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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches
"Auch ein gelehrter Mann,
studiert so furt, weil er nicht anders-
kann,"
1.

reget auch für die Steuerzahler deutlich auf
der Hand. Vielleicht überlegt sich deshalb
der Herr Reichsschatzsekretär im Bunde mit
den Finanzministern der Einzelstaaten doch
einmal gelegentlich die Zweckmäßigkeit eines
solchen Vorschlags.

wobei ihn die unterrichtliche Tätigkeit ja Wohl
nicht hindern wird, den Stoff nach dem Werte
zu sichten.

2.

"Wer zweifeln will, der muß nicht lehren,"

Dr. Nübling

denn


"Was uns zerspaltet ist die Wirklichkeit,
Doch was uns einigt, das sind Worte "

Bildungsfragen

Nicht Stoff, sondern Bildung -- nicht
Fachleute, sondern Dilettanten! (Zur Bor¬
bildung und Auslese der Oberlehrer.) In
Ur. 188 des Tag macht Herr Prof. Süntel
Ausstellungen an der Vorbildung und Aus¬
lese der Oberlehrer, die in der Behauptung
gipfeln: "Nicht Fachleute und Menschenkenner
werden mit dem Unterricht und der Erziehung
betraut, sondern Bücherfreunde und Dilettan¬
ten." Er fordert dann eine besondere Aus¬
bildung der Kandidaten in irgendeinem Prak¬
tischen Betriebe und umgekehrt ein Pflicht-
Ichrjahr für die überall in anderen Berufen
schlummernden Pädagogischen Kräfte.

Die Fachmänner im höchsten Sinne sind
in der Regel am wenigsten geeignet durch
Lehren die Jugend zu bilden, weil sie bei
der wachsenden Fülle und wechselnden Form
des wissenschaftlich Gewußten zerspalten blei¬
ben und sogar der einzelne im Fortschreiten
des wissenschaftlichen Denkens von einer Hypo¬
these oder Theorie zur anderen übergeht, denn
"das Wissen wächst, die Unruh wächst mit
ihm". Dieser verwirrenden Wirklichkeit gegen¬
über einigen uns allein die Worte, d, h. feste
in Worte gekleidete Begriffe, Begriffskomplexe
und Denkweisen, sie geben überhaupt erst die
Möglichkeit lehrend zu bilden. Damit haben
wir aber eine "theoretische, literarische, über-

Die Fachlehrer" können ihm antworten:




Maßgebliches und Unmaßgebliches
„Auch ein gelehrter Mann,
studiert so furt, weil er nicht anders-
kann,"
1.

reget auch für die Steuerzahler deutlich auf
der Hand. Vielleicht überlegt sich deshalb
der Herr Reichsschatzsekretär im Bunde mit
den Finanzministern der Einzelstaaten doch
einmal gelegentlich die Zweckmäßigkeit eines
solchen Vorschlags.

wobei ihn die unterrichtliche Tätigkeit ja Wohl
nicht hindern wird, den Stoff nach dem Werte
zu sichten.

2.

„Wer zweifeln will, der muß nicht lehren,"

Dr. Nübling

denn


„Was uns zerspaltet ist die Wirklichkeit,
Doch was uns einigt, das sind Worte "

Bildungsfragen

Nicht Stoff, sondern Bildung — nicht
Fachleute, sondern Dilettanten! (Zur Bor¬
bildung und Auslese der Oberlehrer.) In
Ur. 188 des Tag macht Herr Prof. Süntel
Ausstellungen an der Vorbildung und Aus¬
lese der Oberlehrer, die in der Behauptung
gipfeln: „Nicht Fachleute und Menschenkenner
werden mit dem Unterricht und der Erziehung
betraut, sondern Bücherfreunde und Dilettan¬
ten." Er fordert dann eine besondere Aus¬
bildung der Kandidaten in irgendeinem Prak¬
tischen Betriebe und umgekehrt ein Pflicht-
Ichrjahr für die überall in anderen Berufen
schlummernden Pädagogischen Kräfte.

Die Fachmänner im höchsten Sinne sind
in der Regel am wenigsten geeignet durch
Lehren die Jugend zu bilden, weil sie bei
der wachsenden Fülle und wechselnden Form
des wissenschaftlich Gewußten zerspalten blei¬
ben und sogar der einzelne im Fortschreiten
des wissenschaftlichen Denkens von einer Hypo¬
these oder Theorie zur anderen übergeht, denn
„das Wissen wächst, die Unruh wächst mit
ihm". Dieser verwirrenden Wirklichkeit gegen¬
über einigen uns allein die Worte, d, h. feste
in Worte gekleidete Begriffe, Begriffskomplexe
und Denkweisen, sie geben überhaupt erst die
Möglichkeit lehrend zu bilden. Damit haben
wir aber eine „theoretische, literarische, über-

Die Fachlehrer" können ihm antworten:




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[0538] Maßgebliches und Unmaßgebliches „Auch ein gelehrter Mann, studiert so furt, weil er nicht anders- kann," 1. reget auch für die Steuerzahler deutlich auf der Hand. Vielleicht überlegt sich deshalb der Herr Reichsschatzsekretär im Bunde mit den Finanzministern der Einzelstaaten doch einmal gelegentlich die Zweckmäßigkeit eines solchen Vorschlags. wobei ihn die unterrichtliche Tätigkeit ja Wohl nicht hindern wird, den Stoff nach dem Werte zu sichten. 2. „Wer zweifeln will, der muß nicht lehren," Dr. Nübling denn „Was uns zerspaltet ist die Wirklichkeit, Doch was uns einigt, das sind Worte " Bildungsfragen Nicht Stoff, sondern Bildung — nicht Fachleute, sondern Dilettanten! (Zur Bor¬ bildung und Auslese der Oberlehrer.) In Ur. 188 des Tag macht Herr Prof. Süntel Ausstellungen an der Vorbildung und Aus¬ lese der Oberlehrer, die in der Behauptung gipfeln: „Nicht Fachleute und Menschenkenner werden mit dem Unterricht und der Erziehung betraut, sondern Bücherfreunde und Dilettan¬ ten." Er fordert dann eine besondere Aus¬ bildung der Kandidaten in irgendeinem Prak¬ tischen Betriebe und umgekehrt ein Pflicht- Ichrjahr für die überall in anderen Berufen schlummernden Pädagogischen Kräfte. Die Fachmänner im höchsten Sinne sind in der Regel am wenigsten geeignet durch Lehren die Jugend zu bilden, weil sie bei der wachsenden Fülle und wechselnden Form des wissenschaftlich Gewußten zerspalten blei¬ ben und sogar der einzelne im Fortschreiten des wissenschaftlichen Denkens von einer Hypo¬ these oder Theorie zur anderen übergeht, denn „das Wissen wächst, die Unruh wächst mit ihm". Dieser verwirrenden Wirklichkeit gegen¬ über einigen uns allein die Worte, d, h. feste in Worte gekleidete Begriffe, Begriffskomplexe und Denkweisen, sie geben überhaupt erst die Möglichkeit lehrend zu bilden. Damit haben wir aber eine „theoretische, literarische, über- Die Fachlehrer" können ihm antworten:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/538>, abgerufen am 26.12.2024.