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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Sturm

haften Herangehen an die Probleme der Kolonialpolitik, wie sie selbst noch die
Thronrede vom 20. November 1884 zum Ausdruck brachte, wird man eine
solche kritische Prüfung und Hemmung der neuen Politik durch den Reichstag
in der Absicht, Übereilungen zu verhüten, rechtfertigen können. Unhaltbar war
solche Parlamentskritik nur, wo sie die Kolonialpolitik als ein Geschäft auf.
faßte, das sich im Augenblick rentieren müsse, und nicht unter dem allein denk¬
baren Gesichtswinkel des Staatsmannes betrachtete, der ewige Politik treibt.
Man steht auch hier: im Grunde konnte den Kolonien von der Parteien Gunst
und Haß nichts Gutes kommen, weil diesen immer die Voraussetzungen des
wahren Staatsmannes fehlen werden, der sich mit den Tendenzen seines Landes
identifiziert. Es ist daher auch eine logische Notwendigkeit, wie es geschichtliche
Tatsache ist, daß damals allein Bismarcks staatsmännische Größe nach Mög¬
lichkeit die universal-historischen Probleme und Perspektiven der Kolonialpolitik
übersah, wenn auch ein absichtliches Hineinführen Deutschlands in die Bahnen
der "Weltpolitik" als mit seinen kontinentalen Grundanschauungen unvereinbar
durchaus abzuweisen ist.




^turn
Roman Max Ludwig von(Elfte Fortsetzung)

Mit puterrotem Kopf verließ Evi den Saal. Aber sie dachte gar nicht
daran, ihr Zimmer aufzusuchen. Eine Weile stand sie und lauschte, ob ihr
vielleicht jemand nachkam. Dann nahm sie rasch aus dem Ständer im Vorsaal
Sandbergs Jagdgewehr und glitt wie ein Wiesel die Treppe zur Küche hinab.
Hier entriegelte sie die Hintertür und entwischte auf den Hof.

Drüben im Seitenflügel brannte noch Licht. Dort im Parterre hatte Sand¬
berg sein Quartier. Sie schlich quer über den Hof und spähte durch die Vor¬
hänge. Er war dabei, das weiße Eichhörnchen auszustopfen und nähte gerade
eben den Balg zu.

"Der wird mir recht geben, wenn ich ihm die Geschichte erzähle!" dachte
Evi auf ihrem Lauscherposten. "Aber wenn ich jetzt klopfe, erschrecke ich ihn,
den guten Kerl. Er will mich sicher damit überraschen . . . Und dann, wer
weiß, ob er mich nicht sofort wieder ins Haus schickt!"

Wie ein Trapper kam sie sich vor, als sie jetzt, das Gewehr zum Schuß
bereit, durch das Dunkel huschte. Und sehr ernst nahm sie die Aufgabe, in


Sturm

haften Herangehen an die Probleme der Kolonialpolitik, wie sie selbst noch die
Thronrede vom 20. November 1884 zum Ausdruck brachte, wird man eine
solche kritische Prüfung und Hemmung der neuen Politik durch den Reichstag
in der Absicht, Übereilungen zu verhüten, rechtfertigen können. Unhaltbar war
solche Parlamentskritik nur, wo sie die Kolonialpolitik als ein Geschäft auf.
faßte, das sich im Augenblick rentieren müsse, und nicht unter dem allein denk¬
baren Gesichtswinkel des Staatsmannes betrachtete, der ewige Politik treibt.
Man steht auch hier: im Grunde konnte den Kolonien von der Parteien Gunst
und Haß nichts Gutes kommen, weil diesen immer die Voraussetzungen des
wahren Staatsmannes fehlen werden, der sich mit den Tendenzen seines Landes
identifiziert. Es ist daher auch eine logische Notwendigkeit, wie es geschichtliche
Tatsache ist, daß damals allein Bismarcks staatsmännische Größe nach Mög¬
lichkeit die universal-historischen Probleme und Perspektiven der Kolonialpolitik
übersah, wenn auch ein absichtliches Hineinführen Deutschlands in die Bahnen
der „Weltpolitik" als mit seinen kontinentalen Grundanschauungen unvereinbar
durchaus abzuweisen ist.




^turn
Roman Max Ludwig von(Elfte Fortsetzung)

Mit puterrotem Kopf verließ Evi den Saal. Aber sie dachte gar nicht
daran, ihr Zimmer aufzusuchen. Eine Weile stand sie und lauschte, ob ihr
vielleicht jemand nachkam. Dann nahm sie rasch aus dem Ständer im Vorsaal
Sandbergs Jagdgewehr und glitt wie ein Wiesel die Treppe zur Küche hinab.
Hier entriegelte sie die Hintertür und entwischte auf den Hof.

Drüben im Seitenflügel brannte noch Licht. Dort im Parterre hatte Sand¬
berg sein Quartier. Sie schlich quer über den Hof und spähte durch die Vor¬
hänge. Er war dabei, das weiße Eichhörnchen auszustopfen und nähte gerade
eben den Balg zu.

„Der wird mir recht geben, wenn ich ihm die Geschichte erzähle!" dachte
Evi auf ihrem Lauscherposten. „Aber wenn ich jetzt klopfe, erschrecke ich ihn,
den guten Kerl. Er will mich sicher damit überraschen . . . Und dann, wer
weiß, ob er mich nicht sofort wieder ins Haus schickt!"

Wie ein Trapper kam sie sich vor, als sie jetzt, das Gewehr zum Schuß
bereit, durch das Dunkel huschte. Und sehr ernst nahm sie die Aufgabe, in


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[0281] Sturm haften Herangehen an die Probleme der Kolonialpolitik, wie sie selbst noch die Thronrede vom 20. November 1884 zum Ausdruck brachte, wird man eine solche kritische Prüfung und Hemmung der neuen Politik durch den Reichstag in der Absicht, Übereilungen zu verhüten, rechtfertigen können. Unhaltbar war solche Parlamentskritik nur, wo sie die Kolonialpolitik als ein Geschäft auf. faßte, das sich im Augenblick rentieren müsse, und nicht unter dem allein denk¬ baren Gesichtswinkel des Staatsmannes betrachtete, der ewige Politik treibt. Man steht auch hier: im Grunde konnte den Kolonien von der Parteien Gunst und Haß nichts Gutes kommen, weil diesen immer die Voraussetzungen des wahren Staatsmannes fehlen werden, der sich mit den Tendenzen seines Landes identifiziert. Es ist daher auch eine logische Notwendigkeit, wie es geschichtliche Tatsache ist, daß damals allein Bismarcks staatsmännische Größe nach Mög¬ lichkeit die universal-historischen Probleme und Perspektiven der Kolonialpolitik übersah, wenn auch ein absichtliches Hineinführen Deutschlands in die Bahnen der „Weltpolitik" als mit seinen kontinentalen Grundanschauungen unvereinbar durchaus abzuweisen ist. ^turn Roman Max Ludwig von(Elfte Fortsetzung) Mit puterrotem Kopf verließ Evi den Saal. Aber sie dachte gar nicht daran, ihr Zimmer aufzusuchen. Eine Weile stand sie und lauschte, ob ihr vielleicht jemand nachkam. Dann nahm sie rasch aus dem Ständer im Vorsaal Sandbergs Jagdgewehr und glitt wie ein Wiesel die Treppe zur Küche hinab. Hier entriegelte sie die Hintertür und entwischte auf den Hof. Drüben im Seitenflügel brannte noch Licht. Dort im Parterre hatte Sand¬ berg sein Quartier. Sie schlich quer über den Hof und spähte durch die Vor¬ hänge. Er war dabei, das weiße Eichhörnchen auszustopfen und nähte gerade eben den Balg zu. „Der wird mir recht geben, wenn ich ihm die Geschichte erzähle!" dachte Evi auf ihrem Lauscherposten. „Aber wenn ich jetzt klopfe, erschrecke ich ihn, den guten Kerl. Er will mich sicher damit überraschen . . . Und dann, wer weiß, ob er mich nicht sofort wieder ins Haus schickt!" Wie ein Trapper kam sie sich vor, als sie jetzt, das Gewehr zum Schuß bereit, durch das Dunkel huschte. Und sehr ernst nahm sie die Aufgabe, in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/281>, abgerufen am 26.12.2024.