Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


(Line Arisis im deutschen Wirtschaftsleben?
v privaidozent Dr. F. Zadow on in

it banger Sorge blickt die gesamte Geschäftswelt in die Zukunft;
denn die zu Beginn des Jahres sich andeutende Senkung der
Wellen des wirtschaftlichen Lebens ist im vergangenen Halbjahr
langsam aber sicher zur Tatsache geworden, und es mehren sich
die Zeichen, die auf Sturm und heranziehende Katastrophen schließen
lassen.

Wie meistens bei einem Umschwung, nahm die rückläufige Bewegung ihren
Anfang am Geldmarkt: das Geld wurde teuer und Handel und Industrie
hatten schwer darunter zu leiden. Als dann allmählich auch die Bestellungen
nachließen, mußte sich die Konjunktur mehr und mehr nach unten senken und
heute stehen wir vor einem Rückgang, der sich anscheinend nicht mehr aufhalten
läßt und durch den neuen Balkankrieg nur noch beschleunigt wird.

Noch nie seit ihrem Bestehen hatte die Reichsbank im Sommer einen
Diskontsatz von 6 Prozent zu verzeichnen; ihren markantesten Ausdruck findet
die gewaltige Anspannung, welche die Reichsbank in der ersten Hälfte des
laufenden Jahres erfahren hat, in den Ziffern des steuerpflichtigen Noten¬
umlaufs, der am 30. Juni 2317 Millionen Mark betrug, gegen 2088 und
1965 Millionen in den beiden Vorjahren. Die Grenze steuerfreier Noten ist
in dieser Periode nicht weniger als vierzehnmal (bei insgesamt 24 Ausweis¬
tagen) überschritten worden, während dies im ganzen vergangenen Jahre ins¬
gesamt neunzehnmal, in der ersten Hälfte nur fünfmal der Fall gewesen war.
Obgleich seit demi 1. Januar 1911 an den Ouartalsterminen ein Noten¬
kontingent von 750 Millionen Mark festgesetzt ist, ergab sich für die Zeit vom
1. Januar bis 30. Juni d. I. bereits eine Notensteuer von 2,6 Millionen Mark,
während im Jahre 1912 die Notensteuer für das erste Halbjahr nur etwa
800000 Mark betrug. Die Hauptursache der verstärkten Notenausgabe liegt
in der gewaltigen Zunahme des Wechselbestandes, und daß die Steuer nicht
noch höher geworden ist, ist lediglich dem Umstände zu verdanken, daß es der


Grenzboten III 1913 10


(Line Arisis im deutschen Wirtschaftsleben?
v privaidozent Dr. F. Zadow on in

it banger Sorge blickt die gesamte Geschäftswelt in die Zukunft;
denn die zu Beginn des Jahres sich andeutende Senkung der
Wellen des wirtschaftlichen Lebens ist im vergangenen Halbjahr
langsam aber sicher zur Tatsache geworden, und es mehren sich
die Zeichen, die auf Sturm und heranziehende Katastrophen schließen
lassen.

Wie meistens bei einem Umschwung, nahm die rückläufige Bewegung ihren
Anfang am Geldmarkt: das Geld wurde teuer und Handel und Industrie
hatten schwer darunter zu leiden. Als dann allmählich auch die Bestellungen
nachließen, mußte sich die Konjunktur mehr und mehr nach unten senken und
heute stehen wir vor einem Rückgang, der sich anscheinend nicht mehr aufhalten
läßt und durch den neuen Balkankrieg nur noch beschleunigt wird.

Noch nie seit ihrem Bestehen hatte die Reichsbank im Sommer einen
Diskontsatz von 6 Prozent zu verzeichnen; ihren markantesten Ausdruck findet
die gewaltige Anspannung, welche die Reichsbank in der ersten Hälfte des
laufenden Jahres erfahren hat, in den Ziffern des steuerpflichtigen Noten¬
umlaufs, der am 30. Juni 2317 Millionen Mark betrug, gegen 2088 und
1965 Millionen in den beiden Vorjahren. Die Grenze steuerfreier Noten ist
in dieser Periode nicht weniger als vierzehnmal (bei insgesamt 24 Ausweis¬
tagen) überschritten worden, während dies im ganzen vergangenen Jahre ins¬
gesamt neunzehnmal, in der ersten Hälfte nur fünfmal der Fall gewesen war.
Obgleich seit demi 1. Januar 1911 an den Ouartalsterminen ein Noten¬
kontingent von 750 Millionen Mark festgesetzt ist, ergab sich für die Zeit vom
1. Januar bis 30. Juni d. I. bereits eine Notensteuer von 2,6 Millionen Mark,
während im Jahre 1912 die Notensteuer für das erste Halbjahr nur etwa
800000 Mark betrug. Die Hauptursache der verstärkten Notenausgabe liegt
in der gewaltigen Zunahme des Wechselbestandes, und daß die Steuer nicht
noch höher geworden ist, ist lediglich dem Umstände zu verdanken, daß es der


Grenzboten III 1913 10
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0157" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326327"/>
            <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341897_326169/figures/grenzboten_341897_326169_326327_000.jpg"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> (Line Arisis im deutschen Wirtschaftsleben?<lb/>
v<note type="byline"> privaidozent Dr. F. Zadow</note> on in </head><lb/>
          <p xml:id="ID_749"> it banger Sorge blickt die gesamte Geschäftswelt in die Zukunft;<lb/>
denn die zu Beginn des Jahres sich andeutende Senkung der<lb/>
Wellen des wirtschaftlichen Lebens ist im vergangenen Halbjahr<lb/>
langsam aber sicher zur Tatsache geworden, und es mehren sich<lb/>
die Zeichen, die auf Sturm und heranziehende Katastrophen schließen<lb/>
lassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_750"> Wie meistens bei einem Umschwung, nahm die rückläufige Bewegung ihren<lb/>
Anfang am Geldmarkt: das Geld wurde teuer und Handel und Industrie<lb/>
hatten schwer darunter zu leiden. Als dann allmählich auch die Bestellungen<lb/>
nachließen, mußte sich die Konjunktur mehr und mehr nach unten senken und<lb/>
heute stehen wir vor einem Rückgang, der sich anscheinend nicht mehr aufhalten<lb/>
läßt und durch den neuen Balkankrieg nur noch beschleunigt wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_751" next="#ID_752"> Noch nie seit ihrem Bestehen hatte die Reichsbank im Sommer einen<lb/>
Diskontsatz von 6 Prozent zu verzeichnen; ihren markantesten Ausdruck findet<lb/>
die gewaltige Anspannung, welche die Reichsbank in der ersten Hälfte des<lb/>
laufenden Jahres erfahren hat, in den Ziffern des steuerpflichtigen Noten¬<lb/>
umlaufs, der am 30. Juni 2317 Millionen Mark betrug, gegen 2088 und<lb/>
1965 Millionen in den beiden Vorjahren. Die Grenze steuerfreier Noten ist<lb/>
in dieser Periode nicht weniger als vierzehnmal (bei insgesamt 24 Ausweis¬<lb/>
tagen) überschritten worden, während dies im ganzen vergangenen Jahre ins¬<lb/>
gesamt neunzehnmal, in der ersten Hälfte nur fünfmal der Fall gewesen war.<lb/>
Obgleich seit demi 1. Januar 1911 an den Ouartalsterminen ein Noten¬<lb/>
kontingent von 750 Millionen Mark festgesetzt ist, ergab sich für die Zeit vom<lb/>
1. Januar bis 30. Juni d. I. bereits eine Notensteuer von 2,6 Millionen Mark,<lb/>
während im Jahre 1912 die Notensteuer für das erste Halbjahr nur etwa<lb/>
800000 Mark betrug.  Die Hauptursache der verstärkten Notenausgabe liegt<lb/>
in der gewaltigen Zunahme des Wechselbestandes, und daß die Steuer nicht<lb/>
noch höher geworden ist, ist lediglich dem Umstände zu verdanken, daß es der</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1913 10</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0157] [Abbildung] (Line Arisis im deutschen Wirtschaftsleben? v privaidozent Dr. F. Zadow on in it banger Sorge blickt die gesamte Geschäftswelt in die Zukunft; denn die zu Beginn des Jahres sich andeutende Senkung der Wellen des wirtschaftlichen Lebens ist im vergangenen Halbjahr langsam aber sicher zur Tatsache geworden, und es mehren sich die Zeichen, die auf Sturm und heranziehende Katastrophen schließen lassen. Wie meistens bei einem Umschwung, nahm die rückläufige Bewegung ihren Anfang am Geldmarkt: das Geld wurde teuer und Handel und Industrie hatten schwer darunter zu leiden. Als dann allmählich auch die Bestellungen nachließen, mußte sich die Konjunktur mehr und mehr nach unten senken und heute stehen wir vor einem Rückgang, der sich anscheinend nicht mehr aufhalten läßt und durch den neuen Balkankrieg nur noch beschleunigt wird. Noch nie seit ihrem Bestehen hatte die Reichsbank im Sommer einen Diskontsatz von 6 Prozent zu verzeichnen; ihren markantesten Ausdruck findet die gewaltige Anspannung, welche die Reichsbank in der ersten Hälfte des laufenden Jahres erfahren hat, in den Ziffern des steuerpflichtigen Noten¬ umlaufs, der am 30. Juni 2317 Millionen Mark betrug, gegen 2088 und 1965 Millionen in den beiden Vorjahren. Die Grenze steuerfreier Noten ist in dieser Periode nicht weniger als vierzehnmal (bei insgesamt 24 Ausweis¬ tagen) überschritten worden, während dies im ganzen vergangenen Jahre ins¬ gesamt neunzehnmal, in der ersten Hälfte nur fünfmal der Fall gewesen war. Obgleich seit demi 1. Januar 1911 an den Ouartalsterminen ein Noten¬ kontingent von 750 Millionen Mark festgesetzt ist, ergab sich für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni d. I. bereits eine Notensteuer von 2,6 Millionen Mark, während im Jahre 1912 die Notensteuer für das erste Halbjahr nur etwa 800000 Mark betrug. Die Hauptursache der verstärkten Notenausgabe liegt in der gewaltigen Zunahme des Wechselbestandes, und daß die Steuer nicht noch höher geworden ist, ist lediglich dem Umstände zu verdanken, daß es der Grenzboten III 1913 10

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/157
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/157>, abgerufen am 27.12.2024.