Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Margarete lvindthorst von Er stand noch, brach zusammen und blickte verstört.
Fort sausen die Kugeln von Weißenburg und Wörth.
Geronnenes Blut auf der Stirn und ein Loch durch die Jacke,
So brachten sie ihn abends in die Baracke.
Um ihn der Arzt und die Schwester ihm Hilfe bot.
Er scherzt noch der Todeskugel: "Ein Körnchen Schrot."
Die Schwester fängt sein rinnendes Blut in der Schale
Und blickt in sein Gesicht: "Ein tapfrer Westfale!"
Er wendet sich und lauscht, und das Wort wird ihm kund.
Er nickt, und die Freude zuckt um seinen Mund.
Er will der Heimat Grenze noch enger nennen,
Fragt leuchtenden Blicks: Ob sie die Weser kennen?
Rotfleckig und feucht die Binde um Stirn und Brust.
Die Wunde brennt. Und ein heißer Tag im August.
Ein lauer Trunk für den Durst, und im Fiebertraume
Ein Bild: Das Vaterhaus unterm Buchenbaume.
Sturm
Roman
Max Ludwig- von(Vierzehnte Fortsetzung)

In Schloß Borküll war es still geworden. Beängstigend still, hätte jeder
andere empfunden. Aber Wolff Joachim fühlte sich wohl. Zum erstenmal in
diesen zwei Tagen kam er wirklich zur Ruhe.

Nach der Abfahrt der Wagen war der Koch, Peter Hornbruch, ein
Danziger, an ihn herangetreten und hatte mit mühsam verhaltener Angst be¬
richtet, daß die gesamte Dienerschaft, selbst die Mägde, das Haus verlassen
hätten.

"Sie werden wiederkommen! Für mich allein brauchen Sie kein großes
Menu zu kochen. Das Meeting dauert nicht ewig. Und von den Phrasen dort
wird keiner satt. Der Hunger wird sie nach Hause treiben."

"Wenn sie nur nichts im Schilde führen. . ."

"So töricht werden unsere Leute Nichtsein, sie haben es doch nicht schlecht
auf Borküll! Und gestern erst hat man den Aufwieglern das Fell gegerbt!"

"Es gibt aber doch Unzufriedene. Da ist das Küchenmädchen, die Lena.
Heut Morgen hat sie gesagt: das ist die letzte Schokolade, die ich koche. Morgen
muß sie mir Fräulein Mara servieren. Was ist das für ein Blödsinn? habe
ich gefragt. Da haben sie mir den Rücken gedreht und alle zusammen ge>
tuschelt. Ich habe es nur nicht verstanden..."

Wolff Joachim lachte leicht hin: "Kindereien! Merken Sie sich die Frechen,
damit wir sie fortschicken können, sobald es geht. Und jetzt beruhigen Sie sich,
Hornbruch. Wir wollen die Türen schließen. Und wenn einer der Buschwächter
kommt, schicken Sie ihn mir. Den Kaffee bringen Sie ins Herrenzimmer!"

Peter Hornbruchs Grauen war durch diese Worte nicht vermindert. Er
hätte gern von seinen Befürchtungen noch mehr gesagt, aber der Baron hatte
ihn stehen lassen und war ins Zimmer gegangen.




Margarete lvindthorst von Er stand noch, brach zusammen und blickte verstört.
Fort sausen die Kugeln von Weißenburg und Wörth.
Geronnenes Blut auf der Stirn und ein Loch durch die Jacke,
So brachten sie ihn abends in die Baracke.
Um ihn der Arzt und die Schwester ihm Hilfe bot.
Er scherzt noch der Todeskugel: „Ein Körnchen Schrot."
Die Schwester fängt sein rinnendes Blut in der Schale
Und blickt in sein Gesicht: „Ein tapfrer Westfale!"
Er wendet sich und lauscht, und das Wort wird ihm kund.
Er nickt, und die Freude zuckt um seinen Mund.
Er will der Heimat Grenze noch enger nennen,
Fragt leuchtenden Blicks: Ob sie die Weser kennen?
Rotfleckig und feucht die Binde um Stirn und Brust.
Die Wunde brennt. Und ein heißer Tag im August.
Ein lauer Trunk für den Durst, und im Fiebertraume
Ein Bild: Das Vaterhaus unterm Buchenbaume.
Sturm
Roman
Max Ludwig- von(Vierzehnte Fortsetzung)

In Schloß Borküll war es still geworden. Beängstigend still, hätte jeder
andere empfunden. Aber Wolff Joachim fühlte sich wohl. Zum erstenmal in
diesen zwei Tagen kam er wirklich zur Ruhe.

Nach der Abfahrt der Wagen war der Koch, Peter Hornbruch, ein
Danziger, an ihn herangetreten und hatte mit mühsam verhaltener Angst be¬
richtet, daß die gesamte Dienerschaft, selbst die Mägde, das Haus verlassen
hätten.

„Sie werden wiederkommen! Für mich allein brauchen Sie kein großes
Menu zu kochen. Das Meeting dauert nicht ewig. Und von den Phrasen dort
wird keiner satt. Der Hunger wird sie nach Hause treiben."

„Wenn sie nur nichts im Schilde führen. . ."

„So töricht werden unsere Leute Nichtsein, sie haben es doch nicht schlecht
auf Borküll! Und gestern erst hat man den Aufwieglern das Fell gegerbt!"

„Es gibt aber doch Unzufriedene. Da ist das Küchenmädchen, die Lena.
Heut Morgen hat sie gesagt: das ist die letzte Schokolade, die ich koche. Morgen
muß sie mir Fräulein Mara servieren. Was ist das für ein Blödsinn? habe
ich gefragt. Da haben sie mir den Rücken gedreht und alle zusammen ge>
tuschelt. Ich habe es nur nicht verstanden..."

Wolff Joachim lachte leicht hin: „Kindereien! Merken Sie sich die Frechen,
damit wir sie fortschicken können, sobald es geht. Und jetzt beruhigen Sie sich,
Hornbruch. Wir wollen die Türen schließen. Und wenn einer der Buschwächter
kommt, schicken Sie ihn mir. Den Kaffee bringen Sie ins Herrenzimmer!"

Peter Hornbruchs Grauen war durch diese Worte nicht vermindert. Er
hätte gern von seinen Befürchtungen noch mehr gesagt, aber der Baron hatte
ihn stehen lassen und war ins Zimmer gegangen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0423" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326593"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341897_326169/figures/grenzboten_341897_326169_326593_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head><note type="byline"> Margarete lvindthorst</note> von</head>
          <l> Er stand noch, brach zusammen und blickte verstört.<lb/>
Fort sausen die Kugeln von Weißenburg und Wörth.<lb/>
Geronnenes Blut auf der Stirn und ein Loch durch die Jacke,<lb/>
So brachten sie ihn abends in die Baracke.</l>
          <l> Um ihn der Arzt und die Schwester ihm Hilfe bot.<lb/>
Er scherzt noch der Todeskugel: &#x201E;Ein Körnchen Schrot."<lb/>
Die Schwester fängt sein rinnendes Blut in der Schale<lb/>
Und blickt in sein Gesicht: &#x201E;Ein tapfrer Westfale!"</l>
          <l> Er wendet sich und lauscht, und das Wort wird ihm kund.<lb/>
Er nickt, und die Freude zuckt um seinen Mund.<lb/>
Er will der Heimat Grenze noch enger nennen,<lb/>
Fragt leuchtenden Blicks: Ob sie die Weser kennen?</l>
          <l> Rotfleckig und feucht die Binde um Stirn und Brust.<lb/>
Die Wunde brennt.  Und ein heißer Tag im August.<lb/>
Ein lauer Trunk für den Durst, und im Fiebertraume<lb/>
Ein Bild: Das Vaterhaus unterm Buchenbaume.</l>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Sturm<lb/>
Roman<lb/><note type="byline"> Max Ludwig-</note>    von(Vierzehnte Fortsetzung)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1995"> In Schloß Borküll war es still geworden. Beängstigend still, hätte jeder<lb/>
andere empfunden. Aber Wolff Joachim fühlte sich wohl. Zum erstenmal in<lb/>
diesen zwei Tagen kam er wirklich zur Ruhe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1996"> Nach der Abfahrt der Wagen war der Koch, Peter Hornbruch, ein<lb/>
Danziger, an ihn herangetreten und hatte mit mühsam verhaltener Angst be¬<lb/>
richtet, daß die gesamte Dienerschaft, selbst die Mägde, das Haus verlassen<lb/>
hätten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1997"> &#x201E;Sie werden wiederkommen! Für mich allein brauchen Sie kein großes<lb/>
Menu zu kochen. Das Meeting dauert nicht ewig. Und von den Phrasen dort<lb/>
wird keiner satt.  Der Hunger wird sie nach Hause treiben."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1998"> &#x201E;Wenn sie nur nichts im Schilde führen. . ."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1999"> &#x201E;So töricht werden unsere Leute Nichtsein, sie haben es doch nicht schlecht<lb/>
auf Borküll!  Und gestern erst hat man den Aufwieglern das Fell gegerbt!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2000"> &#x201E;Es gibt aber doch Unzufriedene. Da ist das Küchenmädchen, die Lena.<lb/>
Heut Morgen hat sie gesagt: das ist die letzte Schokolade, die ich koche. Morgen<lb/>
muß sie mir Fräulein Mara servieren. Was ist das für ein Blödsinn? habe<lb/>
ich gefragt. Da haben sie mir den Rücken gedreht und alle zusammen ge&gt;<lb/>
tuschelt. Ich habe es nur nicht verstanden..."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2001"> Wolff Joachim lachte leicht hin: &#x201E;Kindereien! Merken Sie sich die Frechen,<lb/>
damit wir sie fortschicken können, sobald es geht. Und jetzt beruhigen Sie sich,<lb/>
Hornbruch. Wir wollen die Türen schließen. Und wenn einer der Buschwächter<lb/>
kommt, schicken Sie ihn mir.  Den Kaffee bringen Sie ins Herrenzimmer!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2002"> Peter Hornbruchs Grauen war durch diese Worte nicht vermindert. Er<lb/>
hätte gern von seinen Befürchtungen noch mehr gesagt, aber der Baron hatte<lb/>
ihn stehen lassen und war ins Zimmer gegangen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0423] [Abbildung] Margarete lvindthorst von Er stand noch, brach zusammen und blickte verstört. Fort sausen die Kugeln von Weißenburg und Wörth. Geronnenes Blut auf der Stirn und ein Loch durch die Jacke, So brachten sie ihn abends in die Baracke. Um ihn der Arzt und die Schwester ihm Hilfe bot. Er scherzt noch der Todeskugel: „Ein Körnchen Schrot." Die Schwester fängt sein rinnendes Blut in der Schale Und blickt in sein Gesicht: „Ein tapfrer Westfale!" Er wendet sich und lauscht, und das Wort wird ihm kund. Er nickt, und die Freude zuckt um seinen Mund. Er will der Heimat Grenze noch enger nennen, Fragt leuchtenden Blicks: Ob sie die Weser kennen? Rotfleckig und feucht die Binde um Stirn und Brust. Die Wunde brennt. Und ein heißer Tag im August. Ein lauer Trunk für den Durst, und im Fiebertraume Ein Bild: Das Vaterhaus unterm Buchenbaume. Sturm Roman Max Ludwig- von(Vierzehnte Fortsetzung) In Schloß Borküll war es still geworden. Beängstigend still, hätte jeder andere empfunden. Aber Wolff Joachim fühlte sich wohl. Zum erstenmal in diesen zwei Tagen kam er wirklich zur Ruhe. Nach der Abfahrt der Wagen war der Koch, Peter Hornbruch, ein Danziger, an ihn herangetreten und hatte mit mühsam verhaltener Angst be¬ richtet, daß die gesamte Dienerschaft, selbst die Mägde, das Haus verlassen hätten. „Sie werden wiederkommen! Für mich allein brauchen Sie kein großes Menu zu kochen. Das Meeting dauert nicht ewig. Und von den Phrasen dort wird keiner satt. Der Hunger wird sie nach Hause treiben." „Wenn sie nur nichts im Schilde führen. . ." „So töricht werden unsere Leute Nichtsein, sie haben es doch nicht schlecht auf Borküll! Und gestern erst hat man den Aufwieglern das Fell gegerbt!" „Es gibt aber doch Unzufriedene. Da ist das Küchenmädchen, die Lena. Heut Morgen hat sie gesagt: das ist die letzte Schokolade, die ich koche. Morgen muß sie mir Fräulein Mara servieren. Was ist das für ein Blödsinn? habe ich gefragt. Da haben sie mir den Rücken gedreht und alle zusammen ge> tuschelt. Ich habe es nur nicht verstanden..." Wolff Joachim lachte leicht hin: „Kindereien! Merken Sie sich die Frechen, damit wir sie fortschicken können, sobald es geht. Und jetzt beruhigen Sie sich, Hornbruch. Wir wollen die Türen schließen. Und wenn einer der Buschwächter kommt, schicken Sie ihn mir. Den Kaffee bringen Sie ins Herrenzimmer!" Peter Hornbruchs Grauen war durch diese Worte nicht vermindert. Er hätte gern von seinen Befürchtungen noch mehr gesagt, aber der Baron hatte ihn stehen lassen und war ins Zimmer gegangen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/423
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/423>, abgerufen am 26.12.2024.