Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] sogenannten "Geschichtlichen Hilfswissen¬ An die damalige Unterredung mit Althoff, Jahre 1912 der Geh. Oberregierungsrat Volkswirtschaft Volkswirtschaftliche Umrisse. Aus der Conte: Die wirtschaftliche Analyse der Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] sogenannten „Geschichtlichen Hilfswissen¬ An die damalige Unterredung mit Althoff, Jahre 1912 der Geh. Oberregierungsrat Volkswirtschaft Volkswirtschaftliche Umrisse. Aus der Conte: Die wirtschaftliche Analyse der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0437" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327903"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_2036" prev="#ID_2035"> sogenannten „Geschichtlichen Hilfswissen¬<lb/> schaften". Althoff gab aber seinen Gedanken,<lb/> für die wissenschaftliche Genealogie etwas zu<lb/> tun, nicht auf. Gelegentlich fragte er mich,<lb/> ob denn nach meiner Meinung Verlesungen<lb/> über „Genealogie" nicht in den Lehrplan des<lb/> „Orientalischen Seminars" Päßler? Unvor¬<lb/> bereitet, wie ich war, gab ich ihm die, vom<lb/> Standpunkte meiner damaligen Kenntnis der<lb/> Dinge aus, ehrliche Antwort, daß die Unter¬<lb/> bringung von Vorlesungen über „wissenschaft¬<lb/> liche Genealogie" in den Lehrplan des „Se¬<lb/> minars für Orientalische Sprachen" schwer<lb/> zu rechtfertigen sei. Heute würde ich diese<lb/> Antwort nun allerdings nicht mehr geben.<lb/> Ich würde etwa sagen, daß das Studium<lb/> der Geschichte der in den Kolonien befind¬<lb/> lichen Natur- und Halbkulturvölker mir nur<lb/> möglich erscheine unter Berücksichtigung der<lb/> Genealogie ihrer Häuptlingsgeschlechter; daß<lb/> die Aufzeichnung genealogischer Tatsachen über<lb/> solche Häuptlingsgeschlechter, namentlich, wo<lb/> Mutterrecht, auch Vielweiberei, oder irgend¬<lb/> eine der von Vaterrecht und Einehe<lb/> abweichenden Eheformen herrschen oder<lb/> geherrscht haben, mit Erfolg nur denkbar<lb/> sei, wenn der Sammler und Aufzeichner<lb/> wenigstens einige Kenntnis der genealogischen<lb/> Methoden und der genealogischen Darstellungs¬<lb/> formen habe; ich würde noch manche gute<lb/> Gründe hinzufügen, auf die näher einzugehen<lb/> mich hier zu weit führen würde. Jedenfalls<lb/> wäre ich der Ansicht, daß ein gelegentlicher<lb/> Kurs von etwa zehn einstündigem Vorlesungen<lb/> über „Genealogie, ihre Methoden und Dar-<lb/> stellungsformen" sehr gut in den Rahmen<lb/> eines „Seminars für Orientalische Sprachen"<lb/> Passen und in gewisser Beziehung sogar einem<lb/> Bedürfnis entsprechen würde.</p> <p xml:id="ID_2037" next="#ID_2038"> An die damalige Unterredung mit Althoff,<lb/> der die wahre Sachlage zu jener Zeit sicher<lb/> besser übersah als ich, werde ich lebhaft da¬<lb/> durch erinnert, daß zurzeit Erwägungen<lb/> darüber stattfinden, das „Orientalische Se¬<lb/> minar" zu einer vollständigen „Auslandshoch¬<lb/> schule" auszubauen. Im Jahre 1913 ist<lb/> nämlich der Reichskanzler bei der Beratung<lb/> des Haushalts des Auswärtigen Amtes vom<lb/> Reichstage ersucht worden, dem Reichstag<lb/> eine Denkschrift über einen solchen Ausbau<lb/> vorlegen zu lassen. Und nachdem schon im</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_2038" prev="#ID_2037"> Jahre 1912 der Geh. Oberregierungsrat<lb/> Prof. Dr. Eduard Sachan seine „Denkschrift<lb/> über das Seminar für Orientalische Sprachen"<lb/> hat erscheinen lassen, liegt nunmehr eine be»<lb/> ondere Schrift von Prof. Dr. H. Pohl in<lb/> Greifswald vor: „Die deutsche AuslandS-<lb/> hvchschule" (Tübingen 1913), in der die Not¬<lb/> wendigkeit der Errichtung einer großen wissen¬<lb/> schaftlichen Zentrale für Auslandsdienst und<lb/> Auslandskunde, und wie diese zweckmäßig<lb/> durch Ausbau des „Orientalischen Seminars"<lb/> zu gewinnen wäre, erörtert wird (siehe auch<lb/> die Grenzboten 1913, Heft 21). Wenn bei<lb/> diesem Ausbau auch die „wissenschaftliche<lb/> Genealogie" ein bescheidenes Plätzchen fände,<lb/> so wäre das ein entschiedener Fortschritt, da<lb/> das große „Forschungsinstitut für Familien¬<lb/> forschung und Vererbungswissenschaft", das,<lb/> nach meiner und vieler maßgebender Persön¬<lb/> lichkeiten Überzeugung, eine „Forderung des<lb/> Tages" ist — man vergleiche den Aufsatz von<lb/> Geh. Medizinalrat Prof. or. Robert Sommer<lb/> in den Grenzboten 1912, Heft 12 — doch jeden¬<lb/> falls noch eine ganze Weile auf seine Begrün¬<lb/> dung wird warten müssen.</p> <note type="byline"> Dr. Stephan Rekule von Stradonitz</note> </div> <div n="2"> <head> Volkswirtschaft</head> <p xml:id="ID_2039"> Volkswirtschaftliche Umrisse. Aus der<lb/> Gide und Ristschen „Geschichte der volkswirt¬<lb/> schaftlichen Lehrmeinungen" seien einige Sätze<lb/> außerhalb des Zusammenhanges, aber in in¬<lb/> nerer Verbindung, herausgenommen und<lb/> zitiert, die alte Erkenntnisse als zeitgemäß<lb/> und ewig jung erscheinen lassen. Erweitert<lb/> man insbesondere den Begriff des sozialen<lb/> Dienstes im Gegensatz zu der gang und<lb/> gäben engen Auffassung von Sozialpolitik,<lb/> die zur Aufgabe vornehmlich Schutz und Für¬<lb/> sorge der primitiven Kräfte unseres Volkes<lb/> sich setzt, im Sinne des gemeinwirtschaftlichen<lb/> Dienstes, im Sinne harmonischer Solidarität<lb/> des Ganzen, so gewähren diese Zitate viel¬<lb/> leicht besonders notwendige Wegweiser. Man<lb/> möge sie benutzen, uni sich auf lebendige<lb/> Ziele zu besinnen und über einseitige theo¬<lb/> retische Sattheiten hinwegzukommen.</p> <p xml:id="ID_2040" next="#ID_2041"> Conte: Die wirtschaftliche Analyse der<lb/> Gesellschaft kann nicht in Positiver Weise durch¬<lb/> geführt werden, wenn man ihre intellektuelle,</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0437]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
sogenannten „Geschichtlichen Hilfswissen¬
schaften". Althoff gab aber seinen Gedanken,
für die wissenschaftliche Genealogie etwas zu
tun, nicht auf. Gelegentlich fragte er mich,
ob denn nach meiner Meinung Verlesungen
über „Genealogie" nicht in den Lehrplan des
„Orientalischen Seminars" Päßler? Unvor¬
bereitet, wie ich war, gab ich ihm die, vom
Standpunkte meiner damaligen Kenntnis der
Dinge aus, ehrliche Antwort, daß die Unter¬
bringung von Vorlesungen über „wissenschaft¬
liche Genealogie" in den Lehrplan des „Se¬
minars für Orientalische Sprachen" schwer
zu rechtfertigen sei. Heute würde ich diese
Antwort nun allerdings nicht mehr geben.
Ich würde etwa sagen, daß das Studium
der Geschichte der in den Kolonien befind¬
lichen Natur- und Halbkulturvölker mir nur
möglich erscheine unter Berücksichtigung der
Genealogie ihrer Häuptlingsgeschlechter; daß
die Aufzeichnung genealogischer Tatsachen über
solche Häuptlingsgeschlechter, namentlich, wo
Mutterrecht, auch Vielweiberei, oder irgend¬
eine der von Vaterrecht und Einehe
abweichenden Eheformen herrschen oder
geherrscht haben, mit Erfolg nur denkbar
sei, wenn der Sammler und Aufzeichner
wenigstens einige Kenntnis der genealogischen
Methoden und der genealogischen Darstellungs¬
formen habe; ich würde noch manche gute
Gründe hinzufügen, auf die näher einzugehen
mich hier zu weit führen würde. Jedenfalls
wäre ich der Ansicht, daß ein gelegentlicher
Kurs von etwa zehn einstündigem Vorlesungen
über „Genealogie, ihre Methoden und Dar-
stellungsformen" sehr gut in den Rahmen
eines „Seminars für Orientalische Sprachen"
Passen und in gewisser Beziehung sogar einem
Bedürfnis entsprechen würde.
An die damalige Unterredung mit Althoff,
der die wahre Sachlage zu jener Zeit sicher
besser übersah als ich, werde ich lebhaft da¬
durch erinnert, daß zurzeit Erwägungen
darüber stattfinden, das „Orientalische Se¬
minar" zu einer vollständigen „Auslandshoch¬
schule" auszubauen. Im Jahre 1913 ist
nämlich der Reichskanzler bei der Beratung
des Haushalts des Auswärtigen Amtes vom
Reichstage ersucht worden, dem Reichstag
eine Denkschrift über einen solchen Ausbau
vorlegen zu lassen. Und nachdem schon im
Jahre 1912 der Geh. Oberregierungsrat
Prof. Dr. Eduard Sachan seine „Denkschrift
über das Seminar für Orientalische Sprachen"
hat erscheinen lassen, liegt nunmehr eine be»
ondere Schrift von Prof. Dr. H. Pohl in
Greifswald vor: „Die deutsche AuslandS-
hvchschule" (Tübingen 1913), in der die Not¬
wendigkeit der Errichtung einer großen wissen¬
schaftlichen Zentrale für Auslandsdienst und
Auslandskunde, und wie diese zweckmäßig
durch Ausbau des „Orientalischen Seminars"
zu gewinnen wäre, erörtert wird (siehe auch
die Grenzboten 1913, Heft 21). Wenn bei
diesem Ausbau auch die „wissenschaftliche
Genealogie" ein bescheidenes Plätzchen fände,
so wäre das ein entschiedener Fortschritt, da
das große „Forschungsinstitut für Familien¬
forschung und Vererbungswissenschaft", das,
nach meiner und vieler maßgebender Persön¬
lichkeiten Überzeugung, eine „Forderung des
Tages" ist — man vergleiche den Aufsatz von
Geh. Medizinalrat Prof. or. Robert Sommer
in den Grenzboten 1912, Heft 12 — doch jeden¬
falls noch eine ganze Weile auf seine Begrün¬
dung wird warten müssen.
Dr. Stephan Rekule von Stradonitz Volkswirtschaft Volkswirtschaftliche Umrisse. Aus der
Gide und Ristschen „Geschichte der volkswirt¬
schaftlichen Lehrmeinungen" seien einige Sätze
außerhalb des Zusammenhanges, aber in in¬
nerer Verbindung, herausgenommen und
zitiert, die alte Erkenntnisse als zeitgemäß
und ewig jung erscheinen lassen. Erweitert
man insbesondere den Begriff des sozialen
Dienstes im Gegensatz zu der gang und
gäben engen Auffassung von Sozialpolitik,
die zur Aufgabe vornehmlich Schutz und Für¬
sorge der primitiven Kräfte unseres Volkes
sich setzt, im Sinne des gemeinwirtschaftlichen
Dienstes, im Sinne harmonischer Solidarität
des Ganzen, so gewähren diese Zitate viel¬
leicht besonders notwendige Wegweiser. Man
möge sie benutzen, uni sich auf lebendige
Ziele zu besinnen und über einseitige theo¬
retische Sattheiten hinwegzukommen.
Conte: Die wirtschaftliche Analyse der
Gesellschaft kann nicht in Positiver Weise durch¬
geführt werden, wenn man ihre intellektuelle,
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