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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Briefe an August Wilhelm Schlegel

Haltung es bestund war, angegriffen hat^''), verhaftet und ihm der Prozeß
gemacht ist. Dafür geht es hier doch noch billiger zu, wenn man gleich einige
profane Aeußerungen felbst im Mus^en-^ Almanachs) rügt.

Laßen Sie mich doch den Ausgang der Bürger-Kästnerschen Fehde wissen,
die vermutlich schon in Vergessenheit begraben^) ist. Dem unberufner Retter
der Orthodoxie hätte ich gern eine kleine Züchtigung gegönnt und Dietrich
Menschenschreck"') ist doch der Mann nicht, der zu sparsam damit wäre. --


Adieu, bester Freund, ich hoffe auf eine baldige Erscheinung von Ihnen
in Prosa und in Versen. Ganz der Ihrige v. Arnswalde.

Ich höre, daß Dornford Goettingen verlassen wird; wann? u. warum
so schnell? -- beantworten Sie mir gütigst.


IV.

Hannover am 5. März 1789.

Sie kommen gewiß, mein Bester, unsre Goettingschen Abendunterhaltungen")
nicht mit der Sehnsucht zurückwünschen als ich, der ich den Abgang derselben
bei dem Mangel eines vertrauten Umgangs, ganz nach meinem Sinne,
doppelt fühle.

Geschäftsmänner, die nur für ihre Geschäfte leben, und das thun doch
hier die meisten, sind für den ungenießbar, der etwas mehr als Schaale
Zeitungsunterhaltung sucht und doch wird man seines Lebens nur zur Hälfte
froh ohne ein menschliches Wesen, dem man auch seine geheimsten Gedanken
und Empfindungen vertrauensvoll mittheilen kan, und mit dem man Liebe zu
denselben Geistesbeschäftigungen theilt.

Meine ietzige einsame Muße hat die Neigung zu poetischer Lektüre, der
ich in den leztern Jahren zum Theil entsagen mußte, wieder erweckt und ich
habe Sie mir oft zum Theilnehmer des Genußes gewünscht, den sie mir ver¬
schafft hat. Vereinigen sich einmal Zeit und Lust bei Ihnen, so lesen Sie la
den Atome des Marino^), dem ich mehrere sehr angenehme Abende verdanke.









Nach Ur. 7 des Jntelligenzblattes der Allg. Litteratur-Zeitung vom 17. Jan. 1789
schrieb ein Dr. Würger "Bemerkungen über das Religionsedikt" und wurde dafür durch das
Berliner Kammergericht zu einer sechswöchentlichen Gefängnisstrafe verurteilt. Darüber auch
Philivpson a. a. O. 22g f.
^) Vgl. Anmerkung 16.
^) Bereits Ende des Jahres 1788 suchte Bürger Kastners Zorn zu beschwichtigen
(t'gi, Briefe von und an Bürger III 202 f). Doch erschienen erst im Musenalmanach auf
1791 wieder Gedichte von Kästner.
°°) Unter diesen, Decknamen veröffentlichte Bürger im Musenalmanach auf 1789 sechs
Gedichte.
Vgl. Anmerkung 21.
") Näheres über dieselben bei Pütter, Versuch einer academischen Gelehrtengesch. von
der Georg-Augustus-Universität zu Göttingen II 369 f.
Der ^äone war das Hauptwerk des italienischen Dichters Giovanni Battista
Marini oder Marino (1669--162S), von dem 1789 eine vierhändige neue Ausgabe erschien.
Grenzboten I 1914 °i2
Briefe an August Wilhelm Schlegel

Haltung es bestund war, angegriffen hat^''), verhaftet und ihm der Prozeß
gemacht ist. Dafür geht es hier doch noch billiger zu, wenn man gleich einige
profane Aeußerungen felbst im Mus^en-^ Almanachs) rügt.

Laßen Sie mich doch den Ausgang der Bürger-Kästnerschen Fehde wissen,
die vermutlich schon in Vergessenheit begraben^) ist. Dem unberufner Retter
der Orthodoxie hätte ich gern eine kleine Züchtigung gegönnt und Dietrich
Menschenschreck"') ist doch der Mann nicht, der zu sparsam damit wäre. —


Adieu, bester Freund, ich hoffe auf eine baldige Erscheinung von Ihnen
in Prosa und in Versen. Ganz der Ihrige v. Arnswalde.

Ich höre, daß Dornford Goettingen verlassen wird; wann? u. warum
so schnell? — beantworten Sie mir gütigst.


IV.

Hannover am 5. März 1789.

Sie kommen gewiß, mein Bester, unsre Goettingschen Abendunterhaltungen")
nicht mit der Sehnsucht zurückwünschen als ich, der ich den Abgang derselben
bei dem Mangel eines vertrauten Umgangs, ganz nach meinem Sinne,
doppelt fühle.

Geschäftsmänner, die nur für ihre Geschäfte leben, und das thun doch
hier die meisten, sind für den ungenießbar, der etwas mehr als Schaale
Zeitungsunterhaltung sucht und doch wird man seines Lebens nur zur Hälfte
froh ohne ein menschliches Wesen, dem man auch seine geheimsten Gedanken
und Empfindungen vertrauensvoll mittheilen kan, und mit dem man Liebe zu
denselben Geistesbeschäftigungen theilt.

Meine ietzige einsame Muße hat die Neigung zu poetischer Lektüre, der
ich in den leztern Jahren zum Theil entsagen mußte, wieder erweckt und ich
habe Sie mir oft zum Theilnehmer des Genußes gewünscht, den sie mir ver¬
schafft hat. Vereinigen sich einmal Zeit und Lust bei Ihnen, so lesen Sie la
den Atome des Marino^), dem ich mehrere sehr angenehme Abende verdanke.









Nach Ur. 7 des Jntelligenzblattes der Allg. Litteratur-Zeitung vom 17. Jan. 1789
schrieb ein Dr. Würger „Bemerkungen über das Religionsedikt" und wurde dafür durch das
Berliner Kammergericht zu einer sechswöchentlichen Gefängnisstrafe verurteilt. Darüber auch
Philivpson a. a. O. 22g f.
^) Vgl. Anmerkung 16.
^) Bereits Ende des Jahres 1788 suchte Bürger Kastners Zorn zu beschwichtigen
(t'gi, Briefe von und an Bürger III 202 f). Doch erschienen erst im Musenalmanach auf
1791 wieder Gedichte von Kästner.
°°) Unter diesen, Decknamen veröffentlichte Bürger im Musenalmanach auf 1789 sechs
Gedichte.
Vgl. Anmerkung 21.
") Näheres über dieselben bei Pütter, Versuch einer academischen Gelehrtengesch. von
der Georg-Augustus-Universität zu Göttingen II 369 f.
Der ^äone war das Hauptwerk des italienischen Dichters Giovanni Battista
Marini oder Marino (1669—162S), von dem 1789 eine vierhändige neue Ausgabe erschien.
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[0509] Briefe an August Wilhelm Schlegel Haltung es bestund war, angegriffen hat^''), verhaftet und ihm der Prozeß gemacht ist. Dafür geht es hier doch noch billiger zu, wenn man gleich einige profane Aeußerungen felbst im Mus^en-^ Almanachs) rügt. Laßen Sie mich doch den Ausgang der Bürger-Kästnerschen Fehde wissen, die vermutlich schon in Vergessenheit begraben^) ist. Dem unberufner Retter der Orthodoxie hätte ich gern eine kleine Züchtigung gegönnt und Dietrich Menschenschreck"') ist doch der Mann nicht, der zu sparsam damit wäre. — Adieu, bester Freund, ich hoffe auf eine baldige Erscheinung von Ihnen in Prosa und in Versen. Ganz der Ihrige v. Arnswalde. Ich höre, daß Dornford Goettingen verlassen wird; wann? u. warum so schnell? — beantworten Sie mir gütigst. IV. Hannover am 5. März 1789. Sie kommen gewiß, mein Bester, unsre Goettingschen Abendunterhaltungen") nicht mit der Sehnsucht zurückwünschen als ich, der ich den Abgang derselben bei dem Mangel eines vertrauten Umgangs, ganz nach meinem Sinne, doppelt fühle. Geschäftsmänner, die nur für ihre Geschäfte leben, und das thun doch hier die meisten, sind für den ungenießbar, der etwas mehr als Schaale Zeitungsunterhaltung sucht und doch wird man seines Lebens nur zur Hälfte froh ohne ein menschliches Wesen, dem man auch seine geheimsten Gedanken und Empfindungen vertrauensvoll mittheilen kan, und mit dem man Liebe zu denselben Geistesbeschäftigungen theilt. Meine ietzige einsame Muße hat die Neigung zu poetischer Lektüre, der ich in den leztern Jahren zum Theil entsagen mußte, wieder erweckt und ich habe Sie mir oft zum Theilnehmer des Genußes gewünscht, den sie mir ver¬ schafft hat. Vereinigen sich einmal Zeit und Lust bei Ihnen, so lesen Sie la den Atome des Marino^), dem ich mehrere sehr angenehme Abende verdanke. Nach Ur. 7 des Jntelligenzblattes der Allg. Litteratur-Zeitung vom 17. Jan. 1789 schrieb ein Dr. Würger „Bemerkungen über das Religionsedikt" und wurde dafür durch das Berliner Kammergericht zu einer sechswöchentlichen Gefängnisstrafe verurteilt. Darüber auch Philivpson a. a. O. 22g f. ^) Vgl. Anmerkung 16. ^) Bereits Ende des Jahres 1788 suchte Bürger Kastners Zorn zu beschwichtigen (t'gi, Briefe von und an Bürger III 202 f). Doch erschienen erst im Musenalmanach auf 1791 wieder Gedichte von Kästner. °°) Unter diesen, Decknamen veröffentlichte Bürger im Musenalmanach auf 1789 sechs Gedichte. Vgl. Anmerkung 21. ") Näheres über dieselben bei Pütter, Versuch einer academischen Gelehrtengesch. von der Georg-Augustus-Universität zu Göttingen II 369 f. Der ^äone war das Hauptwerk des italienischen Dichters Giovanni Battista Marini oder Marino (1669—162S), von dem 1789 eine vierhändige neue Ausgabe erschien. Grenzboten I 1914 °i2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/509>, abgerufen am 28.12.2024.