Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
llämpfe unserer Lehrerschaft

Weibliche Leitung öffentlicher höherer Mädchenschulen

Die Ausführungen des Herrn Gymnasiallehrers Pollatz in Dresden auf
Seite 617 (Ur. 13) der Grenzboten kann ich nicht ohne Erwiderung lassen. Auch
in ihnen kehrt natürlich die von Frauenvereinigungen stets gebrauchte Wendung
wieder, daß die Besetzung solcher leitender Stellungen "einzig eine Frage der
Persönlichkeit" sei.

Mit diesem oft mißbrauchten Schlagworte wollen wir uns einmal etwas
näher beschäftigen. Man kann zugeben, daß, wenn man neben den Lehrern
und Oberlehrern gleichwertige Lehrerinnen und Oberlehrerinnen hat, es eine
"logische Konsequenz" sei, ihnen auch die Leitung zuzugestehen. Bei dieser
Folgerung geht man von dem falschen Gedanken aus, daß Mann und Weib
gleich empfänden. Persönlichkeit kann bei dieser Anwendung des Wortes erklärt
werden als die Art des Denkens, Wollens und Handelns, die hervorgerufen
wird durch Empfindungen, Gefühle, Begriffe und Vorstellungen, welche in dem
Einzelwesen durch Anlage, Gewohnheit und Erinnerung herrschen. Diese Be¬
stimmungsstücke der Persönlichkeit sind durch Geburt, Erziehung und Erfahrung
bedingt. Das Geschlecht ist angeboren und mit ihm und durch es eine Ver¬
schiedenheit von Gefühlen und Empfindungen, die eine Verschiedenheit der Vor¬
stellungen usw. entwickelt; die Erziehung nimmt hierauf mit Recht Rücksicht und
fördert bewußt diese Verschiedenheit. Das Gleiche gilt von der Verschiedenheit
der Lebenserfahrung des Mannes und der Frau. Die Erfahrung des Mannes
ist umfassender und reicher als die der Frau, deren gebundenere Lebensstellung
naturgemäß ist, und an der sich auch, eben infolge des Geschlechtes, nichts
ändern läßt.

Wir sehen, alle Bestimmungsstücke dessen, was wir Persönlichkeit nennen,
sind im letzten Ende allein durch das Geschlecht bedingt. Und so entwickelt
sich dann auch die männliche Persönlichkeit und die weibliche Persönlichkeit mit
deutlich erkennbaren, verschiedenen Grundeigenschaften. Wer da sagt, die Zu¬
lassung der Frau als staatliche Vorgesetzte der Männer ist Frage der Persön¬
lichkeit, der bekennt damit, daß dies Frage des Geschlechtes sei. Und so wider¬
legt sich dieses Schlagwort von der Persönlichkeit tatsächlich selbst.

Durch Veranlagung und Entwicklung ist es Sache des Mannes im öffent¬
lichen Leben den Ausschlag zu geben und zu führen. Dies ist eine naturgemäße
Folge der Eigenschaft männlicher Persönlichkeit. Wert und Bedeutung der weib¬
lichen Persönlichkeit liegt auf anderem Gebiete. Wenn wir gegen weibliche
Leitung öffentlicher Schulen auftreten, so geschieht dies nicht aus Geringschätzung
der Frau, sondern weil wir den Spruch: "Jedem das Seine" nicht aus den
Augen verlieren wollen. Gleichwertig, aber nicht gleichartig, das ist doch sonst
das Schlagwort der Frauenbewegung. Warum denn nicht hier?

Der weibliche Einfluß kommt in den Mädchenschulen durch die Lehrerinnen
genügend zur Geltung. Außerdem verfügt der Lehrer als Mann über eine


llämpfe unserer Lehrerschaft

Weibliche Leitung öffentlicher höherer Mädchenschulen

Die Ausführungen des Herrn Gymnasiallehrers Pollatz in Dresden auf
Seite 617 (Ur. 13) der Grenzboten kann ich nicht ohne Erwiderung lassen. Auch
in ihnen kehrt natürlich die von Frauenvereinigungen stets gebrauchte Wendung
wieder, daß die Besetzung solcher leitender Stellungen „einzig eine Frage der
Persönlichkeit" sei.

Mit diesem oft mißbrauchten Schlagworte wollen wir uns einmal etwas
näher beschäftigen. Man kann zugeben, daß, wenn man neben den Lehrern
und Oberlehrern gleichwertige Lehrerinnen und Oberlehrerinnen hat, es eine
„logische Konsequenz" sei, ihnen auch die Leitung zuzugestehen. Bei dieser
Folgerung geht man von dem falschen Gedanken aus, daß Mann und Weib
gleich empfänden. Persönlichkeit kann bei dieser Anwendung des Wortes erklärt
werden als die Art des Denkens, Wollens und Handelns, die hervorgerufen
wird durch Empfindungen, Gefühle, Begriffe und Vorstellungen, welche in dem
Einzelwesen durch Anlage, Gewohnheit und Erinnerung herrschen. Diese Be¬
stimmungsstücke der Persönlichkeit sind durch Geburt, Erziehung und Erfahrung
bedingt. Das Geschlecht ist angeboren und mit ihm und durch es eine Ver¬
schiedenheit von Gefühlen und Empfindungen, die eine Verschiedenheit der Vor¬
stellungen usw. entwickelt; die Erziehung nimmt hierauf mit Recht Rücksicht und
fördert bewußt diese Verschiedenheit. Das Gleiche gilt von der Verschiedenheit
der Lebenserfahrung des Mannes und der Frau. Die Erfahrung des Mannes
ist umfassender und reicher als die der Frau, deren gebundenere Lebensstellung
naturgemäß ist, und an der sich auch, eben infolge des Geschlechtes, nichts
ändern läßt.

Wir sehen, alle Bestimmungsstücke dessen, was wir Persönlichkeit nennen,
sind im letzten Ende allein durch das Geschlecht bedingt. Und so entwickelt
sich dann auch die männliche Persönlichkeit und die weibliche Persönlichkeit mit
deutlich erkennbaren, verschiedenen Grundeigenschaften. Wer da sagt, die Zu¬
lassung der Frau als staatliche Vorgesetzte der Männer ist Frage der Persön¬
lichkeit, der bekennt damit, daß dies Frage des Geschlechtes sei. Und so wider¬
legt sich dieses Schlagwort von der Persönlichkeit tatsächlich selbst.

Durch Veranlagung und Entwicklung ist es Sache des Mannes im öffent¬
lichen Leben den Ausschlag zu geben und zu führen. Dies ist eine naturgemäße
Folge der Eigenschaft männlicher Persönlichkeit. Wert und Bedeutung der weib¬
lichen Persönlichkeit liegt auf anderem Gebiete. Wenn wir gegen weibliche
Leitung öffentlicher Schulen auftreten, so geschieht dies nicht aus Geringschätzung
der Frau, sondern weil wir den Spruch: „Jedem das Seine" nicht aus den
Augen verlieren wollen. Gleichwertig, aber nicht gleichartig, das ist doch sonst
das Schlagwort der Frauenbewegung. Warum denn nicht hier?

Der weibliche Einfluß kommt in den Mädchenschulen durch die Lehrerinnen
genügend zur Geltung. Außerdem verfügt der Lehrer als Mann über eine


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0176" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326346"/>
            <fw type="header" place="top"> llämpfe unserer Lehrerschaft</fw><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Weibliche Leitung öffentlicher höherer Mädchenschulen</head><lb/>
            <p xml:id="ID_798"> Die Ausführungen des Herrn Gymnasiallehrers Pollatz in Dresden auf<lb/>
Seite 617 (Ur. 13) der Grenzboten kann ich nicht ohne Erwiderung lassen. Auch<lb/>
in ihnen kehrt natürlich die von Frauenvereinigungen stets gebrauchte Wendung<lb/>
wieder, daß die Besetzung solcher leitender Stellungen &#x201E;einzig eine Frage der<lb/>
Persönlichkeit" sei.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_799"> Mit diesem oft mißbrauchten Schlagworte wollen wir uns einmal etwas<lb/>
näher beschäftigen. Man kann zugeben, daß, wenn man neben den Lehrern<lb/>
und Oberlehrern gleichwertige Lehrerinnen und Oberlehrerinnen hat, es eine<lb/>
&#x201E;logische Konsequenz" sei, ihnen auch die Leitung zuzugestehen. Bei dieser<lb/>
Folgerung geht man von dem falschen Gedanken aus, daß Mann und Weib<lb/>
gleich empfänden. Persönlichkeit kann bei dieser Anwendung des Wortes erklärt<lb/>
werden als die Art des Denkens, Wollens und Handelns, die hervorgerufen<lb/>
wird durch Empfindungen, Gefühle, Begriffe und Vorstellungen, welche in dem<lb/>
Einzelwesen durch Anlage, Gewohnheit und Erinnerung herrschen. Diese Be¬<lb/>
stimmungsstücke der Persönlichkeit sind durch Geburt, Erziehung und Erfahrung<lb/>
bedingt. Das Geschlecht ist angeboren und mit ihm und durch es eine Ver¬<lb/>
schiedenheit von Gefühlen und Empfindungen, die eine Verschiedenheit der Vor¬<lb/>
stellungen usw. entwickelt; die Erziehung nimmt hierauf mit Recht Rücksicht und<lb/>
fördert bewußt diese Verschiedenheit. Das Gleiche gilt von der Verschiedenheit<lb/>
der Lebenserfahrung des Mannes und der Frau. Die Erfahrung des Mannes<lb/>
ist umfassender und reicher als die der Frau, deren gebundenere Lebensstellung<lb/>
naturgemäß ist, und an der sich auch, eben infolge des Geschlechtes, nichts<lb/>
ändern läßt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_800"> Wir sehen, alle Bestimmungsstücke dessen, was wir Persönlichkeit nennen,<lb/>
sind im letzten Ende allein durch das Geschlecht bedingt. Und so entwickelt<lb/>
sich dann auch die männliche Persönlichkeit und die weibliche Persönlichkeit mit<lb/>
deutlich erkennbaren, verschiedenen Grundeigenschaften. Wer da sagt, die Zu¬<lb/>
lassung der Frau als staatliche Vorgesetzte der Männer ist Frage der Persön¬<lb/>
lichkeit, der bekennt damit, daß dies Frage des Geschlechtes sei. Und so wider¬<lb/>
legt sich dieses Schlagwort von der Persönlichkeit tatsächlich selbst.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_801"> Durch Veranlagung und Entwicklung ist es Sache des Mannes im öffent¬<lb/>
lichen Leben den Ausschlag zu geben und zu führen. Dies ist eine naturgemäße<lb/>
Folge der Eigenschaft männlicher Persönlichkeit. Wert und Bedeutung der weib¬<lb/>
lichen Persönlichkeit liegt auf anderem Gebiete. Wenn wir gegen weibliche<lb/>
Leitung öffentlicher Schulen auftreten, so geschieht dies nicht aus Geringschätzung<lb/>
der Frau, sondern weil wir den Spruch: &#x201E;Jedem das Seine" nicht aus den<lb/>
Augen verlieren wollen. Gleichwertig, aber nicht gleichartig, das ist doch sonst<lb/>
das Schlagwort der Frauenbewegung. Warum denn nicht hier?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_802" next="#ID_803"> Der weibliche Einfluß kommt in den Mädchenschulen durch die Lehrerinnen<lb/>
genügend zur Geltung. Außerdem verfügt der Lehrer als Mann über eine</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0176] llämpfe unserer Lehrerschaft Weibliche Leitung öffentlicher höherer Mädchenschulen Die Ausführungen des Herrn Gymnasiallehrers Pollatz in Dresden auf Seite 617 (Ur. 13) der Grenzboten kann ich nicht ohne Erwiderung lassen. Auch in ihnen kehrt natürlich die von Frauenvereinigungen stets gebrauchte Wendung wieder, daß die Besetzung solcher leitender Stellungen „einzig eine Frage der Persönlichkeit" sei. Mit diesem oft mißbrauchten Schlagworte wollen wir uns einmal etwas näher beschäftigen. Man kann zugeben, daß, wenn man neben den Lehrern und Oberlehrern gleichwertige Lehrerinnen und Oberlehrerinnen hat, es eine „logische Konsequenz" sei, ihnen auch die Leitung zuzugestehen. Bei dieser Folgerung geht man von dem falschen Gedanken aus, daß Mann und Weib gleich empfänden. Persönlichkeit kann bei dieser Anwendung des Wortes erklärt werden als die Art des Denkens, Wollens und Handelns, die hervorgerufen wird durch Empfindungen, Gefühle, Begriffe und Vorstellungen, welche in dem Einzelwesen durch Anlage, Gewohnheit und Erinnerung herrschen. Diese Be¬ stimmungsstücke der Persönlichkeit sind durch Geburt, Erziehung und Erfahrung bedingt. Das Geschlecht ist angeboren und mit ihm und durch es eine Ver¬ schiedenheit von Gefühlen und Empfindungen, die eine Verschiedenheit der Vor¬ stellungen usw. entwickelt; die Erziehung nimmt hierauf mit Recht Rücksicht und fördert bewußt diese Verschiedenheit. Das Gleiche gilt von der Verschiedenheit der Lebenserfahrung des Mannes und der Frau. Die Erfahrung des Mannes ist umfassender und reicher als die der Frau, deren gebundenere Lebensstellung naturgemäß ist, und an der sich auch, eben infolge des Geschlechtes, nichts ändern läßt. Wir sehen, alle Bestimmungsstücke dessen, was wir Persönlichkeit nennen, sind im letzten Ende allein durch das Geschlecht bedingt. Und so entwickelt sich dann auch die männliche Persönlichkeit und die weibliche Persönlichkeit mit deutlich erkennbaren, verschiedenen Grundeigenschaften. Wer da sagt, die Zu¬ lassung der Frau als staatliche Vorgesetzte der Männer ist Frage der Persön¬ lichkeit, der bekennt damit, daß dies Frage des Geschlechtes sei. Und so wider¬ legt sich dieses Schlagwort von der Persönlichkeit tatsächlich selbst. Durch Veranlagung und Entwicklung ist es Sache des Mannes im öffent¬ lichen Leben den Ausschlag zu geben und zu führen. Dies ist eine naturgemäße Folge der Eigenschaft männlicher Persönlichkeit. Wert und Bedeutung der weib¬ lichen Persönlichkeit liegt auf anderem Gebiete. Wenn wir gegen weibliche Leitung öffentlicher Schulen auftreten, so geschieht dies nicht aus Geringschätzung der Frau, sondern weil wir den Spruch: „Jedem das Seine" nicht aus den Augen verlieren wollen. Gleichwertig, aber nicht gleichartig, das ist doch sonst das Schlagwort der Frauenbewegung. Warum denn nicht hier? Der weibliche Einfluß kommt in den Mädchenschulen durch die Lehrerinnen genügend zur Geltung. Außerdem verfügt der Lehrer als Mann über eine

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/176
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/176>, abgerufen am 27.12.2024.