um die Erlangung des
Kurländischm JndigenateS, allerdings völlig
vergeblich, geführt hat. Es kann hier auf
die Einzelheiten dieses Kampfes nicht ein¬
gegangen werden, auch nicht auf die Gründe
des Widerstandes der Kurländischen Land¬
tagsdeputierten oder Ritterbanksrichter gegen
die Jndigenatserteilung an das Geschlecht
Bühren und auf die Frage, ob das Adels¬
diplom, wie es sich selbst bezeichnet, tatsächlich
ein Adelsrenovationsdiplom war, oder ein
Neuadelungsdiplom. Der Freiherr Eduard
von Fircks nimmt, mit scheinbar gutem Grunde,
ersteres an. Das, worauf es hier zunächst
ankommt, ist vielmehr, daß der 1683 ver¬
storbene Karl von Bühren seit Erlaß des
vorerwähnten königlichen polnischen Gnaden¬
aktes ein wenn nicht kurländischer, so doch
Polnischer Edelmann war. Von einem "Kur¬
länder niederster Herkunft", wie Kleinschmidt
seinen Enkel Ernst Johann, den ersten Herzog
von Kurland nennt, kann also gar nicht die
Rede sein. Seine Abstammung von einem
"Stallknecht", einem "kurischen Bauer", oder
einem "Buschwächter", die ebenfalls gelegent¬
lich behauptet worden ist, ist ebenso aus¬
geschlossen, wie anderseits eine Abstammung
von dem alten Geschlechte der Biron in
Frankreich.

Ich kehre noch einen Augenblick zu dem
1683 verstorbenen Karl zurück, der mit der
geborenen Goedeke verheiratet war. Aus
dieser Ehe stammte ein Sohn, der wiederum
Karl hieß und im Februar 16S3 geboren
war. Er starb am 8. März 1733 als Herr
des schon oft erwähnten Gutes Kalnzeem und
als königlich polnischer Kornett. Vermähle
war er mit Katharina Hedwig aus dem be¬
kannten Geschlechte von der Raab, genannt
Thülen, die ihn überlebte und im Januar
1740 starb. Aus dieser Ehe stammten viele
Kinder, darunter als zweiter Sohn Ernst
Johann, geboren 1690, gestorben 1772, der
nachmalige Herzog von Kurland und Sem¬
gallen, und, nebenbei bemerkt: Ururgroßvater
-- durch seinen zweiten Sohn Karl -- des
heutigen Prinzen Gustav Biron von Kurland,
Fideikommißherrn der Standesherrschaft War¬
tenberg in Schlesien usw. Der ältere Bruder
des Herzogs Ernst Johann war Karl, geboren
1684, gestorben 1743, ein bekannter kaiserlich

[Spaltenumbruch]

russischer General en cksk und Gouverneur
von Moskau.

Was nun endlich die angeblich jüdische
Herkunft der Bühren betrifft, so dürfte es sich
eigentlich erübrigen, von einem Geschlechte
von Amtsmännern und Gutsbesitzern noch
ausdrücklich hervorzuheben, daß bei ihm eine
solche Herkunft ausgeschlossen erscheint. Herzog
Ernst Johann mag manchem als keine sym¬
pathische Persönlichkeit erscheinen, trotzdem
geht es nicht an, ihn willkürlich vom Christen¬
tums nach dem Judentums "abzuschieben"!
Auch hinsichtlich der Ehefrauen, die vormals
die Bühren und nachmals die Herzöge von
Kurland und Semgallen, sowie die Mitglieder
ihres Hauses heimführten, ist an keiner Stelle
ein Einströmen jüdischen Blutes erkennbar.
Um aber ganz sicher zu gehen, habe ich mich
hinsichtlich beider Punkte noch an den der¬
zeitigen genauesten Kenner der Genealogie
der russischen Ostseeprovinzen, den Baron
Alexander von Rasten, den Präsidenten der
dortigen heraldisch-genealogischen Gesellschaft,
mit einer entsprechenden Anfrage gewandt:
das vorstehende Urteil ist in vollstem Umfange
bestätigt worden!

Endlich sei noch hervorgehoben, daß der
Artikel "Biron von Kurland" im Gothaischen
genealogischen "Hofkalender" (noch 1914,
S. 277) nicht weniger als drei Unrichtigkeiten
enthält: das Polnische Adelsdiplom für
Matthias vom 20. Mai 1638 lautet nicht
ausschließlich auf ihn selbst (s. oben): Matthias
stammte, wie das Vorstehende ergeben hat,
nicht "aus Mecklenburg" und er war endlich
auch niemals "Stallmeister des Herzogs von
Kurland", sondern: königlich polnischer Leut¬
nant und zuletzt Herr auf Klein-Spirgen.
Dr. Stephan Rekule von Stradonitz

Sprache
"Deutsche" Schrift!

Dem Versuche, eine
Beseitigung und Aufgabe der "deutschen"
Schrift, der Fraktur, durchzusetzen zugunsten
der "lateinischen" Schrift, der Antiqua, hat
man von vielerlei Seiten her entrüsteten
Widerspruch entgegengesetzt. Die Freunde
der Antiqua sind Wohl meistens von der Er¬
wägung ausgegangen, daß eine Ungleichung
des deutschen Schrifttums an die Schriftform
der meisten übrigen zivilisierten Völker vom

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Kampfe, den Mathias um die Erlangung des
Kurländischm JndigenateS, allerdings völlig
vergeblich, geführt hat. Es kann hier auf
die Einzelheiten dieses Kampfes nicht ein¬
gegangen werden, auch nicht auf die Gründe
des Widerstandes der Kurländischen Land¬
tagsdeputierten oder Ritterbanksrichter gegen
die Jndigenatserteilung an das Geschlecht
Bühren und auf die Frage, ob das Adels¬
diplom, wie es sich selbst bezeichnet, tatsächlich
ein Adelsrenovationsdiplom war, oder ein
Neuadelungsdiplom. Der Freiherr Eduard
von Fircks nimmt, mit scheinbar gutem Grunde,
ersteres an. Das, worauf es hier zunächst
ankommt, ist vielmehr, daß der 1683 ver¬
storbene Karl von Bühren seit Erlaß des
vorerwähnten königlichen polnischen Gnaden¬
aktes ein wenn nicht kurländischer, so doch
Polnischer Edelmann war. Von einem „Kur¬
länder niederster Herkunft", wie Kleinschmidt
seinen Enkel Ernst Johann, den ersten Herzog
von Kurland nennt, kann also gar nicht die
Rede sein. Seine Abstammung von einem
„Stallknecht", einem „kurischen Bauer", oder
einem „Buschwächter", die ebenfalls gelegent¬
lich behauptet worden ist, ist ebenso aus¬
geschlossen, wie anderseits eine Abstammung
von dem alten Geschlechte der Biron in
Frankreich.

Ich kehre noch einen Augenblick zu dem
1683 verstorbenen Karl zurück, der mit der
geborenen Goedeke verheiratet war. Aus
dieser Ehe stammte ein Sohn, der wiederum
Karl hieß und im Februar 16S3 geboren
war. Er starb am 8. März 1733 als Herr
des schon oft erwähnten Gutes Kalnzeem und
als königlich polnischer Kornett. Vermähle
war er mit Katharina Hedwig aus dem be¬
kannten Geschlechte von der Raab, genannt
Thülen, die ihn überlebte und im Januar
1740 starb. Aus dieser Ehe stammten viele
Kinder, darunter als zweiter Sohn Ernst
Johann, geboren 1690, gestorben 1772, der
nachmalige Herzog von Kurland und Sem¬
gallen, und, nebenbei bemerkt: Ururgroßvater
— durch seinen zweiten Sohn Karl — des
heutigen Prinzen Gustav Biron von Kurland,
Fideikommißherrn der Standesherrschaft War¬
tenberg in Schlesien usw. Der ältere Bruder
des Herzogs Ernst Johann war Karl, geboren
1684, gestorben 1743, ein bekannter kaiserlich

[Spaltenumbruch]

russischer General en cksk und Gouverneur
von Moskau.

Was nun endlich die angeblich jüdische
Herkunft der Bühren betrifft, so dürfte es sich
eigentlich erübrigen, von einem Geschlechte
von Amtsmännern und Gutsbesitzern noch
ausdrücklich hervorzuheben, daß bei ihm eine
solche Herkunft ausgeschlossen erscheint. Herzog
Ernst Johann mag manchem als keine sym¬
pathische Persönlichkeit erscheinen, trotzdem
geht es nicht an, ihn willkürlich vom Christen¬
tums nach dem Judentums „abzuschieben"!
Auch hinsichtlich der Ehefrauen, die vormals
die Bühren und nachmals die Herzöge von
Kurland und Semgallen, sowie die Mitglieder
ihres Hauses heimführten, ist an keiner Stelle
ein Einströmen jüdischen Blutes erkennbar.
Um aber ganz sicher zu gehen, habe ich mich
hinsichtlich beider Punkte noch an den der¬
zeitigen genauesten Kenner der Genealogie
der russischen Ostseeprovinzen, den Baron
Alexander von Rasten, den Präsidenten der
dortigen heraldisch-genealogischen Gesellschaft,
mit einer entsprechenden Anfrage gewandt:
das vorstehende Urteil ist in vollstem Umfange
bestätigt worden!

Endlich sei noch hervorgehoben, daß der
Artikel „Biron von Kurland" im Gothaischen
genealogischen „Hofkalender" (noch 1914,
S. 277) nicht weniger als drei Unrichtigkeiten
enthält: das Polnische Adelsdiplom für
Matthias vom 20. Mai 1638 lautet nicht
ausschließlich auf ihn selbst (s. oben): Matthias
stammte, wie das Vorstehende ergeben hat,
nicht „aus Mecklenburg" und er war endlich
auch niemals „Stallmeister des Herzogs von
Kurland", sondern: königlich polnischer Leut¬
nant und zuletzt Herr auf Klein-Spirgen.
Dr. Stephan Rekule von Stradonitz

Sprache
„Deutsche" Schrift!

Dem Versuche, eine
Beseitigung und Aufgabe der „deutschen"
Schrift, der Fraktur, durchzusetzen zugunsten
der „lateinischen" Schrift, der Antiqua, hat
man von vielerlei Seiten her entrüsteten
Widerspruch entgegengesetzt. Die Freunde
der Antiqua sind Wohl meistens von der Er¬
wägung ausgegangen, daß eine Ungleichung
des deutschen Schrifttums an die Schriftform
der meisten übrigen zivilisierten Völker vom

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[0105] Maßgebliches und Unmaßgebliches Kampfe, den Mathias um die Erlangung des Kurländischm JndigenateS, allerdings völlig vergeblich, geführt hat. Es kann hier auf die Einzelheiten dieses Kampfes nicht ein¬ gegangen werden, auch nicht auf die Gründe des Widerstandes der Kurländischen Land¬ tagsdeputierten oder Ritterbanksrichter gegen die Jndigenatserteilung an das Geschlecht Bühren und auf die Frage, ob das Adels¬ diplom, wie es sich selbst bezeichnet, tatsächlich ein Adelsrenovationsdiplom war, oder ein Neuadelungsdiplom. Der Freiherr Eduard von Fircks nimmt, mit scheinbar gutem Grunde, ersteres an. Das, worauf es hier zunächst ankommt, ist vielmehr, daß der 1683 ver¬ storbene Karl von Bühren seit Erlaß des vorerwähnten königlichen polnischen Gnaden¬ aktes ein wenn nicht kurländischer, so doch Polnischer Edelmann war. Von einem „Kur¬ länder niederster Herkunft", wie Kleinschmidt seinen Enkel Ernst Johann, den ersten Herzog von Kurland nennt, kann also gar nicht die Rede sein. Seine Abstammung von einem „Stallknecht", einem „kurischen Bauer", oder einem „Buschwächter", die ebenfalls gelegent¬ lich behauptet worden ist, ist ebenso aus¬ geschlossen, wie anderseits eine Abstammung von dem alten Geschlechte der Biron in Frankreich. Ich kehre noch einen Augenblick zu dem 1683 verstorbenen Karl zurück, der mit der geborenen Goedeke verheiratet war. Aus dieser Ehe stammte ein Sohn, der wiederum Karl hieß und im Februar 16S3 geboren war. Er starb am 8. März 1733 als Herr des schon oft erwähnten Gutes Kalnzeem und als königlich polnischer Kornett. Vermähle war er mit Katharina Hedwig aus dem be¬ kannten Geschlechte von der Raab, genannt Thülen, die ihn überlebte und im Januar 1740 starb. Aus dieser Ehe stammten viele Kinder, darunter als zweiter Sohn Ernst Johann, geboren 1690, gestorben 1772, der nachmalige Herzog von Kurland und Sem¬ gallen, und, nebenbei bemerkt: Ururgroßvater — durch seinen zweiten Sohn Karl — des heutigen Prinzen Gustav Biron von Kurland, Fideikommißherrn der Standesherrschaft War¬ tenberg in Schlesien usw. Der ältere Bruder des Herzogs Ernst Johann war Karl, geboren 1684, gestorben 1743, ein bekannter kaiserlich russischer General en cksk und Gouverneur von Moskau. Was nun endlich die angeblich jüdische Herkunft der Bühren betrifft, so dürfte es sich eigentlich erübrigen, von einem Geschlechte von Amtsmännern und Gutsbesitzern noch ausdrücklich hervorzuheben, daß bei ihm eine solche Herkunft ausgeschlossen erscheint. Herzog Ernst Johann mag manchem als keine sym¬ pathische Persönlichkeit erscheinen, trotzdem geht es nicht an, ihn willkürlich vom Christen¬ tums nach dem Judentums „abzuschieben"! Auch hinsichtlich der Ehefrauen, die vormals die Bühren und nachmals die Herzöge von Kurland und Semgallen, sowie die Mitglieder ihres Hauses heimführten, ist an keiner Stelle ein Einströmen jüdischen Blutes erkennbar. Um aber ganz sicher zu gehen, habe ich mich hinsichtlich beider Punkte noch an den der¬ zeitigen genauesten Kenner der Genealogie der russischen Ostseeprovinzen, den Baron Alexander von Rasten, den Präsidenten der dortigen heraldisch-genealogischen Gesellschaft, mit einer entsprechenden Anfrage gewandt: das vorstehende Urteil ist in vollstem Umfange bestätigt worden! Endlich sei noch hervorgehoben, daß der Artikel „Biron von Kurland" im Gothaischen genealogischen „Hofkalender" (noch 1914, S. 277) nicht weniger als drei Unrichtigkeiten enthält: das Polnische Adelsdiplom für Matthias vom 20. Mai 1638 lautet nicht ausschließlich auf ihn selbst (s. oben): Matthias stammte, wie das Vorstehende ergeben hat, nicht „aus Mecklenburg" und er war endlich auch niemals „Stallmeister des Herzogs von Kurland", sondern: königlich polnischer Leut¬ nant und zuletzt Herr auf Klein-Spirgen. Dr. Stephan Rekule von Stradonitz Sprache „Deutsche" Schrift! Dem Versuche, eine Beseitigung und Aufgabe der „deutschen" Schrift, der Fraktur, durchzusetzen zugunsten der „lateinischen" Schrift, der Antiqua, hat man von vielerlei Seiten her entrüsteten Widerspruch entgegengesetzt. Die Freunde der Antiqua sind Wohl meistens von der Er¬ wägung ausgegangen, daß eine Ungleichung des deutschen Schrifttums an die Schriftform der meisten übrigen zivilisierten Völker vom

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/105>, abgerufen am 13.11.2024.