Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] Materialien zur Bismarckkritik In der historischen Zeitschrift der russi¬ Die Agenten Bismarcks und ihr Vor¬ wie sicher glaubte jener Agent Bismarcks zu Rechtsfragen Privatrecht und Luftschiffahrt. Unser Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] Materialien zur Bismarckkritik In der historischen Zeitschrift der russi¬ Die Agenten Bismarcks und ihr Vor¬ wie sicher glaubte jener Agent Bismarcks zu Rechtsfragen Privatrecht und Luftschiffahrt. Unser <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0590" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327402"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341897_326811/figures/grenzboten_341897_326811_327402_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <cb type="start"/> <div n="2"> <head> Materialien zur Bismarckkritik</head> <p xml:id="ID_2363"> In der historischen Zeitschrift der russi¬<lb/> schen Revolutionäre Byloje (1906, Maiheft<lb/> S. 233) findet sich folgender Passus:</p> <p xml:id="ID_2364" next="#ID_2365"> Die Agenten Bismarcks und ihr Vor¬<lb/> schlag. Krawtschinski hat mir unter dem<lb/> Siegel der Verschwiegenheit erzählt, das;<lb/> Krapotkin ihm einmal vertraulich folgendes<lb/> mitgeteilt habe: Stellen Sie sich vor, Agenten<lb/> Bismarcks sind mit dem Vorschlag an mich<lb/> herangetreten, einen der bedeutenden russischen<lb/> Revolutionäre zu bereden, im Auslande eine<lb/> große russische revolutionäre Zeitschrift heraus¬<lb/> zugeben und sie stellten dafür eine bedeutende<lb/> Summe in Aussicht. Sergius Krawtschinski hat<lb/> diesen Vorschlag mit Entrüstung zurückgewiesen,<lb/> und als Krapotkin diese Absage, ohne Kraw¬<lb/> tschinski zu nennen, dem Abgesandten Bismarcks<lb/> übermittelte, rief dieser erstaunt aus: „diese<lb/> Russen sind ein sonderbares Volk, sie sind<lb/> gar keine Politikerl Sehen Sie.... (hier<lb/> folgt der Name einer der bekanntesten Poli¬<lb/> tischen Persönlichkeiten Europas. Aus be¬<lb/> greiflichen Gründen sehen wir vorläufig davon<lb/> ab, ihn zu nennen. Die Red. d. Byloje)<lb/> hat sich nicht geniert, von uns Geld zu<lb/> nehmen und wie hat sich seine .... (hier<lb/> folgt der Name der Zeitung jenes Herrn.<lb/> Die Red. d. Byloje) entwickelt." Jawohl,<lb/> die russischen Revolutionäre sind keine Politiker<lb/> nach dem Geschmack Bismarcks, sie verkaufen<lb/> sich nicht und kaufen andere Leute nicht, lind</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_2365" prev="#ID_2364"> wie sicher glaubte jener Agent Bismarcks zu<lb/> gehen! Zu jener Zeit waren die neuen Aus¬<lb/> wanderer so arm, wie nur der unglücklichste<lb/> Proletarier während einer schilleren Arbeiter¬<lb/> krisis sein kann. Erwerbsmöglichkeiten gab<lb/> es selten, Zusendungen von Verwandten und<lb/> Freunden waren ebenfalls selten und wir<lb/> teilten sie brüderlich untereinander.</p> </div> <div n="2"> <head> Rechtsfragen</head> <div n="3"> <head> Privatrecht und Luftschiffahrt.</head> <p xml:id="ID_2366" next="#ID_2367"> Unser<lb/> Bürgerliches Recht ist zu einer Zeit entstanden,<lb/> als der Gedanke an Luftschiffahrt noch in den<lb/> Bereich der Ideologie gehörte. Kein Wunder,<lb/> daß die Gesetze diesem Fortschritt der Technik<lb/> nicht gerecht werden können. Die jüngsten<lb/> Ereignisse, vor allem das furchtbare Unglück<lb/> bei Johannisthal, schreien aber geradezu nach<lb/> klaren gesetzlichen Vorschriften. Was soll ge¬<lb/> schehen, wenn bei nächster Gelegenheit solch<lb/> ein Lustfahrzeug gerade über Berlin explo¬<lb/> diert? Der unabsehbare Schaden, den dabei<lb/> gänzlich Unbeteiligte an Leben, Gesundheit<lb/> und Vermögen erleiden, ist nach heutigem<lb/> Recht nur in den seltensten Fällen ersetzbar.<lb/> Die einzige Vorschrift des Bürgerlichen Gesetz¬<lb/> buches, die hier in Betracht kommt, gewährt<lb/> nur dann einen Anspruch auf Schadenersatz,<lb/> wenn der Eingriff in die körperliche Unver¬<lb/> sehrtheit oder das Eigentum widerrechtlich<lb/> und schuldhaft erfolgt. Ein oirektes Ver¬<lb/> schulden wird aber meist nicht vorliegen bzw.<lb/> nicht nachzuweisen sein, wenn sämtliche Teil-</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0590]
[Abbildung]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Materialien zur Bismarckkritik In der historischen Zeitschrift der russi¬
schen Revolutionäre Byloje (1906, Maiheft
S. 233) findet sich folgender Passus:
Die Agenten Bismarcks und ihr Vor¬
schlag. Krawtschinski hat mir unter dem
Siegel der Verschwiegenheit erzählt, das;
Krapotkin ihm einmal vertraulich folgendes
mitgeteilt habe: Stellen Sie sich vor, Agenten
Bismarcks sind mit dem Vorschlag an mich
herangetreten, einen der bedeutenden russischen
Revolutionäre zu bereden, im Auslande eine
große russische revolutionäre Zeitschrift heraus¬
zugeben und sie stellten dafür eine bedeutende
Summe in Aussicht. Sergius Krawtschinski hat
diesen Vorschlag mit Entrüstung zurückgewiesen,
und als Krapotkin diese Absage, ohne Kraw¬
tschinski zu nennen, dem Abgesandten Bismarcks
übermittelte, rief dieser erstaunt aus: „diese
Russen sind ein sonderbares Volk, sie sind
gar keine Politikerl Sehen Sie.... (hier
folgt der Name einer der bekanntesten Poli¬
tischen Persönlichkeiten Europas. Aus be¬
greiflichen Gründen sehen wir vorläufig davon
ab, ihn zu nennen. Die Red. d. Byloje)
hat sich nicht geniert, von uns Geld zu
nehmen und wie hat sich seine .... (hier
folgt der Name der Zeitung jenes Herrn.
Die Red. d. Byloje) entwickelt." Jawohl,
die russischen Revolutionäre sind keine Politiker
nach dem Geschmack Bismarcks, sie verkaufen
sich nicht und kaufen andere Leute nicht, lind
wie sicher glaubte jener Agent Bismarcks zu
gehen! Zu jener Zeit waren die neuen Aus¬
wanderer so arm, wie nur der unglücklichste
Proletarier während einer schilleren Arbeiter¬
krisis sein kann. Erwerbsmöglichkeiten gab
es selten, Zusendungen von Verwandten und
Freunden waren ebenfalls selten und wir
teilten sie brüderlich untereinander.
Rechtsfragen Privatrecht und Luftschiffahrt. Unser
Bürgerliches Recht ist zu einer Zeit entstanden,
als der Gedanke an Luftschiffahrt noch in den
Bereich der Ideologie gehörte. Kein Wunder,
daß die Gesetze diesem Fortschritt der Technik
nicht gerecht werden können. Die jüngsten
Ereignisse, vor allem das furchtbare Unglück
bei Johannisthal, schreien aber geradezu nach
klaren gesetzlichen Vorschriften. Was soll ge¬
schehen, wenn bei nächster Gelegenheit solch
ein Lustfahrzeug gerade über Berlin explo¬
diert? Der unabsehbare Schaden, den dabei
gänzlich Unbeteiligte an Leben, Gesundheit
und Vermögen erleiden, ist nach heutigem
Recht nur in den seltensten Fällen ersetzbar.
Die einzige Vorschrift des Bürgerlichen Gesetz¬
buches, die hier in Betracht kommt, gewährt
nur dann einen Anspruch auf Schadenersatz,
wenn der Eingriff in die körperliche Unver¬
sehrtheit oder das Eigentum widerrechtlich
und schuldhaft erfolgt. Ein oirektes Ver¬
schulden wird aber meist nicht vorliegen bzw.
nicht nachzuweisen sein, wenn sämtliche Teil-
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