Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] dem Antonius, mit auf den Weg gegeben sind, Ein sehr hübsches und in seiner schlichten, Zuni Schluß wäre zu melden, daß Gott¬ mcmnschen Tragödie "Kaiser Karls Geisel" Baudelaires Briefe. Deutsch von Auguste Förster. (Verlag I. C. C. Bruns, Minden i. W. Brosch. 7 M, geb. 8 und 9 M.) Der Verlag schenkte uns bereits eine Als Ergänzung zu den fünf Bänden seiner Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] dem Antonius, mit auf den Weg gegeben sind, Ein sehr hübsches und in seiner schlichten, Zuni Schluß wäre zu melden, daß Gott¬ mcmnschen Tragödie „Kaiser Karls Geisel" Baudelaires Briefe. Deutsch von Auguste Förster. (Verlag I. C. C. Bruns, Minden i. W. Brosch. 7 M, geb. 8 und 9 M.) Der Verlag schenkte uns bereits eine Als Ergänzung zu den fünf Bänden seiner <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0107" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326277"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_504" prev="#ID_503"> dem Antonius, mit auf den Weg gegeben sind,<lb/> entschädigen für vieles und heben das technisch<lb/> gut gebaute Drama immerhin weit über den<lb/> landesüblichen Durchschnitt — soviel Prin¬<lb/> zipielle Einwände auch schließlich dagegen<lb/> vorzubringen wären.</p> <p xml:id="ID_505"> Ein sehr hübsches und in seiner schlichten,<lb/> anspruchslosen Art sehr einprägsames Weih¬<lb/> nachtsmärchen gibt Bruno Dieterich unter<lb/> den: Titel „Prinzessin Ursula" (H. Haessel,<lb/> Leipzig) heraus, während er in seinem mit<lb/> okkulten Phänomen ziemlich oberflächlich ko¬<lb/> kettierenden Einakterzyklus „Die des Tages<lb/> nicht kommen" (H. Haessel, Leipzig) sehr viel<lb/> weniger glücklich ist. „Der Wunderstein", ein<lb/> indisches Märchen von Maximilian Singer<lb/> (Taussig u. Taussig, Prag), bringt allerlei nette<lb/> und harmlose Lebensweisheiten in einer ge¬<lb/> fälligen Form, die eine entfernte Verwandt¬<lb/> schaft mit der des Fuldaschen „Talisman"<lb/> aufweist. Dagegen müssen die dramatischen<lb/> Gänge, die ein Herr Deubner in zwei Ar¬<lb/> beiten — „Die Prüflinge" und „Die<lb/> Schwestern" (Leipzig) unternimmt, als gänz¬<lb/> lich verfehlt und unreif bezeichnet werden.<lb/> Ebensowenig können die Polentragödie „Wem"<lb/> von Hinrich Lenz (Bruno Volger, Leipzig),<lb/> das ganz dilettantische Bauernkricgsdrama<lb/> „März" von Karl Schwarz (ebenda), die<lb/> herzlich schlecht dialogisierte Moritat „Burg<lb/> Oberstein" von Alfred Bernhard (ebenda) und<lb/> das blaszblütige Epigonentum des Schauspiels<lb/> „Thusneldas Entführung" von Hermann<lb/> Walther (ebenda) vor einem ernsthaften kri¬<lb/> tischen Urteil bestehen. Auf einer klein wenig<lb/> höheren Stufe, weil sie wenigstens technisch<lb/> den Anforderungen des Theaters genügen,<lb/> bewegen sich die Schauspiele „Glauben" von<lb/> Hermann Fornaschon (ebenda), „Hedwig<lb/> Heidemann" von F. Adolf Rosmer (ebenda)<lb/> und „Unsere Kinder" von Max Kunze-<lb/> Goldberg (ebenda). Als harmlos banale Lust¬<lb/> spiele, die sicherlich ihr Publikum finden wer¬<lb/> den und in keiner Weise Anlaß zu kritischer<lb/> Empörung geben, Präsentieren sich „Die Ruhe¬<lb/> störer" von Roland Zenegg (ebenda) und<lb/> „Kastengeist" von G. Grünberg (ebenda).</p> <p xml:id="ID_506" next="#ID_507"> Zuni Schluß wäre zu melden, daß Gott¬<lb/> fried Stominel-Düsseldorf einen für unseren<lb/> Geschmack gänzlich mißlungenen Versuch ge¬<lb/> macht hat, den letzten Akt der Gerhart Haupt-</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_507" prev="#ID_506"> mcmnschen Tragödie „Kaiser Karls Geisel"<lb/> durch eine Neuarbeitung zu verbessern (Ver¬<lb/> lagsgesellschaft Hamburg). Diese Neuarbeitung<lb/> ist so fade, so philiströs und so pedantisch,<lb/> daß es sich nicht verlohnt, näher darauf ein¬<lb/> zugehen. Um nun den Leser wenigstens nicht<lb/> in völliger Melancholie zurückzulassen, wollen<lb/> Wir noch zu guter Letzt in aller Eile ver»<lb/> zeichnen, daß der junge Münchener Schrift¬<lb/> steller Walther Haas eine sehr geistreiche, sehr<lb/> lustige, allerdings Wohl nur für Eingeweihte<lb/> verständliche Satire auf-die verblüffende Art<lb/> des Dichters Frank Wedekind geschrieben hat:<lb/> „Der Fluch des Schicksals oder der Zwiespalt<lb/> des Herzens" (Verlag sür Literatur, Kunst<lb/> und Musik, Leipzig). Literarische Cabarets<lb/> oder übermütige Künstlervereinigungen sollten<lb/> sich dieser glänzend gelungenen Groteske an¬<lb/> nehmen. Der Erfolg wäre ihnen sicher.</p> <note type="byline"> Dr. Arthur ZVestxchal i</note> </div> <div n="3"> <head> Baudelaires Briefe. Deutsch von Auguste<lb/> Förster. (Verlag I. C. C. Bruns, Minden<lb/> i. W. Brosch. 7 M, geb. 8 und 9 M.)</head> <p xml:id="ID_508"> Der Verlag schenkte uns bereits eine<lb/> ausgezeichnete, sorgfältige Ausgabe von<lb/> Baudelaires Werken in deutscher Übertragung.<lb/> Langsam, wie alles Echte und Seltene, ist<lb/> dieser Dichter der Allgemeinheit bekannt ge¬<lb/> worden; freilich gehört er nur den Wenigen,<lb/> und darin liegt immer das schönste Zeichen<lb/> für die Bedeutung eines Künstlers. Diese<lb/> schillernde, lockende Welt bleibt allen denen<lb/> verschlossen, die auf der großen Heerstraße<lb/> der Tagesliteratur wandern, für die es keine<lb/> Geheimnisse, keine Probleme und Rätsel gibt.<lb/> Einer, der mutig in unentdeckte Gebiete vor¬<lb/> dringt, der von äußerster Strenge in künst¬<lb/> lerischen Dingen beseelt ist, erscheint den<lb/> Vielen immer wie ein Fremder und Wahn¬<lb/> sinniger.</p> <p xml:id="ID_509" next="#ID_510"> Als Ergänzung zu den fünf Bänden seiner<lb/> Werke erschien nun diese stattliche Bnessamm-<lb/> lung, die das Persönliche und Alltägliche in<lb/> ein Helles, verklärtes Licht rückt. Eines sucht<lb/> man vergebens: ästhetische Exkurse. Selten<lb/> berührt Baudelaire allgemeine künstlerische<lb/> Fragen. Zwanglos Plaudert oder erörtert er<lb/> geschäftliche Angelegenheiten. Die meisten<lb/> Briefe gelten seinem Verleger Poulet-Malassts,<lb/> und wir erfahren aus ihnen, wie gewissenhaft</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0107]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
dem Antonius, mit auf den Weg gegeben sind,
entschädigen für vieles und heben das technisch
gut gebaute Drama immerhin weit über den
landesüblichen Durchschnitt — soviel Prin¬
zipielle Einwände auch schließlich dagegen
vorzubringen wären.
Ein sehr hübsches und in seiner schlichten,
anspruchslosen Art sehr einprägsames Weih¬
nachtsmärchen gibt Bruno Dieterich unter
den: Titel „Prinzessin Ursula" (H. Haessel,
Leipzig) heraus, während er in seinem mit
okkulten Phänomen ziemlich oberflächlich ko¬
kettierenden Einakterzyklus „Die des Tages
nicht kommen" (H. Haessel, Leipzig) sehr viel
weniger glücklich ist. „Der Wunderstein", ein
indisches Märchen von Maximilian Singer
(Taussig u. Taussig, Prag), bringt allerlei nette
und harmlose Lebensweisheiten in einer ge¬
fälligen Form, die eine entfernte Verwandt¬
schaft mit der des Fuldaschen „Talisman"
aufweist. Dagegen müssen die dramatischen
Gänge, die ein Herr Deubner in zwei Ar¬
beiten — „Die Prüflinge" und „Die
Schwestern" (Leipzig) unternimmt, als gänz¬
lich verfehlt und unreif bezeichnet werden.
Ebensowenig können die Polentragödie „Wem"
von Hinrich Lenz (Bruno Volger, Leipzig),
das ganz dilettantische Bauernkricgsdrama
„März" von Karl Schwarz (ebenda), die
herzlich schlecht dialogisierte Moritat „Burg
Oberstein" von Alfred Bernhard (ebenda) und
das blaszblütige Epigonentum des Schauspiels
„Thusneldas Entführung" von Hermann
Walther (ebenda) vor einem ernsthaften kri¬
tischen Urteil bestehen. Auf einer klein wenig
höheren Stufe, weil sie wenigstens technisch
den Anforderungen des Theaters genügen,
bewegen sich die Schauspiele „Glauben" von
Hermann Fornaschon (ebenda), „Hedwig
Heidemann" von F. Adolf Rosmer (ebenda)
und „Unsere Kinder" von Max Kunze-
Goldberg (ebenda). Als harmlos banale Lust¬
spiele, die sicherlich ihr Publikum finden wer¬
den und in keiner Weise Anlaß zu kritischer
Empörung geben, Präsentieren sich „Die Ruhe¬
störer" von Roland Zenegg (ebenda) und
„Kastengeist" von G. Grünberg (ebenda).
Zuni Schluß wäre zu melden, daß Gott¬
fried Stominel-Düsseldorf einen für unseren
Geschmack gänzlich mißlungenen Versuch ge¬
macht hat, den letzten Akt der Gerhart Haupt-
mcmnschen Tragödie „Kaiser Karls Geisel"
durch eine Neuarbeitung zu verbessern (Ver¬
lagsgesellschaft Hamburg). Diese Neuarbeitung
ist so fade, so philiströs und so pedantisch,
daß es sich nicht verlohnt, näher darauf ein¬
zugehen. Um nun den Leser wenigstens nicht
in völliger Melancholie zurückzulassen, wollen
Wir noch zu guter Letzt in aller Eile ver»
zeichnen, daß der junge Münchener Schrift¬
steller Walther Haas eine sehr geistreiche, sehr
lustige, allerdings Wohl nur für Eingeweihte
verständliche Satire auf-die verblüffende Art
des Dichters Frank Wedekind geschrieben hat:
„Der Fluch des Schicksals oder der Zwiespalt
des Herzens" (Verlag sür Literatur, Kunst
und Musik, Leipzig). Literarische Cabarets
oder übermütige Künstlervereinigungen sollten
sich dieser glänzend gelungenen Groteske an¬
nehmen. Der Erfolg wäre ihnen sicher.
Dr. Arthur ZVestxchal i Baudelaires Briefe. Deutsch von Auguste
Förster. (Verlag I. C. C. Bruns, Minden
i. W. Brosch. 7 M, geb. 8 und 9 M.) Der Verlag schenkte uns bereits eine
ausgezeichnete, sorgfältige Ausgabe von
Baudelaires Werken in deutscher Übertragung.
Langsam, wie alles Echte und Seltene, ist
dieser Dichter der Allgemeinheit bekannt ge¬
worden; freilich gehört er nur den Wenigen,
und darin liegt immer das schönste Zeichen
für die Bedeutung eines Künstlers. Diese
schillernde, lockende Welt bleibt allen denen
verschlossen, die auf der großen Heerstraße
der Tagesliteratur wandern, für die es keine
Geheimnisse, keine Probleme und Rätsel gibt.
Einer, der mutig in unentdeckte Gebiete vor¬
dringt, der von äußerster Strenge in künst¬
lerischen Dingen beseelt ist, erscheint den
Vielen immer wie ein Fremder und Wahn¬
sinniger.
Als Ergänzung zu den fünf Bänden seiner
Werke erschien nun diese stattliche Bnessamm-
lung, die das Persönliche und Alltägliche in
ein Helles, verklärtes Licht rückt. Eines sucht
man vergebens: ästhetische Exkurse. Selten
berührt Baudelaire allgemeine künstlerische
Fragen. Zwanglos Plaudert oder erörtert er
geschäftliche Angelegenheiten. Die meisten
Briefe gelten seinem Verleger Poulet-Malassts,
und wir erfahren aus ihnen, wie gewissenhaft
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