Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] Herkunft ist aber ganz und gar nicht die Hiermit könnte ich schließen, hätte ich stätigt, daß letztere mit den "Drury" und Aulturgeschichte "Wundervogel." Geschichte einer Jugend¬ Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] Herkunft ist aber ganz und gar nicht die Hiermit könnte ich schließen, hätte ich stätigt, daß letztere mit den „Drury" und Aulturgeschichte „Wundervogel." Geschichte einer Jugend¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0248" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326418"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_1182" prev="#ID_1181"> Herkunft ist aber ganz und gar nicht die<lb/> Redel Dagegen berührt es gerade in<lb/> diesem Falle ganz besonders Peinlich, wenn<lb/> ein Geschlecht, dessen Mitglieder erweislich<lb/> in der Vergangenheit wegen ihres evan¬<lb/> gelischen Glaubens schweres erduldet haben,<lb/> aus dem eine größere Zahl von evangelischen<lb/> Geistlichen, Presbytern, Diakonen usw. her¬<lb/> vorgegangen wäre, ohne daß irgend ein<lb/> einigermaßen haltbarer Grund dafür erkenn¬<lb/> bar wäre, ganz willkürlich vom Semigotha zu<lb/> einem Geschlechte jüdischer Herkunft gemacht<lb/> worden ist.</p> <p xml:id="ID_1183"> Hiermit könnte ich schließen, hätte ich<lb/> nicht einige Worte „in eigener Sache" zu<lb/> sagen. Es ist nämlich, seit ich meine letzten<lb/> Bemerkungen über den Semigotha in dieser<lb/> Zeitschrift veröffentlicht habe, in zwei Berliner<lb/> Blättern die Behauptung aufgetaucht, meine<lb/> früh verstorbene Mutter: Stephanie, geborene<lb/> Drory, aus Gent in Belgien, sei jüdischer Her¬<lb/> kunft gewesen. Es geschah dies meinesWissens<lb/> zum ersten Male in Ur. 101 vom 18. De¬<lb/> zember >9t2 des Berliner Blattes „Deut¬<lb/> scher Generalanzeiger" und dann wieder in<lb/> Ur. 38 der „Staatsbürger-Zeitung" vom<lb/> 14. Februar 1913. In ersterem Blatte<lb/> wurde die Behauptung ganz bestimmt auf¬<lb/> gestellt, im letzteren Blatt allerdings nur<lb/> vermutungsweise, aber hinter den Geschlechts¬<lb/> namen „Drory" ist hier eine Klammer gesetzt,<lb/> die den Namen „David", mit einem Frage¬<lb/> zeichen dahinter, enthält. Ich stelle dem¬<lb/> gegenüber folgendes fest. Die „Drory"<lb/> gelten für einen Zweig des alten, wohlbe¬<lb/> kannten Gentry-Geschlechtes: „Drury", dessen<lb/> Name in England sehr verbreitet ist. Die<lb/> Schreibweise „Drury" ist die gewöhnlichere.<lb/> Vielfach kommt daneben auch diejenige:<lb/> „Drewry", namentlich in älteren Zeiten,<lb/> vor, was ebenso ausgesprochen wird, wie<lb/> jeder des Englischen Kundige bestätigen kann.<lb/> Die „Drury" nennt Burke, der weltbekannte<lb/> Genealoge: „bekannt durch das Alter des<lb/> Geschlechts." Daß die Schreibweise „Drury"<lb/> und „Drewry" in dem gleichen Geschlechte<lb/> vielfach wechselt, ist feststehend. Daß der¬<lb/> jenige Zweig, der sich „Drory" schrieb und<lb/> schreibt, zu dem gleichen Geschlechte gehört,<lb/> ist nicht nur ständige Überlieferung der<lb/> „Drory", sondern es wird auch dadurch be¬</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_1184"> stätigt, daß letztere mit den „Drury" und<lb/> den „Drewry" das gleiche Wappenbild<lb/> (arche) führen, nämlich einen laufenden<lb/> Windhund. Mein mütterlicher Großvater<lb/> war Zivilingenieur. 1879 verstorben, war<lb/> er langjähriges Mitglied der „Königlichen<lb/> Gesellschaft der Wissenschaften" (Royal So¬<lb/> ciety) zu London. Mein mütterlicher Ur¬<lb/> großvater war ein angesehener^ Zimmer¬<lb/> meister zu Colchester, dann zu London.<lb/> Lebenseinzelheiten sind über ihn wenig be¬<lb/> kannt. Man weiß, daß er mit dem Baronet<lb/> Sir William Congreve in nahen Beziehungen<lb/> gestanden, daß er für diesen im Jahre 1814<lb/> einen „Concordia-Tempel" hergestellt hat,<lb/> daß er, um 1800, mehrere Jahre lang Bor¬<lb/> sitzender der alten, angesehenen, 1735 ge¬<lb/> stifteten Freimaurerloge zu Colchester ge¬<lb/> wesen ist. Alle diese Tatsachen sprechen, bei<lb/> den damals in England herrschenden An¬<lb/> schauungen, gewiß nicht dafür, daß mein<lb/> mütterlicher Großvater und Urgroßvater<lb/> jüdischer Herkunft waren oder auch nur für<lb/> Nachkommen von Juden gegolten haben!<lb/> Ich stelle hier fest, daß ich es nicht als eine<lb/> Unehre für mich ansehen würde, wenn meine<lb/> Mutter von jüdischer Herkunft gewesen wäre,<lb/> sondern als eine Tatsache, die meinerseits<lb/> verschleiern zu wollen, lächerlich wäre.<lb/> Ich würde deshalb mit diesen, meiner An¬<lb/> sicht nach, gänzlich belanglosen Einzelheiten<lb/> meiner Abstammung die Öffentlichkeit auch<lb/> gar nicht behelligen. Aber die Absicht der<lb/> beiden vorgenannten Blätter war offenbar<lb/> doch die, meine, an einzelnen Darstel¬<lb/> lungen des Semigotha geübte, beurteilende<lb/> Tätigkeit durch die Unterstellung einer jü¬<lb/> dischen Abstammung mütterlicherseits bei<lb/> mir, als nicht unparteiisch und wissenschaft¬<lb/> lich, sondern als voreingenommen und un¬<lb/> wissenschaftlich hinzustellen. Und deshalb'<lb/> muß ich sowohl die vorbczeichnete Unter¬<lb/> stellung, wie den Verdacht der Voreinge¬<lb/> nommenheit, als gänzlich unbegründet,,<lb/> hiermit entschieden zurückweisen.</p> <note type="byline"> Dr. Stephan Kokille von Strcrdonitz.</note> </div> <div n="2"> <head> Aulturgeschichte</head> <p xml:id="ID_1185" next="#ID_1186"> „Wundervogel." Geschichte einer Jugend¬<lb/> bewegung von Hans Binder. 2 Bände^</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0248]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Herkunft ist aber ganz und gar nicht die
Redel Dagegen berührt es gerade in
diesem Falle ganz besonders Peinlich, wenn
ein Geschlecht, dessen Mitglieder erweislich
in der Vergangenheit wegen ihres evan¬
gelischen Glaubens schweres erduldet haben,
aus dem eine größere Zahl von evangelischen
Geistlichen, Presbytern, Diakonen usw. her¬
vorgegangen wäre, ohne daß irgend ein
einigermaßen haltbarer Grund dafür erkenn¬
bar wäre, ganz willkürlich vom Semigotha zu
einem Geschlechte jüdischer Herkunft gemacht
worden ist.
Hiermit könnte ich schließen, hätte ich
nicht einige Worte „in eigener Sache" zu
sagen. Es ist nämlich, seit ich meine letzten
Bemerkungen über den Semigotha in dieser
Zeitschrift veröffentlicht habe, in zwei Berliner
Blättern die Behauptung aufgetaucht, meine
früh verstorbene Mutter: Stephanie, geborene
Drory, aus Gent in Belgien, sei jüdischer Her¬
kunft gewesen. Es geschah dies meinesWissens
zum ersten Male in Ur. 101 vom 18. De¬
zember >9t2 des Berliner Blattes „Deut¬
scher Generalanzeiger" und dann wieder in
Ur. 38 der „Staatsbürger-Zeitung" vom
14. Februar 1913. In ersterem Blatte
wurde die Behauptung ganz bestimmt auf¬
gestellt, im letzteren Blatt allerdings nur
vermutungsweise, aber hinter den Geschlechts¬
namen „Drory" ist hier eine Klammer gesetzt,
die den Namen „David", mit einem Frage¬
zeichen dahinter, enthält. Ich stelle dem¬
gegenüber folgendes fest. Die „Drory"
gelten für einen Zweig des alten, wohlbe¬
kannten Gentry-Geschlechtes: „Drury", dessen
Name in England sehr verbreitet ist. Die
Schreibweise „Drury" ist die gewöhnlichere.
Vielfach kommt daneben auch diejenige:
„Drewry", namentlich in älteren Zeiten,
vor, was ebenso ausgesprochen wird, wie
jeder des Englischen Kundige bestätigen kann.
Die „Drury" nennt Burke, der weltbekannte
Genealoge: „bekannt durch das Alter des
Geschlechts." Daß die Schreibweise „Drury"
und „Drewry" in dem gleichen Geschlechte
vielfach wechselt, ist feststehend. Daß der¬
jenige Zweig, der sich „Drory" schrieb und
schreibt, zu dem gleichen Geschlechte gehört,
ist nicht nur ständige Überlieferung der
„Drory", sondern es wird auch dadurch be¬
stätigt, daß letztere mit den „Drury" und
den „Drewry" das gleiche Wappenbild
(arche) führen, nämlich einen laufenden
Windhund. Mein mütterlicher Großvater
war Zivilingenieur. 1879 verstorben, war
er langjähriges Mitglied der „Königlichen
Gesellschaft der Wissenschaften" (Royal So¬
ciety) zu London. Mein mütterlicher Ur¬
großvater war ein angesehener^ Zimmer¬
meister zu Colchester, dann zu London.
Lebenseinzelheiten sind über ihn wenig be¬
kannt. Man weiß, daß er mit dem Baronet
Sir William Congreve in nahen Beziehungen
gestanden, daß er für diesen im Jahre 1814
einen „Concordia-Tempel" hergestellt hat,
daß er, um 1800, mehrere Jahre lang Bor¬
sitzender der alten, angesehenen, 1735 ge¬
stifteten Freimaurerloge zu Colchester ge¬
wesen ist. Alle diese Tatsachen sprechen, bei
den damals in England herrschenden An¬
schauungen, gewiß nicht dafür, daß mein
mütterlicher Großvater und Urgroßvater
jüdischer Herkunft waren oder auch nur für
Nachkommen von Juden gegolten haben!
Ich stelle hier fest, daß ich es nicht als eine
Unehre für mich ansehen würde, wenn meine
Mutter von jüdischer Herkunft gewesen wäre,
sondern als eine Tatsache, die meinerseits
verschleiern zu wollen, lächerlich wäre.
Ich würde deshalb mit diesen, meiner An¬
sicht nach, gänzlich belanglosen Einzelheiten
meiner Abstammung die Öffentlichkeit auch
gar nicht behelligen. Aber die Absicht der
beiden vorgenannten Blätter war offenbar
doch die, meine, an einzelnen Darstel¬
lungen des Semigotha geübte, beurteilende
Tätigkeit durch die Unterstellung einer jü¬
dischen Abstammung mütterlicherseits bei
mir, als nicht unparteiisch und wissenschaft¬
lich, sondern als voreingenommen und un¬
wissenschaftlich hinzustellen. Und deshalb'
muß ich sowohl die vorbczeichnete Unter¬
stellung, wie den Verdacht der Voreinge¬
nommenheit, als gänzlich unbegründet,,
hiermit entschieden zurückweisen.
Dr. Stephan Kokille von Strcrdonitz. Aulturgeschichte „Wundervogel." Geschichte einer Jugend¬
bewegung von Hans Binder. 2 Bände^
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