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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Die Aufgabe des Menschen besteht darin,
die Sinnlosigkeit, den Zufall in der Natur
zu beseitigen, die Natur sich und seinem zweck¬
mäßigen Streben zu unterwerfen. Wo daS
gelingt, tatsächlich oder geistig, da ist Kultur¬
arbeit geleistet, da ist die Zufälligkeit der
Natur unter den Gesichtspunkt menschlich-ein¬
heitlicher Wertung gestellt, da ist aus dem
blinden Allerlei, dem Zusammenhanglosen in
der Natur eine Einheit, das Menschlich-
Wesentliche, gewonnen. So ist sür diese
Kulturphilosophie die Kultur der Inbegriff
alles Menschlich-Wesentlichen; Wissenschaft,
Religion, Technik, Kunst sind Einzelgebiete
der Kultur, auf denen der menschliche Geist
sich bemüht, die "Bruchstücke der Natur", das
Zusammenhanglose der Natur unter die Ein¬
heit des Menschlich-Wesentlichen zusammen¬
zufassen. Dieses Einheitsstreben des Menschen
schafft letzten Endes auch die Ideale des
Wahren, Guten, Schönen.

Das typische, das klarste Beispiel für die
kulturschaffende Tätigkeit des Menschen ist die
Tätigkeit des Künstlers. Der Künstler schafft
in die zusammenhanglose Natur den Zusam¬
menhang hinein. "Das Wesentliche hinter
dem Zufälligen auszuscheiden und unseren
Sinnen wahrnehmbar zu machen, darin liegt
die Aufgabe des Künstlers."

Ibsen bemüht sich also, an die Stelle
einer metaphysisch begründeten, Philosophischen
Weltanschauung eine praktische Kulturphilo¬
sophie, eine Philosophie des Schaffens zu
setzen, und eS scheint so, als ob er dabei
keineswegs vereinzelt in unserer Zeit dasteht.
Namentlich unter der jüngeren Generation
gibt es nicht wenige, die geneigt sind, einen
ähnlichen Weg einzuschlagen (man vergleiche
z. B. O. Braun, Grundriß einer Philosophie
des Schaffens als Kulturphilosophie, Leipzig
1912). Unter ihnen nimmt Sigurd Ibsen
eine hervorragende und führende Stelle ein.
Die Trennung zwischen Metaphysik als Wissen¬
schaft und als Weltanschauung, die sich hier
vollzieht, weist dem modernen Denken Wege,
die es mit froher Hoffnung einschlagen
kann.

Sollte das "monistische Jahrhundert" doch
noch nicht gekommen sein?

Dr. W. Warstat [Spaltenumbruch]
Bildungsfragen

Ein neuer Weg zur Fortbildung der
Juristen. Die Bestrebungen, die auf volks¬
wirtschaftliche, juristische und psychologische
Fortbildung unserer im praktischen Dienst
stehenden Juristen (Assessoren, Richter, Staats¬
und Rechtsanwälte, höhere juristische Ver-
waltungsbeamte) abzielen, reichen weit zurück.
Festere Gestalt haben sie erst angenommen,
seit der preußische Justizminister durch die
bekannte Verfügung vom 3. Juli 1912 die
Anrechnung eines Jahres der Fortbildungs¬
zeit auf die Anciennität zugesagt hat. Es ist
zu hoffen, daß andere deutsche Staatsregie¬
rungen diesem Beispiel folgen werden. Dies
um so mehr, als in den Kreisen der Theore¬
tiker und der Praktiker unter den Juristen
das Bedürfnis nach Fortbildung längst er¬
kannt ist, und der Ruf danach nicht mehr
verstummen wird. Die Notwendigkeit der Psycho¬
logischen und zwar der rechtspsychologischen,
einschließlich der forensisch-psychopathologischen,
Borbildung hat der 31. Deutsche Juristen¬
tag, der im September 1912 in Wien tagte,
in einer besonderen These ausdrücklich fest¬
gestellt. Im Sinne einer volkswirtschaftlichen
Fortbildung der Juristen arbeitet schon lange
und und Erfolg die große Vereinigung
"Recht und Wirtschaft" und ihr gleichnamiges
Organ.

Was jedoch bis jetzt in der Sache geschehen
ist und geschehen konnte, ist unzureichend.
Dies gilt insbesondere auch von den "Psycho¬
logisch-Psychiatrischen Vereinigungen", dem
"Psychologisch-Psychiatrischen Kolloquium" an
den Universitäten und den "rechts- und staats¬
wissenschaftlicher Fortbildungskursen". Jene
sind weniger geeignet, weil sie naturgemäß
ihre besonderen Zwecke und die Fortbildung
der Juristen höchstens als Nebenzweck ver¬
folgen. Und Wochenkurse können in Anbe¬
tracht ihrer kurzen Dauer, wie allgemein zu¬
gegeben wird, nur anregen, nicht aber zur
systematischen Fortbildung dienen. Alle diese
Veranstaltungen hatten und haben ihre Be¬
rechtigung, sollen und müssen bestehen bleiben,
weil sie ein notwendiges, zurzeit noch gänz¬
lich unentbehrliches, Übergangsstadium und
Mittelglied darstellen, auch vielen allein zu"
gänglich sind und bleiben werden. Neben

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Die Aufgabe des Menschen besteht darin,
die Sinnlosigkeit, den Zufall in der Natur
zu beseitigen, die Natur sich und seinem zweck¬
mäßigen Streben zu unterwerfen. Wo daS
gelingt, tatsächlich oder geistig, da ist Kultur¬
arbeit geleistet, da ist die Zufälligkeit der
Natur unter den Gesichtspunkt menschlich-ein¬
heitlicher Wertung gestellt, da ist aus dem
blinden Allerlei, dem Zusammenhanglosen in
der Natur eine Einheit, das Menschlich-
Wesentliche, gewonnen. So ist sür diese
Kulturphilosophie die Kultur der Inbegriff
alles Menschlich-Wesentlichen; Wissenschaft,
Religion, Technik, Kunst sind Einzelgebiete
der Kultur, auf denen der menschliche Geist
sich bemüht, die „Bruchstücke der Natur", das
Zusammenhanglose der Natur unter die Ein¬
heit des Menschlich-Wesentlichen zusammen¬
zufassen. Dieses Einheitsstreben des Menschen
schafft letzten Endes auch die Ideale des
Wahren, Guten, Schönen.

Das typische, das klarste Beispiel für die
kulturschaffende Tätigkeit des Menschen ist die
Tätigkeit des Künstlers. Der Künstler schafft
in die zusammenhanglose Natur den Zusam¬
menhang hinein. „Das Wesentliche hinter
dem Zufälligen auszuscheiden und unseren
Sinnen wahrnehmbar zu machen, darin liegt
die Aufgabe des Künstlers."

Ibsen bemüht sich also, an die Stelle
einer metaphysisch begründeten, Philosophischen
Weltanschauung eine praktische Kulturphilo¬
sophie, eine Philosophie des Schaffens zu
setzen, und eS scheint so, als ob er dabei
keineswegs vereinzelt in unserer Zeit dasteht.
Namentlich unter der jüngeren Generation
gibt es nicht wenige, die geneigt sind, einen
ähnlichen Weg einzuschlagen (man vergleiche
z. B. O. Braun, Grundriß einer Philosophie
des Schaffens als Kulturphilosophie, Leipzig
1912). Unter ihnen nimmt Sigurd Ibsen
eine hervorragende und führende Stelle ein.
Die Trennung zwischen Metaphysik als Wissen¬
schaft und als Weltanschauung, die sich hier
vollzieht, weist dem modernen Denken Wege,
die es mit froher Hoffnung einschlagen
kann.

Sollte das „monistische Jahrhundert" doch
noch nicht gekommen sein?

Dr. W. Warstat [Spaltenumbruch]
Bildungsfragen

Ein neuer Weg zur Fortbildung der
Juristen. Die Bestrebungen, die auf volks¬
wirtschaftliche, juristische und psychologische
Fortbildung unserer im praktischen Dienst
stehenden Juristen (Assessoren, Richter, Staats¬
und Rechtsanwälte, höhere juristische Ver-
waltungsbeamte) abzielen, reichen weit zurück.
Festere Gestalt haben sie erst angenommen,
seit der preußische Justizminister durch die
bekannte Verfügung vom 3. Juli 1912 die
Anrechnung eines Jahres der Fortbildungs¬
zeit auf die Anciennität zugesagt hat. Es ist
zu hoffen, daß andere deutsche Staatsregie¬
rungen diesem Beispiel folgen werden. Dies
um so mehr, als in den Kreisen der Theore¬
tiker und der Praktiker unter den Juristen
das Bedürfnis nach Fortbildung längst er¬
kannt ist, und der Ruf danach nicht mehr
verstummen wird. Die Notwendigkeit der Psycho¬
logischen und zwar der rechtspsychologischen,
einschließlich der forensisch-psychopathologischen,
Borbildung hat der 31. Deutsche Juristen¬
tag, der im September 1912 in Wien tagte,
in einer besonderen These ausdrücklich fest¬
gestellt. Im Sinne einer volkswirtschaftlichen
Fortbildung der Juristen arbeitet schon lange
und und Erfolg die große Vereinigung
„Recht und Wirtschaft" und ihr gleichnamiges
Organ.

Was jedoch bis jetzt in der Sache geschehen
ist und geschehen konnte, ist unzureichend.
Dies gilt insbesondere auch von den „Psycho¬
logisch-Psychiatrischen Vereinigungen", dem
„Psychologisch-Psychiatrischen Kolloquium" an
den Universitäten und den „rechts- und staats¬
wissenschaftlicher Fortbildungskursen". Jene
sind weniger geeignet, weil sie naturgemäß
ihre besonderen Zwecke und die Fortbildung
der Juristen höchstens als Nebenzweck ver¬
folgen. Und Wochenkurse können in Anbe¬
tracht ihrer kurzen Dauer, wie allgemein zu¬
gegeben wird, nur anregen, nicht aber zur
systematischen Fortbildung dienen. Alle diese
Veranstaltungen hatten und haben ihre Be¬
rechtigung, sollen und müssen bestehen bleiben,
weil sie ein notwendiges, zurzeit noch gänz¬
lich unentbehrliches, Übergangsstadium und
Mittelglied darstellen, auch vielen allein zu»
gänglich sind und bleiben werden. Neben

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[0634] Maßgebliches und Unmaßgebliches Die Aufgabe des Menschen besteht darin, die Sinnlosigkeit, den Zufall in der Natur zu beseitigen, die Natur sich und seinem zweck¬ mäßigen Streben zu unterwerfen. Wo daS gelingt, tatsächlich oder geistig, da ist Kultur¬ arbeit geleistet, da ist die Zufälligkeit der Natur unter den Gesichtspunkt menschlich-ein¬ heitlicher Wertung gestellt, da ist aus dem blinden Allerlei, dem Zusammenhanglosen in der Natur eine Einheit, das Menschlich- Wesentliche, gewonnen. So ist sür diese Kulturphilosophie die Kultur der Inbegriff alles Menschlich-Wesentlichen; Wissenschaft, Religion, Technik, Kunst sind Einzelgebiete der Kultur, auf denen der menschliche Geist sich bemüht, die „Bruchstücke der Natur", das Zusammenhanglose der Natur unter die Ein¬ heit des Menschlich-Wesentlichen zusammen¬ zufassen. Dieses Einheitsstreben des Menschen schafft letzten Endes auch die Ideale des Wahren, Guten, Schönen. Das typische, das klarste Beispiel für die kulturschaffende Tätigkeit des Menschen ist die Tätigkeit des Künstlers. Der Künstler schafft in die zusammenhanglose Natur den Zusam¬ menhang hinein. „Das Wesentliche hinter dem Zufälligen auszuscheiden und unseren Sinnen wahrnehmbar zu machen, darin liegt die Aufgabe des Künstlers." Ibsen bemüht sich also, an die Stelle einer metaphysisch begründeten, Philosophischen Weltanschauung eine praktische Kulturphilo¬ sophie, eine Philosophie des Schaffens zu setzen, und eS scheint so, als ob er dabei keineswegs vereinzelt in unserer Zeit dasteht. Namentlich unter der jüngeren Generation gibt es nicht wenige, die geneigt sind, einen ähnlichen Weg einzuschlagen (man vergleiche z. B. O. Braun, Grundriß einer Philosophie des Schaffens als Kulturphilosophie, Leipzig 1912). Unter ihnen nimmt Sigurd Ibsen eine hervorragende und führende Stelle ein. Die Trennung zwischen Metaphysik als Wissen¬ schaft und als Weltanschauung, die sich hier vollzieht, weist dem modernen Denken Wege, die es mit froher Hoffnung einschlagen kann. Sollte das „monistische Jahrhundert" doch noch nicht gekommen sein? Dr. W. Warstat Bildungsfragen Ein neuer Weg zur Fortbildung der Juristen. Die Bestrebungen, die auf volks¬ wirtschaftliche, juristische und psychologische Fortbildung unserer im praktischen Dienst stehenden Juristen (Assessoren, Richter, Staats¬ und Rechtsanwälte, höhere juristische Ver- waltungsbeamte) abzielen, reichen weit zurück. Festere Gestalt haben sie erst angenommen, seit der preußische Justizminister durch die bekannte Verfügung vom 3. Juli 1912 die Anrechnung eines Jahres der Fortbildungs¬ zeit auf die Anciennität zugesagt hat. Es ist zu hoffen, daß andere deutsche Staatsregie¬ rungen diesem Beispiel folgen werden. Dies um so mehr, als in den Kreisen der Theore¬ tiker und der Praktiker unter den Juristen das Bedürfnis nach Fortbildung längst er¬ kannt ist, und der Ruf danach nicht mehr verstummen wird. Die Notwendigkeit der Psycho¬ logischen und zwar der rechtspsychologischen, einschließlich der forensisch-psychopathologischen, Borbildung hat der 31. Deutsche Juristen¬ tag, der im September 1912 in Wien tagte, in einer besonderen These ausdrücklich fest¬ gestellt. Im Sinne einer volkswirtschaftlichen Fortbildung der Juristen arbeitet schon lange und und Erfolg die große Vereinigung „Recht und Wirtschaft" und ihr gleichnamiges Organ. Was jedoch bis jetzt in der Sache geschehen ist und geschehen konnte, ist unzureichend. Dies gilt insbesondere auch von den „Psycho¬ logisch-Psychiatrischen Vereinigungen", dem „Psychologisch-Psychiatrischen Kolloquium" an den Universitäten und den „rechts- und staats¬ wissenschaftlicher Fortbildungskursen". Jene sind weniger geeignet, weil sie naturgemäß ihre besonderen Zwecke und die Fortbildung der Juristen höchstens als Nebenzweck ver¬ folgen. Und Wochenkurse können in Anbe¬ tracht ihrer kurzen Dauer, wie allgemein zu¬ gegeben wird, nur anregen, nicht aber zur systematischen Fortbildung dienen. Alle diese Veranstaltungen hatten und haben ihre Be¬ rechtigung, sollen und müssen bestehen bleiben, weil sie ein notwendiges, zurzeit noch gänz¬ lich unentbehrliches, Übergangsstadium und Mittelglied darstellen, auch vielen allein zu» gänglich sind und bleiben werden. Neben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/634>, abgerufen am 19.10.2024.