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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Griechenland, Serbien) und überseeisch nur
über Südamerika. In Südamerika ist Havas
bereits seit 1876 erfolgreich im Zeitungs-
geschäft tätig, und die Kombination mit der
überseeischen Annoncenvermittelung hat ihr
hier naturgemäß einen starken Rückhalt ge¬
geben. Havas unterhält hier auch besondere
Auslandsfilialen, die in Südamerika ähnlich
selbständig arbeiten, wie die Pariser Zentrale.
Diese Filialplätze sind: Buenos Aires, Rio
de Janeiro, Santiago de Chile, Valparaiso
und Montevideo. Hierzu kommen dann noch
zahlreiche kleinere Agenturen und Korre¬
spondenten für die schnelle und zweckmäßige
Sammlung, Verteilung bzw. Kontrolle des
laufenden Tagesnachrichtendienstcs und der
Jnserataufträge. Heute bringt die Agentur
Havas auf Grund ihrer Vorrechtsstellung in
Südamerika noch den größten Teil des euro¬
päischen Depeschenmaterials. Auf diese Weise
hat sie es auch noch heute in der Hand, daß
in der Südamerikapresse über Deutschland
fast gar nichts gebracht wird bzw. daß die
gebrachten Nachrichten stark gekürzt, frisiert
und tendenziös gefärbt werden. Erst durch
besondere Depeschen des Transatlantischen
Bureaus, die den Falschmeldungen prompt
folgten, konnte die Richtigstellung der von
der Südamerikapresse kritiklos nachgedruckten
Havasdepeschen wenigstens teilweise erfolgen.
Naturgemäß ist solch eine Stellung eines
Nachrichtenbureaus nur möglich, wenn die
Verhältnisse des Zeitungsgewerbes in dem
von ihm bedienten Bezirk entsprechend liegen.
Effektiv bestehen in England, Frankreich
und Amerika, aber auch sonst in der Presse
der meisten Überseeländer Beziehungen
zwischen dem Annoncenteil und dem re¬
daktionellen Inhalt der Tageszeitungen, die
in den meisten Fällen viel enger sind als
bei uns in Deutschland, woraus dann folgt,
daß die Jnseratenpropaganda nicht ohne Ein¬
fluß auf die Haltung der Zeitung dem In¬
serenten gegenüber bleibt. Infolgedessen ist
der Schluß möglich: je mehr Aufträge eine
Nation an Zeitungsinseraten an die über¬
seeische Presse gibt, desto günstiger wird über
sie gesprochen und desto weniger wird gegen
sie gehetzt. Denn tatsächlich ist bei allen Tages¬
zeitungen der Annoncenteil für die Rentabi¬
lität der ausschlaggebende Faktor, während

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durch Abonnements und Einzelverkauf meist
nur die Unkosten für Papier, Gehälter und
Löhne gedeckt werden können.


Es unterliegt nun keinem Zweifel, daß
durch eine richtige Zentralisation deutscher
Überseeinserate und durch Verteilung an die
wirklich einflußreichen Blätter des über¬
seeischen Auslandes die Inhaber und Leiter
solcher Blätter dahin bewogen werden könnten,
deutschen Nachrichten, sobald sie zeitungs¬
gerecht sind und damit auch dem deutschen
Kultur- und Wirtschaftsleben mehr Interesse
als bisher entgegenzubringen und deutsch¬
feindlichen Preßtreibereien die Spalten zu
verschließen. So käme auf der Grundlage
einer rein geschäftlichen Verbindung eine
Annäherung zustande, die bisher nur sehr
schwer erreicht werden konnte.

Schöne Literatur

Wilhelm Stenzcl: Paul Verlaine (Xenien-
verlag, Leipzig; 2 Mark).

Dieses schlechte Buch wehrt allen lobenden
Worten. Es ist zunächst stilistisch von er¬
schreckender Öde. Lehrhafter,salbungsvollerTvn
gestaltet seine Lektüre zu wahrer Pein. Fast
auf jeder Seite findet man Wendungen, wie:
"Ich fahre fort; somit schließe ich die Ein¬
leitung; soweit die Jugendjahre des Dichters,
nunmehr gehe ich über zu seiner Charakter¬
darstellung; es hat mir eine große Freude
bereitet, festzustellen." Der Verfasser redet
stets von sich und disponiert in so aufdring¬
licher Weise, als ob er Sextaner als Leser
dächte: "Und nun zu des Dichters Naivität
und Kindlichkeit; fahren wir indes fort;
gehen wir weiter; dieses Zitat möge den
ersten Teil beschließen; so leid es mir tut;
doch zurück zum ersten Band; nun ge¬
statte man mir; damit schließe ich diesen
zweiten Teil!" Es finden sich Entgleisungen,
Wie diese: "Ich selbst habe einige seiner
Gedichte viermal (wirklich?) und häufiger ge¬
lesen und der Eindruck, den sie auf mich
machten, war immer der gleiche, starke. Dies (I)
ist ein untrüglicher Beweis dessen, daß diese
Gedichte gut sind." Unnötige Fremdwörter
wie Initiation, suspekt, Hyperästhesie, Irri¬
tabilität, prolix, Elukrubationen, estompiert
Absorption, Akme, Equilibrium, Jmpressibilitüt

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Griechenland, Serbien) und überseeisch nur
über Südamerika. In Südamerika ist Havas
bereits seit 1876 erfolgreich im Zeitungs-
geschäft tätig, und die Kombination mit der
überseeischen Annoncenvermittelung hat ihr
hier naturgemäß einen starken Rückhalt ge¬
geben. Havas unterhält hier auch besondere
Auslandsfilialen, die in Südamerika ähnlich
selbständig arbeiten, wie die Pariser Zentrale.
Diese Filialplätze sind: Buenos Aires, Rio
de Janeiro, Santiago de Chile, Valparaiso
und Montevideo. Hierzu kommen dann noch
zahlreiche kleinere Agenturen und Korre¬
spondenten für die schnelle und zweckmäßige
Sammlung, Verteilung bzw. Kontrolle des
laufenden Tagesnachrichtendienstcs und der
Jnserataufträge. Heute bringt die Agentur
Havas auf Grund ihrer Vorrechtsstellung in
Südamerika noch den größten Teil des euro¬
päischen Depeschenmaterials. Auf diese Weise
hat sie es auch noch heute in der Hand, daß
in der Südamerikapresse über Deutschland
fast gar nichts gebracht wird bzw. daß die
gebrachten Nachrichten stark gekürzt, frisiert
und tendenziös gefärbt werden. Erst durch
besondere Depeschen des Transatlantischen
Bureaus, die den Falschmeldungen prompt
folgten, konnte die Richtigstellung der von
der Südamerikapresse kritiklos nachgedruckten
Havasdepeschen wenigstens teilweise erfolgen.
Naturgemäß ist solch eine Stellung eines
Nachrichtenbureaus nur möglich, wenn die
Verhältnisse des Zeitungsgewerbes in dem
von ihm bedienten Bezirk entsprechend liegen.
Effektiv bestehen in England, Frankreich
und Amerika, aber auch sonst in der Presse
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zwischen dem Annoncenteil und dem re¬
daktionellen Inhalt der Tageszeitungen, die
in den meisten Fällen viel enger sind als
bei uns in Deutschland, woraus dann folgt,
daß die Jnseratenpropaganda nicht ohne Ein¬
fluß auf die Haltung der Zeitung dem In¬
serenten gegenüber bleibt. Infolgedessen ist
der Schluß möglich: je mehr Aufträge eine
Nation an Zeitungsinseraten an die über¬
seeische Presse gibt, desto günstiger wird über
sie gesprochen und desto weniger wird gegen
sie gehetzt. Denn tatsächlich ist bei allen Tages¬
zeitungen der Annoncenteil für die Rentabi¬
lität der ausschlaggebende Faktor, während

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durch Abonnements und Einzelverkauf meist
nur die Unkosten für Papier, Gehälter und
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Es unterliegt nun keinem Zweifel, daß
durch eine richtige Zentralisation deutscher
Überseeinserate und durch Verteilung an die
wirklich einflußreichen Blätter des über¬
seeischen Auslandes die Inhaber und Leiter
solcher Blätter dahin bewogen werden könnten,
deutschen Nachrichten, sobald sie zeitungs¬
gerecht sind und damit auch dem deutschen
Kultur- und Wirtschaftsleben mehr Interesse
als bisher entgegenzubringen und deutsch¬
feindlichen Preßtreibereien die Spalten zu
verschließen. So käme auf der Grundlage
einer rein geschäftlichen Verbindung eine
Annäherung zustande, die bisher nur sehr
schwer erreicht werden konnte.

Schöne Literatur

Wilhelm Stenzcl: Paul Verlaine (Xenien-
verlag, Leipzig; 2 Mark).

Dieses schlechte Buch wehrt allen lobenden
Worten. Es ist zunächst stilistisch von er¬
schreckender Öde. Lehrhafter,salbungsvollerTvn
gestaltet seine Lektüre zu wahrer Pein. Fast
auf jeder Seite findet man Wendungen, wie:
„Ich fahre fort; somit schließe ich die Ein¬
leitung; soweit die Jugendjahre des Dichters,
nunmehr gehe ich über zu seiner Charakter¬
darstellung; es hat mir eine große Freude
bereitet, festzustellen." Der Verfasser redet
stets von sich und disponiert in so aufdring¬
licher Weise, als ob er Sextaner als Leser
dächte: „Und nun zu des Dichters Naivität
und Kindlichkeit; fahren wir indes fort;
gehen wir weiter; dieses Zitat möge den
ersten Teil beschließen; so leid es mir tut;
doch zurück zum ersten Band; nun ge¬
statte man mir; damit schließe ich diesen
zweiten Teil!" Es finden sich Entgleisungen,
Wie diese: „Ich selbst habe einige seiner
Gedichte viermal (wirklich?) und häufiger ge¬
lesen und der Eindruck, den sie auf mich
machten, war immer der gleiche, starke. Dies (I)
ist ein untrüglicher Beweis dessen, daß diese
Gedichte gut sind." Unnötige Fremdwörter
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tabilität, prolix, Elukrubationen, estompiert
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[0347] Maßgebliches und Unmaßgebliches Griechenland, Serbien) und überseeisch nur über Südamerika. In Südamerika ist Havas bereits seit 1876 erfolgreich im Zeitungs- geschäft tätig, und die Kombination mit der überseeischen Annoncenvermittelung hat ihr hier naturgemäß einen starken Rückhalt ge¬ geben. Havas unterhält hier auch besondere Auslandsfilialen, die in Südamerika ähnlich selbständig arbeiten, wie die Pariser Zentrale. Diese Filialplätze sind: Buenos Aires, Rio de Janeiro, Santiago de Chile, Valparaiso und Montevideo. Hierzu kommen dann noch zahlreiche kleinere Agenturen und Korre¬ spondenten für die schnelle und zweckmäßige Sammlung, Verteilung bzw. Kontrolle des laufenden Tagesnachrichtendienstcs und der Jnserataufträge. Heute bringt die Agentur Havas auf Grund ihrer Vorrechtsstellung in Südamerika noch den größten Teil des euro¬ päischen Depeschenmaterials. Auf diese Weise hat sie es auch noch heute in der Hand, daß in der Südamerikapresse über Deutschland fast gar nichts gebracht wird bzw. daß die gebrachten Nachrichten stark gekürzt, frisiert und tendenziös gefärbt werden. Erst durch besondere Depeschen des Transatlantischen Bureaus, die den Falschmeldungen prompt folgten, konnte die Richtigstellung der von der Südamerikapresse kritiklos nachgedruckten Havasdepeschen wenigstens teilweise erfolgen. Naturgemäß ist solch eine Stellung eines Nachrichtenbureaus nur möglich, wenn die Verhältnisse des Zeitungsgewerbes in dem von ihm bedienten Bezirk entsprechend liegen. Effektiv bestehen in England, Frankreich und Amerika, aber auch sonst in der Presse der meisten Überseeländer Beziehungen zwischen dem Annoncenteil und dem re¬ daktionellen Inhalt der Tageszeitungen, die in den meisten Fällen viel enger sind als bei uns in Deutschland, woraus dann folgt, daß die Jnseratenpropaganda nicht ohne Ein¬ fluß auf die Haltung der Zeitung dem In¬ serenten gegenüber bleibt. Infolgedessen ist der Schluß möglich: je mehr Aufträge eine Nation an Zeitungsinseraten an die über¬ seeische Presse gibt, desto günstiger wird über sie gesprochen und desto weniger wird gegen sie gehetzt. Denn tatsächlich ist bei allen Tages¬ zeitungen der Annoncenteil für die Rentabi¬ lität der ausschlaggebende Faktor, während durch Abonnements und Einzelverkauf meist nur die Unkosten für Papier, Gehälter und Löhne gedeckt werden können. Es unterliegt nun keinem Zweifel, daß durch eine richtige Zentralisation deutscher Überseeinserate und durch Verteilung an die wirklich einflußreichen Blätter des über¬ seeischen Auslandes die Inhaber und Leiter solcher Blätter dahin bewogen werden könnten, deutschen Nachrichten, sobald sie zeitungs¬ gerecht sind und damit auch dem deutschen Kultur- und Wirtschaftsleben mehr Interesse als bisher entgegenzubringen und deutsch¬ feindlichen Preßtreibereien die Spalten zu verschließen. So käme auf der Grundlage einer rein geschäftlichen Verbindung eine Annäherung zustande, die bisher nur sehr schwer erreicht werden konnte. Schöne Literatur Wilhelm Stenzcl: Paul Verlaine (Xenien- verlag, Leipzig; 2 Mark). Dieses schlechte Buch wehrt allen lobenden Worten. Es ist zunächst stilistisch von er¬ schreckender Öde. Lehrhafter,salbungsvollerTvn gestaltet seine Lektüre zu wahrer Pein. Fast auf jeder Seite findet man Wendungen, wie: „Ich fahre fort; somit schließe ich die Ein¬ leitung; soweit die Jugendjahre des Dichters, nunmehr gehe ich über zu seiner Charakter¬ darstellung; es hat mir eine große Freude bereitet, festzustellen." Der Verfasser redet stets von sich und disponiert in so aufdring¬ licher Weise, als ob er Sextaner als Leser dächte: „Und nun zu des Dichters Naivität und Kindlichkeit; fahren wir indes fort; gehen wir weiter; dieses Zitat möge den ersten Teil beschließen; so leid es mir tut; doch zurück zum ersten Band; nun ge¬ statte man mir; damit schließe ich diesen zweiten Teil!" Es finden sich Entgleisungen, Wie diese: „Ich selbst habe einige seiner Gedichte viermal (wirklich?) und häufiger ge¬ lesen und der Eindruck, den sie auf mich machten, war immer der gleiche, starke. Dies (I) ist ein untrüglicher Beweis dessen, daß diese Gedichte gut sind." Unnötige Fremdwörter wie Initiation, suspekt, Hyperästhesie, Irri¬ tabilität, prolix, Elukrubationen, estompiert Absorption, Akme, Equilibrium, Jmpressibilitüt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/347>, abgerufen am 28.12.2024.